VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.06.2005 - 6 A 59/05 - asyl.net: M6852
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Leitsatz:

Kein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung für irakischen Staatsangehörigen, da kein staatlicher Schutz i.S.d. Art. 1 C 5 GFK vor sonstigen Gefahren, insbesondere Kriminalität, zur Verfügung steht.

 

Schlagwörter: Irak, Widerruf, Genfer Flüchtlingskonvention, Machtwechsel, Flüchtlingsanerkennung, Änderung der Sachlage, Konventionsflüchtlinge, Schutzfähigkeit, Anerkennungsrichtlinie, Kriminalität, Nichtstaatliche Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen, Sicherheitslage, Geiselnahme, Terrorismus, Medizinische Versorgung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; GFK Art. 1 C 5; RL 2004/83/EG Art. 11 Abs. 1 e)
Auszüge:

Kein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung für irakischen Staatsangehörigen, da kein staatlicher Schutz i.S.d. Art. 1 C 5 GFK vor sonstigen Gefahren, insbesondere Kriminalität, zur Verfügung steht.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Rechtsgrundlage für den von der Beklagten ausgesprochenen Widerruf ist § 73 Abs. 1 AsylVfG.

Zwar geht die Beklagte zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen des

an die Stelle des § 51 Abs. 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG

nicht mehr vorliegen, weil sich die Verhältnisse im Irak grundlegend und

dauerhaft verändert haben und dort eine politische Verfolgung nicht mehr

stattfindet.

Der Regelungsgehalt des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG wird gemäss den nachstehenden Ausführungen durch Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK allerdings erweitert. Neben der grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse des Herkunftslandes ist deshalb in den Blick zu nehmen, ob der Ausländer "es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt".

Diese Vorschrift der GFK ist anzuwenden, obwohl dessen bereits zitierter Wortlaut in § 73 Abs. 1 AsylVfG keinen Niederschlag gefunden hat. Das ergibt sich zunächst daraus, dass die GFK nationales Recht ist. Der Bundesgesetzgeber hat der GFK zugestimmt und den Bestimmungen Gesetzeskraft verliehen (vgl. Art. 2 des Gesetzes betreffend das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1953 Teil II, S. 559).

Entsprechend vertritt das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der ehemalige § 51 Abs. 1 AuslG nur eine verkürzte Wiedergabe des Art. 1 A Nr. 2 GFK darstellt und deshalb so auszulegen und anzuwenden ist, dass beide Begriffe übereinstimmen (vgl. Urteil vom 08. Februar 2005, Az. 1 C 29.03). Nach Auffassung der erkennenden Kammer kann für § 73 Abs. 1 AsylVfG nichts anderes gelten. Auch § 73 Abs. 1 AsylVfG ist vor dem Hintergrund des Art. 1 C Nr. 5 GFK zu betrachten, in Übereinstimmung zu bringen und ggf. erweiternd auszulegen.

Die Entstehungsgeschichte des § 73 AsylVfG bestätigt diese Auslegung. Die Vorschrift geht auf § 16 AsylVfG von 1982 zurück. In der damaligen Gesetzesbegründung heißt es, dass die Regelung des Widerrufs weitgehend den Regelungen in Nr. 5 und 6 des Art. 1 C GFK entspreche (Bundestagsdrucksache 9/875, S. 18). Trotz des Wortes "weitgehend" ist kein Grund ersichtlich, dass der Gesetzgeber von dem Wortlaut des Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK abweichen wollte. Dagegen spricht auch, dass die GFK Gesetzescharakter hat (siehe oben). Außerdem hebt das Bundesverwaltungsgericht insoweit ausdrücklich hervor, dass die Gesetzesbegründung auf Art. 1 C Nr. 5 und 6 GFK verweist und dass nach diesen in Bezug genommenen Bestimmungen der Konvention eine Person nicht mehr unter das Abkommen falle, wenn - neben anderen Voraussetzungen - die Umstände weggefallen sind, aufgrund derer sie als Flüchtlinge anerkannt worden ist (Urteil des BVerwG vom 19.09.2000, Az.: 9 C 12.00). Aus den vom Bundesverwaltungsgericht in Parenthese gesetzten Worten "neben anderen Voraussetzungen" wird deutlich, dass es nicht allein auf den Wegfall der Umstände ankommt, die die politische Verfolgung ausgelöst haben, sondern auch die anderen Voraussetzungen von Art. 1 C Nr. 5 und 6 GFK zu beachten sind.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die GFK keine Bestimmungen über den Widerruf enthalte und deshalb eine um die Bestimmungen des Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK erweiternde Auslegung des § 73 AsylVfG nicht in Betracht komme (so aber OVG Schleswig, Beschluss vom 3.6.2004, NVwZ-RR 2005, S. 28). Zwar ist der Begriff "Widerruf" in Art. 1 C Nr. 5 GFK nicht enthalten. Es ist aber zu bedenken, dass der Begriff "Widerruf" in § 73 AsylVfG aus dem deutschen allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht übernommen wurde. Es handelt sich um einen juristischen Fachausdruck, der im deutschen Verfahrensrecht mit einer bestimmten Bedeutung verbunden ist. Von daher erklärt es sich, dass in internationalen Vorschriften der Begriff "Widerruf" nicht vorkommt. Entscheidend ist, dass sowohl § 73 Abs. 1 AsylVfG und die Regelungen in der GFK die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft regeln. Insofern haben beide Vorschriften denselben Regelungsgegenstand. Dass der Gesetzgeber dies auch so sieht, ergibt sich aus der bereits zitierten Gesetzesbegründung (siehe oben).

