OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Urteil vom 22.03.2005 - 3 Bf 294/04 - asyl.net: M6739
https://www.asyl.net/rsdb/M6739
Leitsatz:

1. Mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU am 1. Januar 2005 sind die Sperrwirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber gemeinschaftsrechtlich Freizügigkeitsberechtigten verfügt und bestandskräftig geworden sind, nicht entfallen.

2. Die Befristung der Sperrwirkungen von Ausweisungen, die auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechts verfügt und bis dahin bestandskräftig geworden sind, bemisst sich auch für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nach § 11 Abs. 1 AufenthG.

3. Wird ein Drittstaatsangehöriger wegen schwerer Straftaten bestandskräftig ausgewiesen und erfüllt er danach durch Eheschließung mit einem Unionsbürger die Voraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts, so entfallen die Sperrwirkungen der Ausweisung nicht automatisch kraft Gemeinschaftsrechts mit dem Eintritt der Voraussetzungen des Freizügigkeitstatbestands.

4. Erfüllt ein Drittstaatsangehöriger, der wegen schwerer Straftaten bestandskräftig aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben worden ist, zu einem später folgenden Zeitpunkt infolge der Eheschließung mit einem Unionsbürger die Voraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts, so gelten ihm gegenüber hinsichtlich der Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots die Maßstäbe entsprechend, die gemeinschaftsrechtlich in den Fällen anzulegen sind, in denen der Ausgewiesene bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung freizügigkeitsberechtigt und die Ausweisung gemeinschaftsrechtlich ordnungsgemäß verfügt worden war.

5. Ein Drittstaatsangehöriger, der mit einem Unionsbürger verheiratet ist und mit diesem in einen Mitgliedstaat einreisen und sich dort aufhalten will, kann sich dafür nicht auf ein gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht berufen, wenn er sich nicht bereits rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, von dem aus er sich in den Aufnahmestaat begeben möchte (vgl. EuGH, Urt. v. 23.9.2003, C -109/01, InfAuslR 2003 S. 409 - Akrich).

6. Es ist zweifelhaft, ob die passive Dienstleistungsfreiheit bereits für solche Aufenthalte in Anspruch genommen werden kann, bei denen der Betreffende lediglich Leistungen zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse empfangen würde, die mit jeglichem Aufenthalt unabhängig von seinem eigentlichen Zweck verbunden sind ("Kauf einer Coca Cola am Flughafen").

7. Ein Freizügigkeitsrecht wird gemeinschaftsrechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dadurch ausgeschlossen, dass der Betreffende im Fall seiner Einreise in den Aufnahmestaat damit rechnen muss, dort zur Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung inhaftiert zu werden, sofern von ihm gegenwärtig keine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr neuer Rechtsverstöße mehr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

8. Eine auf Erteilung eines begünstigenden Verwaltungsakts an einen Dritten gerichtete Verpflichtungsklage ist nicht als Untätigkeitsklage zulässig, wenn der Kläger nicht gemäß § 13 Abs. 1 (Hmb) VwVfG Beteiligter des Antragsverfahrens war und er auch keinen Widerspruch gegen den an den Dritten gerichteten Versagungsbescheid eingelegt hat.

 

Schlagwörter: Gemeinschaftsrecht, Freizügigkeitsgesetz/EU, Freizügigkeit, Unionsbürger, Eheschließung, Drittstaatsangehörige, Ausweisung, Sperrwirkung, Gesetzesänderung, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Nachträgliche Befristung, Beurteilungszeitpunkt, Generalprävention, passive Dienstleistungsfreiheit, Strafvollzug, Vollzug einer Restfreiheitsstrafe, Untätigkeitsklage
Normen: AufenthG § 11 Abs. 1 S. 3; AufenthG § 102 Abs. 1 S. 1; FreizügG/EU § 7 Abs. 2 S. 2; RL 73/148/EWG; RL 90/364/EWG; RL 64/221/EWG; StPO § 456a Abs. 2 S. 3; VwGO § 75
Auszüge:

1. Mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU am 1. Januar 2005 sind die Sperrwirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber gemeinschaftsrechtlich Freizügigkeitsberechtigten verfügt und bestandskräftig geworden sind, nicht entfallen.

