VG Stade

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Zitieren als:
VG Stade, Beschluss vom 03.05.2005 - 2 B 805/05 - asyl.net: M6787
https://www.asyl.net/rsdb/M6787
Leitsatz:

§ 14 a Abs. 2 AsylVfG ist nicht auf Kinder anzuwenden, die vor dem 1.1.2005 eingereist oder im Bundesgebiet geboren worden sind.

 

Schlagwörter: D (A), Minderjährige, Kinder, Anzeigepflicht, Asylantragstellung, Antragsfiktion, Gesetzesänderung, Zuwanderungsgesetz, Anwendungszeitpunkt, Rückwirkung, Altfälle, Übergangsvorschriften, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: AsylVfG § 14a Abs. 2; AsylVfG § 87b; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

§ 14 a Abs. 2 AsylVfG ist nicht auf Kinder anzuwenden, die vor dem 1.1.2005 eingereist oder im Bundesgebiet geboren worden sind.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Antragsgegnerin hat angenommen, für den Antragsteller gelte gemäß § 14a Abs. 2 AsylVfG der Antrag als gestellt. Der angefochtene Bescheid dürfte fehlerhaft sein, weil diese Vorschrift bei summarischer Prüfung auf den Antragsteller nicht anzuwenden ist (vgl. VG Göttingen, Beschluß vom 17. März 2005 - 3 B 272/05 -). Diese Vorschrift lautet: "Reist ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind des Ausländers nach dessen Asylantragstellung ins Bundesgebiet ein oder wird es hier geboren, so ist dies dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltsgestattung besitzt oder sich nach Abschluß seines Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel oder mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet aufhält (Satz 1). Die Anzeigepflicht obliegt neben dem Vertreter des Kindes im Sinne von § 12 Abs. 3 auch der Ausländerbehörde (Satz 2). Mit Zugang der Anzeige beim Bundesamt gilt ein Asylantrag für das Kind als gestellt (Satz 3)."

Schon dem Wortlaut nach ist die Vorschrift auf den Antragsteller nicht anzuwenden. Die Vorschrift ist ohne Übergangsregelung am 1. Januar 2005 in Kraft getreten und daher von diesem Tag an anzuwenden. Der Antragsteller ist nicht am 1. Januar 2005 oder danach in das Bundesgebiet eingereist oder hier geboren worden. Hätte der Bundesgesetzgeber gewollt, daß von § 14a Abs. 2 AsylVfG auch Kinder erfaßt werden, die vor dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet eingereist oder hier geboren worden sind, hätte er nach dem Sprachgebrauch des Zuwanderungsgesetzes bzw. des AsylVfG alter Fassung eine andere Formulierung gewählt, wie z. B. sinngemäß: "Ist ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind des Ausländers nach dessen Asylantragstellung ins Bundesgebiet eingereist" (vgl. insoweit § 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 AufenthG sowie § 87a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG) "oder ist es hier geboren worden" (vgl. insoweit § 104 Abs. 3 AufenthG).

Selbst wenn man den Wortlaut des § 14a Abs. 2 AsylVfG aber nicht für "eindeutig" halten wollte, deutet er jedenfalls nicht darauf hin, daß die Neuregelung auch alle bei ihrem Inkrafttreten vorhandenen Altfälle erfassen soll: Würde die Vorschrift auch für alle vor dem 1. Januar 2005 im Bundesgebiet geborenen minderjährigen ledigen Kinder von ehemaligen Asylbewerbern gelten, wäre dies eine Rückwirkung von belastenden Rechtsfolgen für Sachverhalte eines Zeitraums, in dem die Vorschrift noch nicht bestand. Eine Rückwirkung von belastenden Rechtsfolgen wäre bei verfahrensrechtlichen Regelungen zwar nicht ohne weiteres unzulässig, erforderte aber jedenfalls eine rechtsstaatlich gebotene eindeutige Übergangsregelung (vgl. BVerfG, Beschluß vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631, 1728/90 -, NVwZ 1992, 1182, 1183). Zwar hat der Gesetzgeber des Zuwanderungsgesetzes bezogen auf die Änderungen des Asylverfahrensgesetzes eine Übergangsregelung erlassen (vgl. § 87b AsylVfG), diese bezieht sich aber nicht auf den hier zu beurteilenden Fall des § 14a Abs. 2 AsylVfG.

Da eine hier anwendbare Übergangsvorschrift nicht besteht, ist davon auszugehen, daß § 14a Abs. 2 AsylVfG nur Sachverhalte erfassen soll, bei denen minderjährige ledige Kinder von Asylbewerbern oder ehemaligen Asylbewerbern ab 1. Januar 2005 ins Bundesgebiet einreisen oder ab 1. Januar 2005 hier geboren werden. Zu diesem Personenkreis gehört der Antragsteller aber nicht. Denn er ist bereits am 31. Januar 2000 geboren worden. Ist danach § 14a Abs. 2 AsylVfG aller Voraussicht nach unanwendbar, ist der mit der Klage angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin rechtswidrig, weil er erlassen worden ist, ohne daß ein Asylantrag i.S.d. § 13 AsylVfG rechtswirksam gestellt worden war oder als gestellt galt (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 27. Februar 1985 - I OE 50/81 -, NVwZ 1985, 498).