Schließlich spricht auch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie, ABl. L 304/12) für die Anwendung des Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK in dem o. g. Sinne. Unter Art. 11 Abs. 1 Ziffer e) heißt es, dass ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr Flüchtling ist, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es ist nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Diese Vorschrift ist vom Wortlaut her nahezu identisch mit Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK. Diese Richtlinie ist zwar nicht direkt anwendbar. Die Frist zu ihrer Umsetzung läuft gem. deren Art. 38 Abs. 1 erst am 10. Oktober 2006 ab. Allerdings ist die Qualifikationsrichtlinie ein weiteres Argument dafür, den wortgleichen Artikel 1 C Nr. 5 S. 1 GFK in § 73 Abs. 1 AsylVfG hineinzulesen.

Es ist insoweit zu unterstellen, dass es dem Willen des bundesdeutschen Gesetzgebers entspricht, richtlinienkonformes Recht zu schaffen bzw. dass Rechtsvorschriften richtlinienkonform ausgelegt werden (vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 18.5.2005, Az.: 11 A 533/05A).

Der von der Beklagten ausgesprochene Widerruf ist mit Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK nicht vereinbar. Zwar sind, wie dargelegt, die Umstände weggefallen, aufgrund derer die Asylanerkennung erfolgt ist. Der Rechtmäßigkeit des Widerrufs steht jedoch Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 2. HS GFK entgegen. Im Sinne dieser Vorschrift kann es der Kläger ablehnen, "den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt".

Die gegenwärtige Staatsgewalt im Irak ist nicht in der Lage, dem Kläger den "Schutz" zu gewährleisten, den diese Vorschrift bezweckt.

Der "Schutz des Landes" ist zunächst nicht bereits dann gewährleistet, wenn die in Art.1 A Nr.2 GFK genannten Fluchtgründe weggefallen sind (so aber Bayr. VGH, Beschluss vom 06.08.2004, Az.: 15 ZB 04.30565). Zwar wird in dieser Vorschrift - wortgleich wie in Art. 1 C Nr. 5 GFK - u.a. als Voraussetzung für die Flüchtlingseigenschaft gemacht, dass Flüchtling nur ist, wer "den Schutz des Landes nicht in Anspruch nehmen kann". Aus dieser Wortidentität folgt jedoch keine inhaltliche Begriffsidentität. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Art. 1 A Nr. 2 GFK verwendet den Begriff "Schutz des Landes...." allein aus dem Grunde, um auch eine nichtstaatliche Verfolgung zu umfassen. Bei der dem vorliegenden Rechtstreit zugrunde liegenden unmittelbaren staatlichen Verfolgung ist aber der fehlende Schutz durch den Verfolgerstaat (= Heimatstaat) denknotwendig und bedarf insoweit keiner Hervorhebung. Darum kann dieser Begriff hier keine weitere Tatbestandsvoraussetzung sein, die neben der Verfolgungssituation erfüllt sein müsste.

Etwas anderes gilt in diesem Zusammenhang jedoch beim "Wegfall der Umstände" i.S.v. Art. 1 C Nr. 5 GFK. Hier lässt es der Wortlaut von Art. 1 C Nr. 5 GFK offen, ob über den Schutz vor der einstmals befürchteten politischen Verfolgung auch ein weitergehender Schutz gemeint ist.