2. Die Befristung der Sperrwirkungen von Ausweisungen, die auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechts verfügt und bis dahin bestandskräftig geworden sind, bemisst sich auch für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nach § 11 Abs. 1 AufenthG.

3. Wird ein Drittstaatsangehöriger wegen schwerer Straftaten bestandskräftig ausgewiesen und erfüllt er danach durch Eheschließung mit einem Unionsbürger die Voraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts, so entfallen die Sperrwirkungen der Ausweisung nicht automatisch kraft Gemeinschaftsrechts mit dem Eintritt der Voraussetzungen des Freizügigkeitstatbestands.

4. Erfüllt ein Drittstaatsangehöriger, der wegen schwerer Straftaten bestandskräftig aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben worden ist, zu einem später folgenden Zeitpunkt infolge der Eheschließung mit einem Unionsbürger die Voraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts, so gelten ihm gegenüber hinsichtlich der Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots die Maßstäbe entsprechend, die gemeinschaftsrechtlich in den Fällen anzulegen sind, in denen der Ausgewiesene bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung freizügigkeitsberechtigt und die Ausweisung gemeinschaftsrechtlich ordnungsgemäß verfügt worden war.

5. Ein Drittstaatsangehöriger, der mit einem Unionsbürger verheiratet ist und mit diesem in einen Mitgliedstaat einreisen und sich dort aufhalten will, kann sich dafür nicht auf ein gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht berufen, wenn er sich nicht bereits rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, von dem aus er sich in den Aufnahmestaat begeben möchte (vgl. EuGH, Urt. v. 23.9.2003, C -109/01, InfAuslR 2003 S. 409 - Akrich).

6. Es ist zweifelhaft, ob die passive Dienstleistungsfreiheit bereits für solche Aufenthalte in Anspruch genommen werden kann, bei denen der Betreffende lediglich Leistungen zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse empfangen würde, die mit jeglichem Aufenthalt unabhängig von seinem eigentlichen Zweck verbunden sind ("Kauf einer Coca Cola am Flughafen").

7. Ein Freizügigkeitsrecht wird gemeinschaftsrechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dadurch ausgeschlossen, dass der Betreffende im Fall seiner Einreise in den Aufnahmestaat damit rechnen muss, dort zur Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung inhaftiert zu werden, sofern von ihm gegenwärtig keine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr neuer Rechtsverstöße mehr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

8. Eine auf Erteilung eines begünstigenden Verwaltungsakts an einen Dritten gerichtete Verpflichtungsklage ist nicht als Untätigkeitsklage zulässig, wenn der Kläger nicht gemäß § 13 Abs. 1 (Hmb) VwVfG Beteiligter des Antragsverfahrens war und er auch keinen Widerspruch gegen den an den Dritten gerichteten Versagungsbescheid eingelegt hat.

(Amtliche Leitsätze)

 

Die Sperrwirkungen der dem Kläger zu 1) gegenüber erfolgten Ausweisung und Abschiebung sind - zum einen - nicht am 1. Januar 2005 mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBI. I S. 1950) entfallen.

