VG Mainz

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Zitieren als:
VG Mainz, Urteil vom 24.05.2005 - 1 K 884/04.MZ - asyl.net: M6775
https://www.asyl.net/rsdb/M6775
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für afghanischen Staatsangehörigen wegen Konversion zum Christentum.

 

Schlagwörter: Afghanistan, Christen, Konversion, Apostasie, religiös motivierte Verfolgung, Scharia, Todesstrafe, Subjektive Nachfluchtgründe
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 28 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für afghanischen Staatsangehörigen wegen Konversion zum Christentum.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung widerspruchsfrei und nachvollziehbar dargelegt, weshalb er im Jahre 2004 zum christlichen Glauben übergetreten ist. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22. Dezember 2004 an das Verwaltungsgericht Hamburg ist davon auszugehen, dass die christliche Minderheit in Afghanistan ihren Glauben aus Angst vor Übergriffen der Staatsorgane oder des sozialen Umfeldes heimlich ausübt. Dabei ist davon auszugehen, dass trotz des Art. 2 der Afghanischen Verfassung vom 26. Januar 2004 das Recht auf freie Religionsausübung nicht die Freiheit umfasst, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren. Vielmehr kommt in diesem Falle das Recht der Sharia zur Anwendung. Danach droht Konvertiten, die ihren muslimischen Glauben aufgegeben haben, die Todesstrafe. Danach sind zum Christentum konvertierte ehemalige Moslems gezwungen, sich zu verstecken und ihren Glauben zu verheimlichen. Anderenfalls könnten Übergriffe nicht ausgeschlossen werden und ein dauerhafter staatlicher Schutz kann derzeit - auch nur in bestimmten Landesteilen - nicht sichergestellt werden. Mithin erscheint es in beachtlichem Maße wahrscheinlich, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen seines Übertritts zum Christentum asylerhebliche Verfolgung droht.

Der Kläger ist auch nicht gemäß § 28 Abs. 1 AsylVfG an der Geltendmachung dieses subjektiven Nachfluchtgrundes gehindert. Der Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG steht vorliegend die Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG entgegen. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubhaft und nachvollziehbar erläutert, dass er in Afghanistan - aufgrund seines Alters - noch nicht in der Lage gewesen war, sich im christlichen Glauben zu betätigen und demgemäß eine entsprechende Überzeugung im Sinne des § 28 Abs. 1 AsylVfG bilden zu können. Zudem ist darauf zu verweisen, dass bis zur Ausreise des Klägers unter der Herrschaft der Taliban nach den gerichtsbekannten Unterlagen in Afghanistan eine Betätigung im christlichen Glauben unmöglich war.