VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 20.05.2005 - 9 K 291/04.A - asyl.net: M6939
https://www.asyl.net/rsdb/M6939
Leitsatz:

§ 60 Abs. 7 AufenthG für afghanische Staatsangehörige wegen posttraumatischer Belastungsstörung.

 

Schlagwörter: Afghanistan, DVPA, Khad, Kommunisten, Sicherheitslage, Kabul, allgemeine Gefahr, Extreme Gefahrenlage, Versorgungslage, Existenzminimum, Krankheit, Abschiebungshindernis, Posttraumatische Belastungsstörung, psychische Erkrankung, Medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

§ 60 Abs. 7 AufenthG für afghanische Staatsangehörige wegen posttraumatischer Belastungsstörung.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Schließlich hat der Kläger zu 2. auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 2. bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer extremen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt sein wird, wenn er sich dort nach Kabul begibt.

Insgesamt betrachtet ist die allgemeine Sicherheitslage in Kabul derzeit jedoch nicht so, dass dort eine extreme Gefahrenlage für jeden Rückkehrer angenommen werden kann, die allein ein über den Wortlaut des § 60 Abs. 7. Satz 1 AufenthG hinausgehendes Abschiebungshindernis begründen würde (vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.03.2003 - 20 A 4270/97.A -; Beschluss vom 30.07.2003 - 20,A 3708/97.A -; OVG Hamburg, Urteil vom 24.10.2002 - 1 Bf 67/98.A -).

Auch wenn die Situation für Rückkehrer insgesamt als nicht zufrieden stellend angesehen werden kann, kann jedenfalls derzeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 2. bei einer Rückkehr in eine extreme Existenzgefährdung geraten würde, bei der allein die Gerichte mit Rücksicht auf die gesetzgeberische Kompetenzentscheidung berechtigt sind, Abschiebungsschutz zu gewähren (vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.03.2003 a.a.O.; Beschluss vom 30.07.2003 a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 24.10.2002, a.a.O.).

Dagegen hat die Klägerin zu 1. einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Gutachten leidet die Klägerin zu 1. unter einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung mit multiplen somatoformen Störungen. Zwar besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 31.08.2004 an das VG Hamburg in Afghanistan die Möglichkeit, posttraumatische Belastungsstörungen zu behandeln. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.11.2004 ist jedoch die medizinische Versorgung in Afghanistan aufgrund fehlender Medikamente, Geräte und Ärzte und mangels ausgebildeten Hilfspersonals völlig unzureichend. Im Hinblick auf die oben dargestellten Probleme, die schon gesunde Rückkehrer aus dem Ausland mit der Sicherung ihrer Existenzgrundlage haben, erscheint es daher praktisch ausgeschlossen, dass die Klägerin zu 1., die nach ihren Angaben in Afghanistan über keine familiären Verbindungen oder finanzielle Mittel verfügt, bei einer Rückkehr in der Lage sein wird, die in der Bundesrepublik Deutschland begonnene Behandlung weiterzuführen. Unter Berücksichtigung der Umstände, die zu einer Aufnahme der Behandlung geführt haben, besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Behandlungsabbruch und die mit einer Rückkehr nach Afghanistan verbundenen psychischen Belastungen zu einem erneuten Suizidversuch führen würden. Die Klägerin zu 1. wäre daher bei einer Rückkehr in ihrer Existenz unmittelbar gefährdet, so dass das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen ist.