Die Sperrwirkungen einer nach dem Ausländergesetz (1990) verfügten und bestandskräftig gewordenen Ausweisung gelten vielmehr gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 1 Sätzen 1 und 2 AufenthG (§ 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG 1990), solange sie nicht aufgehoben sind, auch gegenüber denjenigen Ausländern fort, die von einem Freizügigkeitsrecht nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts Gebrauch machen wollen (vgl. zum bisherigen Recht BVerwG, Urt. v. 7.1.1999, BVerwGE Bd. 110 S. 140, 149). Dem steht nicht entgegen, dass § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) nicht auf die Übergangsvorschrift des § 102 AufenthG verweist. Aus dem Fehlen einer solchen Verweisung ist nicht der Schluss zu ziehen, der deutsche Gesetzgeber habe die Sperrwirkungen sämtlicher gegenüber den Unionsbürgern und sonstigen Freizügigkeitsberechtigten (bzw. gegenüber denjenigen Ausländern, die erst nach Bestandskraft der Ausweisungsverfügung zu Unionsbürgern oder zu deren Familienangehörigen geworden sind) nach dem Ausländergesetz 1990 (i. V.m. § 12 AufenthG/EWG) verfügter und vor dem 1. Januar 2005 bestandskräftig gewordener Ausweisungen mit dem Ablauf des 31. Dezember 2004 gegenstandslos werden lassen wollen. Die amtliche Begründung zum Entwurf des Freizügigkeitsgesetzes lässt eine solche Absicht nicht erkennen (vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 101 ff., 105 f.). Ein derartiges Regelungsziel wurde auch durch das Gemeinschaftsrecht nicht nahe gelegt (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen unter "b"). Es widerspräche zudem der in § 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU verkörperten Wertung: Danach dürfen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ihr Freizügigkeitsrecht nach § 6 Abs. 1 oder Abs. 3 FreizügG/EU verloren haben, (vor dem Ablauf der dazu gesetzten Frist) nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten. Angesichts dessen wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn - trotz im wesentlichen identischer Maßstäbe im alten und neuen Recht, vgl. § 12 AufenthG/EWG und § 6 FreizügG/EU - diejenigen Ausweisungen, die bis zum 31. Dezember 2004 auf der Grundlage des bis dahin geltenden Rechts verfügt und bestandskräftig geworden sind, ohne Rücksicht auf Sperrfristen und ohne Notwendigkeit einer neuen Prüfung mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts gegenstandslos würden, obwohl auch § 6 FreizügG/EU bei schweren und gegenwärtigen Gefährdungen der öffentlichen Ordnung den Verlust des Freizügigkeitsrechts vorsieht.

Soweit die Kläger unter Hinweis auf die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 22. Dezember 2004 (Nr. 11.1.1.2 zum Aufenthaltsgesetz) geltend machen, die Rechtsgrundlage für das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach einer Ausweisung sei nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes nunmehr § 11 Abs. 1 AufenthG, der aber gegenüber Unionsbürgern und deren Familienangehörigen gemäß § 11 Abs. 1 FreizügG/EU nicht anwendbar sei, ergibt sich auch daraus nicht, dass mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes die Sperrwirkung der gegenüber dem Kläger zu 1) verfügten Ausweisung und Abschiebung entfallen wäre. Die fehlende Anwendbarkeit von § 11 Abs. 1 AufenthG auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen beruht darauf, dass nunmehr für diesen Personenkreis eine speziellere Regelung über das Einreise- und Aufenthaltsverbot für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen und über die Befristung dieses Verbots in § 7 Abs. 2 FreizügG/EU geschaffen worden ist, die der allgemeinen Bestimmung des § 11 Abs. 1 AufenthG vorgeht (vgl. die oben genannten vorläufigen Anwendungshinweise, Nr. 11.1.1.2 Satz 2). Diese neue Regelung bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Fälle, in denen die betreffenden Personen "ihr Freizügigkeitsrecht nach § 6 Abs. 1 oder Abs. 3 (FreizügG/EU) verloren haben", was voraussetzt, dass ihnen gegenüber auf der Grundlage des seit dem 1. Januar 2005 geltenden Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt worden ist, dass sie ihr Freizügigkeitsrecht verloren haben. Die noch vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU auf der Grundlage des Ausländergesetzes 1990 verfügten und bestandskräftig gewordenen Ausweisungen fallen nicht darunter, so dass es in diesen Fällen weiterhin keine gegenüber § 11 Abs. 1 AufenthG speziellere Regelung gibt und es bei dessen Anwendbarkeit auch gegenüber Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen bleibt.