Für einen solchen weitergehenden Schutz spricht die gebotene völkerrechtliche Auslegung des Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GK. Dabei sind die allgemeinen Auslegungsregeln des Art. 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK), die von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden sind, zugrunde zu legen (vgl. Knut Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl. S. 123 ff). Nach Absatz 1 dieser Vorschrift ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.

Bereits die dieser Norm mit zugrundeliegende wörtliche Auslegung (ordinary meaning rule) des Begriffes "Schutz" lässt deutlich werden, dass dieser Begriff jeglicher Sinnhaftigkeit entkleidet werden würde, wenn er schon dann erfüllt wäre, sobald der Heimatstaat seine bisherigen Verfolgungshandlungen für die Zukunft schlicht unterlässt. "Schutz" impliziert vielmehr eine aktive Schutzbereitschaft.

Auch ein sog. objektiver Ansatz (textual approach) spricht für einen weitergehenden Schutzzweck in Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK. Hätte die GFK den Rückkehrerschutz auf den Wegfall der ursprünglichen Verfolgungsfurcht beschränken wollen, hätte dies ohne weiteres eindeutig formuliert werden können (z. B. wie folgt: "... wenn die Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, weggefallen sind und der Staat des Landes dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, vor derartigen Umständen künftig Schutz bietet"). Wenn die GFK stattdessen die Formulierung wählt, dass es der Flüchtling nach Wegfall der Umstände ... "nicht mehr ablehnen kann", den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, so liegt es nahe, diesen Begriff in einem weitergehenden Sinn zu interpretieren.

Diese Interpretation wird durch die teleologische Betrachtung der Genfer Konvention im Lichte ihres Zieles und Zweckes bestätigt. Wenn in deren Präambel in Absatz 5 die Lösung des "sozialen und humanitären Charakters des Flüchtlingsproblems" herausgehoben wird, so lässt dies bereits auf die Absicht einer entsprechend umfassenden Schutzgewährung schließen. Dies ist von dem Exekutivkomitee des UNHCR mehrfach in seinen Beschlüssen bestätigt worden. Diese Dokumente sind wiederum, ebenso wie die UNHCR-Richtlinien, als Auslegungshilfen für die Auslegung der GK geeignet (dynamische Auslegung iSv Art. 31 Abs.1 Nr.3 WKV). Sie stellen ein international allgemein akzeptiertes Programm dar (vergl. Wolfrum, Handbuch Vereinte Nationen, 1991 2. Aufl. Seite 1025; BVerwG, Urteil vom 08.02.2005 - 1 C 29/03 -).

Entsprechend haben die Unterzeichner der Genfer Konvention, sowohl in der Präambel, als auch in Art. 35 GFK durch ihre Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem Hohen Flüchtlingskommissar die Anerkennung der Beschlüsse, die in seinem Namen oder dem ihm nachfolgenden Stellen zum Ausdruck gebracht.

In seinem Beschluss Nr. 79 (XLVII) weist das Exekutivkomitee des UNHCR auf die Notwendigkeit hin, dauerhafte Lösungen der Flüchtlingsproblematik zu erwirken. Diese Zielsetzung konkretisiert das Exekutivkomitee in seinem Beschluss Nr. 85 (XLIX). Dort unterstreicht es die "überragende Bedeutung der Institution Asyl für den Flüchtlingsschutz, die dem Zweck dient, einen strukturierten Rahmen für den Schutz und den Beistand für Personen zu schaffen, die des internationalen Schutzes bedürfen, bis geeignete Dauerlösungen gefunden sind."

Die Beendigung des Flüchtlingsstatus (hier: Widerruf) verlangt deshalb mehr als den Wegfall der ursprünglichen Verfolgungssituation. Erforderlich ist ein Minimum an Schutzgewährleistung durch den Heimatstaat des anerkannten Flüchtlings. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Heimatstaat umfassenden Schutz vor allgemeinen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit bietet oder eine funktionierende Regierung und grundlegende Verwaltungsstrukturen aufweist (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2005. Az.: A 3K 11689/04). Notwendig ist aber, dass der Heimatstaat jedenfalls ein Minimum an Schutz vor Menschenrechtsverletzungen und Kriminalität bietet und jedenfalls Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben schafft, insbesondere auch existentielle Lebensbedingungen gewährleistet. Diese Voraussetzungen sind im Irak nicht gegeben.

