VG Neustadt a.d.W.

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Zitieren als:
VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 14.02.2005 - 3 K 2285/04.NW - asyl.net: M7011
https://www.asyl.net/rsdb/M7011
Leitsatz:

§ 60 Abs. 5 AufenthG für iranische Staatsangehörige wegen Konversion zum Christentum und Missionsarbeit in Deutschland; zum Ausschluss von selbstgeschaffenen Nachfluchtgründen.

 

Schlagwörter: Iran, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Folgeantrag, Konversion, Apostasie, Christen, Missionierung, Genfer Flüchtlingskonvention, Anerkennungsrichtlinie, Gesetzesänderung, Zuwanderungsgesetz, Exilpolitische Betätigung, Überwachung im Aufnahmeland, Persisch Christliches Zentrum, Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, BFP
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 5; AsylVfG § 28 Abs. 2; RL 2004/83/EG Art. 5; GFK Art.33; AufenthG § 60 Abs. 6
Auszüge:

§ 60 Abs. 5 AufenthG für iranische Staatsangehörige wegen Konversion zum Christentum und Missionsarbeit in Deutschland; zum Ausschluss von selbstgeschaffenen Nachfluchtgründen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte feststellt, dass die Voraussetzungen des insoweit am 01. Januar 2005 in Kraft getretenen § 60 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Aufenthaltsgesetz - AufenthG - vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950ff.), der insoweit dem früheren § 51 Abs. 1 Ausländergesetz entspricht, vorliegen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG scheidet bereits nach § 28 Abs. 2 AsylVfG vom 26. Juni 1992 (BGBl. I, 1192) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBl. I, 1361), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, 1950) aus. Danach kann in der Regel die Feststellung, dass dem Ausländer die in § 60 Abs. 1 AufenthG bezeichneten Gefahren drohen, nicht mehr getroffen werden, wenn der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag stellt und sein Vorbringen auf Umstände im Sinne des Absatzes 1 stützt, die nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrages entstanden sind. Umstände im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG sind solche, die der Ausländer nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 AsylVfG sind hier erfüllt, was einer Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG entgegensteht. Die Umstände, auf deren Vorliegen sich die Kläger nunmehr zur Begründung ihres Begehrens berufen, sind nach Eintritt der Rechtskraft der in ihren Asylerstverfahren ergangenen Urteile eingetreten. Die Hinwendung der Kläger zum christlichen Glauben, ihre Aktivitäten zur Verbreitung ihres neuen Glaubens sowie ihre Taufen erfolgten nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss der Klageverfahren 3 K 1412/02.NW und 3 K 1177/03.NW. Damit kann die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG aufgrund Nachfluchtaktivitäten, die sich gerade nicht als Fortsetzung einer bereits im Heimatstaat angelegten und erkennbar betätigten Überzeugung darstellen, nicht mehr erreicht werden. Dies ist nach der Begründung zu § 28 Abs. 2 AsylVfG (BT-Drucksache 15/420, S. 110) von dem Gesetzgeber so gewollt und entspricht auch der EG-Flüchtling-MindestschutzRichtlinie - RL 2004/83/EG - vom 29. April 2004 (ABl. L 304 vom 30.September 2004, S. 12), nach deren Artikel 5 die Mitgliedstaaten unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention festlegen können, dass ein Ausländer, der einen Folgeantrag stellt, in der Regel nicht als Flüchtling anerkannt wird, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Ausländer nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat. Eine Schutzlücke entsteht dadurch für den Ausländer nicht, da § 60 Abs. 1 AufenthG nicht die alleinige Rechtsgrundlage für den Schutz vor einer Abschiebung darstellt. Im Falle einer konkreten Gefahr bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ist ein solcher Schutz nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AsylVfG zu gewähren; diese Regelungen sollen Schutz vor Folter, einer Todesstrafe, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung und anderen erheblichen konkreten Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit bieten. Die Schutzgewährung aufgrund dieser Regelungen ist auch mit der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1953 (BGBl. II S. 560) vereinbar. Artikel 33 Genfer Flüchtlingskonvention gebietet den vertragsschließenden Staaten, keinen Flüchtling in Gebiete zurück- oder auszuweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht wäre. Aussagen über die konkrete Ausgestaltung des Schutzes (z.B. dauerhafter Aufenthalt) in dem einzelnen Vertragsstaat trifft die Konvention hingegen nicht. Die in § 60 Abs. 2, 5 und 7 AufenthG vorgesehenen Abschiebungshinderungsgründe tragen damit dem nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewährenden Schutz Rechnung.

Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 AsylVfG ist auch in der Fassung, die sie durch Art. 3 des Zuwanderungsgesetzes gefunden hat, anzuwenden. Das Gesetz enthält nämlich keine Übergangsregelung, die besagt, dass für noch nicht unanfechtbar oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren das bisherige Recht anzuwenden sei. Die Regelung des § 87 AsylVfG ist hier nicht einschlägig, da sie Sachverhalte bei Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes betrifft. Die Vorschriften §§ 87a und 87b AsylVfG sind hier offensichtlich nicht einschlägig. Es gilt somit der allgemeine Grundsatz, dass sich bei der vorliegenden Klage, bei der es sich um eine Verpflichtungsklage handelt, die für die Entscheidung maßgebliche Sachund Rechtslage nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestimmt (BVerwG, Entscheidung vom 17.10.1989, Buchholz 402.25 § 5 AsylVfG Nr. 8; BVerwGE 74, 115/118). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Verpflichtungsbegehren aber nur durchdringen, wenn der Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf die erstrebte Leistung hat. Ob ein solcher Anspruch besteht, beurteilt sich nach materiellem Recht (BVerwG a.a.O.). Hier ist demzufolge die Möglichkeit einer Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind, nicht gegeben.

Es liegen aber die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG vor.

Der Übertritt der Kläger zum christlichen Glauben und seine Missionierungstätigkeiten würden im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer politischen Verfolgung führen.

Der Übertritt zum christlichen Glauben allein wäre aber nicht ausreichend, um den Klägern den Schutz des § 51 Abs. 1 AuslG zuzubilligen.

Die Situation der Kläger stellt sich wie folgt dar: Sie haben sich einer aktiv missionierenden religiösen Gemeinschaft angeschlossen, nämlich dem Persisch Christlichen Zentrum in M./M., das Mitglied im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden - BFP - Körperschaft des öffentlichen Rechts - ist. Für dieses Zentrum und zusammen mit Mitgliedern des Zentrums übt der Kläger zu 1) unter Landsleuten eine Missionierungstätigkeit aus. Er ist auf besondere Weise öffentlichkeitswirksam als Christ in Erscheinung getreten. Sein Verhalten ist nach Überzeugung des Gerichts von dem Wunsch, andere zum christlichen Glauben zu führen, bestimmt.

Angesichts des in Deutschland tätigen iranischen Nachrichtendienstes und anderer staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, deren Aufgabe die Beobachtung der Auslandsiraner ist, wobei allerdings die Intensität und das Ausmaß der Beobachtung im Einzelnen nur schwer zu bestimmen ist, ist das Gericht der Überzeugung, dass die Aktivitäten des Klägers und seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2), diesen Stellen nicht verborgen geblieben sind und sie im Falle einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer politischen Verfolgung zu rechnen haben, da die Verkündung des neuen Glaubens den Klägern, hier insbesondere dem Kläger zu 1), nach dem Eindruck des Gerichts ein Anliegen ist, dem sie sich auch nach einer Rückkehr in den Iran nicht entziehen werden. Denn sie haben auch in der Gemeinde Aufgaben und damit Verantwortung übernommen und arbeiten dort aktiv mit.