Die Anwendung von § 11 Abs. 1 AufenthG ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 11 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU die Vorschriften in § 11 Abs. 1 AufenthG nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Weil die Sperrwirkungen der Ausweisung nicht mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU entfallen sind, sondern fortbestehen, § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU indes für Ausweisungen auf der Grundlage des alten Rechts nicht einschlägig ist, besteht eine Gesetzeslücke. Diese ist im Hinblick auf die erforderliche Anspruchsgrundlage für eine Befristung durch die Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu schließen. Dem entspricht die in § 11 Abs. 2 FreizügG/EU verkörperte gesetzliche Wertung: Danach findet, wenn die Ausländerbehörde den Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 5 FreizügG/EU festgestellt hat, das Aufenthaltsgesetz Anwendung, sofern das Freizügigkeitsgesetz/EU keine besonderen Regelungen trifft. Auch wenn in Fällen der hier vorliegenden Art die Ausländerbehörde nicht den Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt, sondern noch eine Ausweisung nach dem Ausländergesetz 1990 verfügt hat, handelt es sich doch gleichermaßen um Fälle der Einschränkung des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung. Dann ist das Aufenthaltsgesetz anzuwenden, sofern - wie in den Fällen der fortbestehenden Sperrwirkungen von Ausweisungen nach altem Recht - das Freizügigkeitsgesetz/EU keine besonderen Regelungen trifft. Dem entspricht es, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU die Regelung in § 11 Abs. 2 AufenthG über die Betretenserlaubnis für entsprechend anwendbar erklärt, die voraussetzt, dass ein (ggf. auch nach dem Ausländergesetz 1990 begründetes) Einreise- und Aufenthaltsverbot fortdauert.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG steht der Zeitpunkt der im Regelfall gebotenen Befristung der Sperrwirkungen im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Dieses Ermessen ist im vorliegenden Fall jedoch wegen der zu beachtenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts dahin reduziert, dass die Beklagte zu verpflichten ist, die Sperrwirkungen auf den 22. März 2005 zu befristen. Weil der Kläger zu 1) freizügigkeitsberechtigt ist, darf die Fortdauer der Sperrwirkungen nicht auf Gründe der Generalprävention gestützt werden.

Bei der Ausübung des nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eröffneten Ermessens haben sich die Ausländerbehörden - soweit nicht das Gemeinschaftsrecht andere Maßstäbe vorgibt - von den folgenden rechtlichen Grundsätzen leiten zu lassen: Die Ausweisung verfolgt den Zweck, die Allgemeinheit vor dem Ausländer wegen der Gefahr einer Wiederholung bzw. Fortdauer der Ausweisungsgründe zu schützen (Spezialprävention) und - soweit rechtlich zulässig - andere Ausländer von der Verwirklichung der Ausweisungsgründe abzuschrecken (Generalprävention). Die Dauer der Sperrwirkung ist danach zu bestimmen, wann der Ausweisungszweck bzw. die Ausweisungszwecke voraussichtlich erreicht sein wird bzw. sein werden. Die Sperrwirkung darf solang bestehen, wie es diese ordnungsrechtlichen Zwecke im Einzelfall erfordern. Sind diese Zwecke bereits sämtlich erreicht, so ist es nicht länger gerechtfertigt, die Sperrwirkungen aufrecht zu erhalten (BVerwG, Urt. v. 11.8.2000, a.a.O.; VGH Mannheim, Urt. v. 26.3.2003, InfAuslR 2003, S. 333, 336).

Die AufrechterhaItung der Sperrwirkung ist nicht länger erforderlich, um den Kläger zu 1) von der Begehung weiterer Straftaten von Gewicht im Bundesgebiet abzuhalten.

Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Urteil auf der Grundlage der von den Klägern vorgelegten Unterlagen und Erklärungen sowie der Aussage des Zeugen D. in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2004 zu dem Schluss gelangt, dass von dem Kläger zu 1) im Falle seiner erneuten Einreise und eines erneuten Aufenthalts im Bundesgebiet keine Gefahr der Begehung neuer Straftaten mehr ausgehen würde, so dass der Zweck der Sperrwirkung seiner Ausweisung in spezialpräventiver Hinsicht inzwischen erfüllt sei und daher unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr aufrechterhalten werden dürfe. Das Berufungsgericht schließt sich dieser Würdigung nach Maßgabe der Sachlage zum Zeitunkt der Berufungsverhandlung an.

Der Kläger zu 1) ist freizügigkeitsberechtigt entweder wegen Gebrauchmachens von der passiven Dienstleistungsfreiheit nach den Voraussetzungen der Richtlinie Nr. 73/148 des Rats der EWG zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs vom 21. Mai 1973 (ABLNr. L 172 S. 14) - im Folgenden: Richtlinie 73/148/EWG - oder (jedenfalls) nach Maßgabe der Richtlinie Nr. 90/364 des Rats der EWG über das Aufenthaltsrecht vom 28. Juni 1990 (ABI. Nr,L 180 S. 26), im Folgenden: Richtlinie 90/364/EWG.

Die Kläger haben ausgeführt, die Rechtsprechung des Europischen Gerichtshofs sei dahin zu verstehen, dass jegliche Inanspruchnahme von Dienstleistungen, und zwar "selbst" anlässlich touristischer Reisen, unter die passive Dienstleistungsfreiheit falle. Außerdem habe der Europäische Gerichtshof in der Sache Chen (Urt. v. 19.10.2004, C - 200/02, InfAuslR 2004 S. 413 ff.) die Dienstleistungsfreiheit von den sonstigen Freiheiten der europäischen Verträge allein nach der vorgesehenen Dauer des Aufenthalts abgegrenzt; Dienstleistungsfreiheit komme danach schon dann in Betracht, wenn der Aufenthalt von bestimmter Dauer sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Europäische Gerichtshof in der Sache Chen ausgeführt hat, dass die Dienstleistungsfreiheit kein Recht für Aufenthalte von unbestimmter Dauer verleihe (Rdnr. 22). Daraus lässt sich jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass jeglicher Aufenthalt von bestimmter Dauer schon deswegen unter die passive Dienstleistungsfreiheit fällt.

Das Berufungsgericht braucht diese Fragen jedoch im Rahmen des vorliegenden Urteils nicht zu klären. Denn dann, wenn sich die Kläger zu 1) und 2) für Besuchsaufenthalte in Hamburg der von ihnen geplanten Art nicht auf die Freizügigkeit wegen Gebrauchmachens von der passiven

Dienstleistungsfreiheit berufen können sollten, würde sich für sie jedenfalls ein Freizügigkeitsrecht nach der Richtlinie 90/364/EWG ergeben.

Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 9O/364/EWG gewähren die Mitgliedstaaten den Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen das Aufenthaltsrecht nicht auf Grund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts (wie etwa der o.g. Richtlinie 73/148/EWG) zuerkannt ist, sowie deren Familienangehörigen (darunter fallen nach Art. 1 Abs. 2 lit. a) auch die Ehegatten) unter der Bedingung das Aufenthaltsrecht, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmestaat alle Risiken abdeckt, sowie über ausreichende Existenzmittel verfügen, durch die sichergestellt ist, dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen (vgl. die deutsche Umsetzung durch § 4 FreizügG/EU). Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen diese Voraussetzungen ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen.

Das Berufungsgericht sieht es auch als hinreichend sicher an, dass die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 1) tatsächlich beabsichtigen, sich gemeinsam in das Bundesgebiet zu begeben.