Die allgemeine Kriminalität ist in den Monaten nach dem Sturz des früheren Regimes stark angestiegen und mancherorts außer Kontrolle geraten. Eine Verfolgung von einzelnen Straftaten findet so gut wie nicht statt. Anfang Juni 2003 hat ein Aufruf der Besatzungsmächte an die Bevölkerung, alle automatischen und schweren Waffen abzugeben, nur geringen Erfolg gehabt. Inzwischen sind durch den Aufwuchs der Polizeikräfte zwar begrenzte Erfolge im Kampf gegen die allgemeine Kriminalität zu verzeichnen. Überfälle und Entführungen sind aber noch immer an der Tagesordnung. Die Sicherheitslage wird auch durch die von Saddam Hussein im Oktober 2002 verfügte Totalamnestie negativ beeinflusst, bei der 100.000 Straftäter freigelassen sein sollen. Ein regelrechter Markt für Geiseln hat die Zahl der Entführungen von Ausländern, aber auch die Gefahr für die irakische Zivilbevölkerung erhöht. Auf allen Straßenverbindungen, insbesondere der Straße von Bagdad nach Amman, muss ständig mit Überfällen gerechnet werden.

Durch Tausende terroristische Anschläge und fortgesetzte offene Kampfhandlungen zwischen militanter Opposition und regulären Sicherheitskräften ist die Lage seit Beendigung der Hauptkampfhandlungen Anfang Mai 2003 äußerst unsicher geblieben. Diese Kampfhandlungen haben auch zahlreiche Opfer unter Zivilisten gefordert. Nicht-Regierungsorganisationen schätzten die Zahl auf über 15.000, einige gehen von 100.000 aus. Die angespannte Sicherheitslage hat einen ausgesprochen negativen Einfluss auf die allgemeinen Menschenrechtslage. Diese wird von dem Chef des VN-Menschenrechtsbüros für Irak als "komplex, negativ und sehr besorgniserregend" bezeichnet, da der normale Bürger wenig, wenn nicht gar keinen Schutz durch den Staat genießt."

Die Bevölkerung hat vielfach nur einen eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen aber auch zur elementaren Lebensmittel- und Wasserversorgung. Flugzeuge mit humanitären Hilfsgütern werden mit Boden-Luft Raketen beschossen. Hilfsorganisationen können sich wegen der prekären Sicherheitslage kaum noch bewegen.

Das wirtschaftliche Umfeld bietet bei einer Arbeitslosenrate von bis zu 50 % keine gute Startposition für Rückkehrer. Nach Regierungsaussagen erhalten ca. 60 % der Bevölkerung weiterhin Lebensmittelrationen aus einem Programm der Vereinten Nationen. Die Stromversorgung hat sich nach der Besetzung des Landes drastisch verschlechtert. Aufgrund dessen ist auch die Wasserversorgung weiterhin kritisch. Nur ca. 50 % der Bevölkerung verfügen über Zugang zu sauberem Wasser.

Die medizinische Versorgung ist angespannt. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen Primary Healthcentre sind fast ausnahmslos wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen (vgl. AA, Lagebericht vom 10. Juni 2005 Stand: Mai 2005).

Diese Auskunftslage spiegelt sich einerseits darin wider, dass die Innenministerkonferenz am 23./24. Juni 2005 ihren bisherigen Beschluss iSv § 60 a AufenthG verlängert hat und andererseits der Flüchtlingsstrom aus Irak nach wie vor so stark ist, dass die Asylstatistik des Bundesminister des Innern für den Monat Mai den Irak als viertstärkstes Herkunftsland ausweist.

Die Auskunftslage zeigt, dass die gegenwärtige irakische Staatsgewalt nicht in der Lage ist, ihrer Bevölkerung den Mindestschutz zu gewährleisten, den jeder Staat seiner Bevölkerung schuldet. Dazu gehört der Schutz vor allgemeiner Kriminalität, einschließlich der Verfolgung von Straftaten ebenso wie die Gewährleistung des Existenzminimums, einschließlich des Rechts auf Leben und Menschenwürde.

Liegen nach alledem die Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht vor, so ist der angefochtene Bescheid insgesamt aufzuheben. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellungen zu § 60 Abs. 1 bzw. zu § 60 Abs. 7 AufenthG.