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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 27.10.2004 - 6 B 54.04 - asyl.net: M6751
https://www.asyl.net/rsdb/M6751
Leitsatz:

Kein unmittelbarer Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Kriegsdienstverweigerung, Abschiebungshindernis, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit
Normen: GG Art 4 Abs. 3
Auszüge:

Der Kläger kann aber auch nicht unmittelbar aus dem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG einen Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer durch die Beklagte ableiten.

Im Zeitpunkt der Antragstellung befand sich der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland in Abschiebegewahrsam. Er mag nicht gehindert gewesen sein, sich in diesem Zusammenhang auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG zu berufen, um eine drohende Beeinträchtigung durch die Maßnahme einer deutschen Verwaltungsbehörde abzuwehren. Der Bundesgerichtshof hat in der vom Kläger angeführten Entscheidung vom 24. Mai 1977- 4 ARs 6/77 (BGHSt 27, 191) ausgeführt, dass das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG nicht nur für Personen gelte, die in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Wehrpflichtgesetz wehrpflichtig sind, und nicht nur die Verweigerung des Dienstes mit der Waffe in den deutschen Streitkräften betreffe. Es sei vielmehr ein in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verankertes, auf dem Grundrecht der Glaubensfreiheit und Gewissensfreiheit beruhendes allgemeines Grundrecht, das ohne Einschränkung für jeden gelte, der zum Kriegsdienst mit der Waffe herangezogen werden könne, gleichviel in welchem Land er abzuleisten sei. In dem zu entscheidenden Fall hat der Bundesgerichtshof daher eine Auslieferung für unzulässig gehalten, soweit diese dazu führt, dass der Verfolgte unmittelbar nach der Verbüßung einer Strafe, noch ehe er das Land, an das er ausgeliefert wird, wieder verlassen kann, zum Wehrdienst mit der Waffe herangezogen wird und - falls er aus Gewissensgründen diesen Dienst verweigert - Bestrafung zu gewärtigen hat.

Daraus könnte über den entschiedenen Fall der Auslieferung hinaus ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts hergeleitet werden, dass deutsche Stellen nicht durch Überstellung eines Ausländers an sein Heimatland daran mitwirken dürfen, das dieser gegen sein Gewissen zur Ableistung des Militärdienstes gezwungen wird. Ob der Schutz des Art. 4 Abs. 3 GG so weit reicht oder ob sich Ausländer auf dieses Grundrecht nur gegenüber der Heranziehung zum Wehrdienst in den deutschen Streitkräften berufen können (vgl. dazu Starck, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Band 1,4. Aufl. 1999, Art. 4 Abs. 3, Rn. 154, Morlok, in: Dreier, GG, 21. Aufl. 2004, Art. 4 Rn. 171 f.; Zippelius, in: Bonner-Kommentar, Art. 4, Rn. 122; Kempen, in: AK-GG, Art. 4 Abs. 3, Rn. 12; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4, Rn. 178), kann auf sich beruhen. Jedenfalls wäre den Belangen des ausländischen Kriegsdienstverweigerers in Fällen der vorliegenden Art ausreichend Rechnung getragen, wenn man ihm gestattete, sein Anliegen einredeweise gegenüber aufenthaltsbeendenden Maßnahmen geltend zu machen. Keinesfalls gebietet es Art. 4 Abs. 3 GG, dem betroffenen Ausländer in solchen Fällen ein förmliches Anerkennungsverfahren nach Art des im Kriegsdienstverweigerungsrecht geregelten Verfahrens zur Verfügung zu stellen.