Das Recht der Europäischen Gemeinschaft verbietet es, eine Ausweisungsmaßnahme gegenüber Freizügigkeitsberechtigten auf generalpräventive Gesichtspunkte zu stützen, und lässt eine solche Maßnahme nur unter strengen Voraussetzungen zu, die bei dem Kläger zu 1) nicht vorliegen. Die Richtlinie Nummer 64/221 des Rats der EWG "zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Gesundheit gerechtfertigt sind", vom 25. Februar 1964 (ABl. S. 850) - im Folgenden: Richtlinie 64/221/EWG - bestimmt in Art. 3 Abs. 1, dass bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein kann. Nach ihrem Art. 3 Abs. 2 können strafrechtliche Verurteilungen allein ohne weiteres solche Maßnahmen nicht begründen. Nach Art. 2 Abs. 1 betrifft die Richtlinie die Vorschriften für die Einreise, die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet, welche die Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlassen. Gemäß Art. 2 Abs. 2 dürfen Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden. Die Richtlinie gilt nach Art. 1 Abs. 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder - worauf es hier ankäme, falls sich die Kläger zu 1) und 2) auf die o.g. Richtlinie 73/148/EWG berufen können sollten - um Dienstleistungen entgegen zu nehmen. Nach Art. 1 Abs. 2 gelten die Bestimmungen auch für Ehegatten und die Familienmitglieder, welche die Bedingungen der aufgrund des Vertrags auf diesem Gebiet erlassenen Verordnungen und Richtlinien erfüllen. Die Richtlinie 90/364/EWG wiederum bestimmt in Art. 2 Abs. 2 Satz 3, dass die Mitgliedstaaten nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der Volksgesundheit von den Bestimmungen der Richtlinie abweichen dürfen; laut Art. 2 Abs. 2 Satz 4 findet in diesem Fall die Richtlinie 64/221/EWG Anwendung.

Der Europäische Gerichtshof legt die o.g. Bestimmung des Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG in ständiger Rechtsprechung dahin aus, dass die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung voraussetzt, dass außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächlich und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt; die Ausnahme der öffentlichen Ordnung sei eng auszulegen, so dass eine strafrechtliche Verurteilung eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen könne, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen ließen, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 27.10.1977, Rs. 30/77, EuGHE 1977 S.1999, 2012 f., Rdnrn. 25/26 ff., 33/35, -Bouchereau). Der Europäische Gerichtshof folgert daraus, dass das Gemeinschaftsrecht der Ausweisung eines Angehörigen eines Mitgliedstaats (gleiches gilt für dessen Familienangehörige aus einem Drittstaat) entgegensteht, die auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt, d.h. zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird, insbesondere, wenn die Ausweisung auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch erfolgt, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentliche Ordnung berücksichtigt wird (vgl. zuletzt EuGH, Urt. v. 29.4.2004 - Rechtssachen Orfanopoulos und Oliveri, EuGRZ 2004 S. 422, 426, Rdnrn. 66 bis 68).

Diese strengen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an die Rechtmäßigkeit von Ausweisungsmaßnahmen gegenüber Freizügigkeitsberechtigten sind im Fall des Klägers zu 1) nicht erfüllt, so dass er, wenn er sich noch im Bundesgebiet aufhielte und bisher nicht ausgewiesen worden wäre, aktuell nicht mehr aus Gründen der öffentlichen Ordnung ausgewiesen (bzw. der Verlust seines Freizügigkeitsrechts festgestellt, vgl. § 6 FreizügG/EU) werden dürfte.

Die Gefahr erneuter Straftaten von Gewicht besteht, wie bereits ausgeführt, nicht.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichts wird das Freizügigkeitsrecht des Klägers zu 1) nicht gemäß Art. 2 und 3 der Richtlinie 64/221/EWG unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch den Umstand ausgeschlossen, dass er im Fall seiner Einreise in das Bundesgebiet damit rechnen muss, gemäß dem von der Staatsanwaltschaft Hamburg erlassenen Volltreckungshaftbefehl vom 18. März 1999 zur Verbüßung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Juni 1996 inhaftiert zu werden. Auf die zu erwartende Dauer der Verbüßung kommt es dafür nicht an.

