VG Neustadt a.d.W.

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Zitieren als:
VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 08.07.2005 - 8 K 447/05.NW - asyl.net: M6919
https://www.asyl.net/rsdb/M6919
Leitsatz:
Schlagwörter: Widerruf, Asylberechtigte, Asylanerkennung, Serbien und Montenegro, Kosovo, Albaner, Zwingende Gründe, Integration, Genfer Flüchtlingskonvention, Familienasyl, Bestandskraft, Unverzüglichkeit
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 1; AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 3; GFK Art. 1 C Nr. 5; AsylVfG § 26
Auszüge:

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter bzw. die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. In den Fällen des § 26 AsylVfG ist die Anerkennung des Asylberechtigten ferner zu widerrufen, wenn u.a. die Anerkennung des Stammberechtigten erlischt, widerrufen oder zurückgenommen wird (§§ 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Entsprechendes gilt für den Widerruf der Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (vgl. Marx, Kommentar zum AsylVfG, 4. Aufl., § 73. Rdnr. 62 ff.).

Die vorgenannten Voraussetzungen eines Widerrufs von Asylberechtigung und Flüchtlingseigenschaft hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in seinem Bescheid vom 1. März 2005 zutreffend festgestellt, so dass diesbezüglich gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf den vorgenannten Bescheid verwiesen und insoweit von weiteren Ausführungen abgesehen werden kann. Es bestehen auch keine zwingenden Gründe für ein Absehen von dem Widerruf im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG. Insbesondere kann eine möglicherweise im Bundesgebiet vollzogene Integration einen solchen Grund nicht darstellen, wobei auch die vollständige Veränderung der Lage im Kosovo im Vergleich etwa zu 1998 (bzw. zu Beginn des Jahres 1999) in den Blick zu nehmen ist. Der Stand der Integration ist vielmehr vornehmlich im Rahmen des Ausländerrechts zu beachten. Hierzu hat das Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz mit Erlass vom 7. Mai 2004 (Az: 19324-316) allgemeine Richtlinien für die zuständigen Verwaltungsbehörden erlassen. In diesem Rahmen wird die Klägerin auch den Umstand ihres langen Aufenthalts und die Innehabung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vortragen können.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin in Anspruch genommenen Flüchtlingsbegriff des Artikels C Nr. 5 der Genfer Konvention - GFK.

Die Klage konnte schließlich auch im Hinblick auf das noch laufende Widerrufsverfahren der Eltern keinen Erfolg haben. Der Wortlaut von § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG setzt gerade keine Rechtskraft des Widerrufsbescheides des Stammberechtigten voraus, was sich schon ohne weiteres aus der Wortlautinterpretation der Vorschrift (Verwendung der Präsensform) erschließen lässt. So wie umgekehrt der Widerruf des originären Asylrechts gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der betreffende Ausländer bei seiner Anerkennung auch die Voraussetzungen des Familienasyls gemäß § 26 AsylVfG erfüllte (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Januar 2000, 6 A 12169/99.OVG), so ist die Entscheidung über den Widerruf des abgeleiteten Berechtigten vor Rechtskraft der Entscheidung über den Widerruf des Stammberechtigten jedenfalls dann möglich, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung eines Familienasyls, nach § 26 AsylVfG sowie eines originären Asylrechts offensichtlich nicht mehr vorliegen. Denn das Kind eines Asylberechtigten hat ebenso keinen Anspruch auf Gewährung von Familienasyl, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten zu widerrufen ist. Es ist dabei allgemein bereits für die Versagung des Familienasyls nicht erforderlich, dass ein Widerrufsverfahren eingeleitet oder der Widerruf verfolgt ist (vgl. OVG, Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. November 2000, 12 A 11485/00, NVwZ RR 2001, 341 f.; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 1. März 2001; 8 L 1117/99, DVBl. 2001, 627). Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ist es daher auch nicht notwendig, dass, der Widerrufsbescheid des Asylstammberechtigten bereits in Bestandskraft erwachsen ist. Vielmehr können die Anerkennung als Asylberechtigter nach § 26 AsylVfG und die Anerkennung des Stammberechtigten gleichzeitig widerrufen werden (so ausdrücklich zuletzt OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. März 2005, 10 A 10007/05.OVG, ESOVG-RP).

Soweit vertreten wird, dass sich aus dem angeblich nicht "unverzüglich" erfolgten Widerruf der Asylanerkennung die Rechtswidrigkeit des Bescheides und damit dessen Anfechtbarkeit für den Betroffenen selbst ergebe, folgt die Kammer dieser Auffassung nicht (vgl. hierzu VG Stuttgart, Urteil vom 7. Januar 2003 - Az. A 5 K 11226/01, InfAuslR 2000, 472).