Für eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung könnte im Ausgangspunkt zwar sprechen, dass auch die Inhaftierung zur Verbüßung einer Resthaftstrafe die Folge eines gefährlichen persönlichen Verhaltens ist, das in der Vergangenheit nicht vollständig durch Strafverfolgung sanktioniert wurde und das daher, solange die Reststrafe nicht erlassen oder wenigstens zur Bewährung ausgesetzt ist, weiterhin fortwirkt.

Der Vollzug der Resthaftstrafe bedeutet jedoch keinen fortdauernden Verstoß des Klägers zu 1) gegen die öffentliche Ordnung im gemeinschaftsrechtlichen Sinne. Ein solcher Verstoß setzt zunächst voraus, dass überhaupt innerstaatliche Rechtsvorschriften verletzt werden (vgl. Streinz- Franzen, EUV/EGV, Art. 39 EGV, Rdnr. 134). Es wäre aber keine Verletzung deutscher Rechtsvorschriften durch den Kläger zu 1), wenn die Staatsanwaltschaft Hamburg im Falle einer Einreise des Klägers zu 1) in das Bundesgebiet ihre nach § 456 a Abs. 2 Satz 3 StPO erfolgte Anordnung vom 15. April 1998 umsetzen würde, wonach die Vollstreckung der noch offenen Reststrafe nachzuholen ist. Ein Grundinteresse der Gesellschaft, das darin bestünde, eine verwirkte Strafe nicht vollstrecken zu müssen, kann im Hinblick auf das Legalitätsprinzip schwerlich bestehen. Soweit im Rahmen des § 456 a Abs. 2 Satz 3 StPO der Strafvollstreckungsbehörde ein Ermessen eingeräumt ist, sind Zweckmäßigkeitserwägungen nicht geeignet, ein Grundinteresse der Gesellschaft zu konstituieren.

Eine Inhaftierung des Klägers zu 1) wäre auch kein Umstand, der die öffentliche Sicherheit im gemeinschaftsrechtlichen Sinne gefährden könnte. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst zwar - neben der äußeren Sicherheit eines Mitgliedstaats, die etwa durch militärische Bedrohungen oder durch erhebliche Störungen der auswärtigen Beziehungen gefährdet sein kann - auch die innere Sicherheit des Mitgliedstaats; hierunter sind sein Bestand, seine Einrichtungen und das Überleben det Bevölkerung zu verstehen (vgl. Streinz-Franzen, a.a.O.,Rdnr. 138). Es ist aber weder von der Beklagten dargelegt worden noch sonst ersichtlich, dass etwa die Einrichtungen des deutschen (hamburgischen) Strafvollzugs in ihrem Bestand oder ihrer Funktionsfähigkeit gefährdet wären, wenn der Kläger zu 1) darin aufgenommen werden muss.

Auch die mit einer Strafverbüßung des Klägers zu 1) für die Beklagte verbundenen Kosten rechtfertigen es nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht, die Freizügigkeit des Klägers zu 1) unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Ordnung auszuschließen.

Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG bestimmt, dass Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden dürfen. Dies bedeutet, dass die Freizügigkeit z. B. nicht aus arbeitsmarktpolitischen Gründen ausgeschlossen werden kann, gleiches gilt grundsätzlich auch für fiskalische Gründe (vgl. Streinz-Franzen, a.a.O., Rdnr. 136).

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der es gemeinschaftsrechtlich nicht ausgeschlossen ist, dass ein Mitgliedstaat etwa gegenüber einem Studenten aus einem anderen Mitgliedstaat, der Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, Maßnahmen ergreift, um seine Aufenthaltserlaubnis zu beenden oder nicht mehr zu verlängern (vgl. EuGH, Urt. v. 20.9.2001, C - 184/99, Rdnr.41 ff., InfAuslR 2001 S. 481, 483 - Grzelczyk). Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, solche Maßnahmen dürften nicht automatisch verfügt werden; aus einer Begründungserwägung der RL 93/96/EWG (Aufenthaltsrecht der Studenten) ergebe sich nämlich ebenso wie hinsichtlich der Richtlinie 90/364/EWG, dass die Aufenthaltsberechtigten die öffentlichen Finanzen des Aufnahmestaates nicht über Gebühr in Anspruch nehmen dürften. Daraus folge eine bestimmte finanzielle Solidarität der Angehörigen dieses Staates mit denen anderer Mitgliedstaaten, insbesondere wenn die finanziellen Schwierigkeiten nur vorübergehender Natur seien. In seinem Urteil vom 7. September 2004 in der Sache Trojani (C - 456/02, InfAuslR 2004 S. 417ff.) hat der Europäische Gerichtshof an diese Entscheidung angeknüpft und ausgeführt, dass es dem Mitgliedstaat unbenommen bleibe, festzustellen, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, die Voraussetzungen für sein Aufenthaltsrecht nicht mehr erfülle. Der Aufnahmemitgliedstaat könne in einem solchen Fall unter Einhaltung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen eine Ausweisungsmaßnahme vornehmen. Die Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems durch einen Unionsbürger dürfe jedoch nicht automatisch eine solche Maßnahme zur Folge haben (a.a.O., Rdnr. 45).

Diese Rechtsprechung lässt sich - trotz der mit einer Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe des Klägers zu 1) für die Beklagte verbundenen Kosten - nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht in dem Sinne auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen, dass zur Vermeidung des Strafvollzugs das Freizügigkeitsrecht des Klägers zu 1) eingeschränkt werden dürfte. Diese Rechtsprechung lässt nicht erkennen, dass das Freizügigkeitsrecht allein wegen der Kosten, die durch den Aufenthalt für den Mitgliedstaat aus der Beanspruchung seiner Einrichtungen entstehen werden, aus Gründen der öffentlichen Ordnung zurücktreten soll. Sie betrifft vielmehr Fälle, in denen sich der Betreffende zunächst rechtmäßig und (wie es die jeweils einschlägige Richtlinie voraussetzt) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgehalten, er dann aber die "finanzielle Solidarität" überbeansprucht und das Sozialhilfesystem "über Gebühr belastet" hat, wodurch wiederum eine nach Maßgabe der jeweiligen Richtlinie entscheidende Voraussetzung für das Aufenthaltsrecht selbst entfallen ist. Eine solche Lage besteht im vorliegenden Fall dagegen nicht, da die Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach den Richtlinien 73/148/EWG oder 90/364/EWG erfüllen.

Im Übrigen bleibt zu berücksichtigen, dass der Ausschlussgrund der öffentlichen Ordnung als Ausnahme von einem Grundprinzip (der Freizügigkeit) nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eng auszulegen ist (vgl. etwa EuGH,Urt. v. 19.1.1999, C - 348/96, Rdnf. 23, InfAuslR 1999 S. 165- Calfa). Auch dies spricht - unter Berücksichtigung der bereits genannten Argumente- dagegen, die dem Kläger zu 1) drohende Strafverbüßung wegen der daraus folgenden Kosten als Grund der öffentlichen Ordnung anzusehen, der seinem Freizügigkeitsrecht entgegenstünde.

Der nach der Richtlinie 64/221/EWG und den vom Europäischen Gerichtshof festgestellten Grundsätzen bestehende Schutz von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen vor einer Ausweisung gilt entsprechend, wenn die betreffende Person bereits bestandskräftig ausgewiesen worden ist, sie sich mittlerweile in einem anderen Mitgliedstaat (rechtmäßig) aufhält und sie nunmehr begehrt, das mit der Ausweisung verbundene Aufenthalts- und Einreiseverbot aufheben zu lassen.