VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 28.04.2005 - 3 K 1640/03.A - asyl.net: M6709
https://www.asyl.net/rsdb/M6709
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Kurden, KADEK, PKK, Verdacht der Unterstützung, Hausdurchsuchung, Fahndung, Staatsanwaltschaft, Ermittlungsverfahren, Fahndungsersuchen, Beweismittel, Urkunden, Urkundenfälschung, Glaubwürdigkeit
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53
Auszüge:

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht zu, weil er nicht politisch Verfolgter im Sinne dieser Vorschriften ist.

Das Gericht hat auf grund des Vorbringens des Klägers nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dieser wegen des Verdachts der Unterstützung der KADEK bzw. PKK das Verfolgungsinteresse der türkischen Sicherheitskräfte auf sich gezogen hat und in der Türkei gesucht wird. Die dazu getätigten Ausführungen des Klägers sind im Kernbereich geprägt von Oberflächlichkeit und Detailarmut.

Gerade im Hinblick auf die zentralen, für die Flucht ursächlichen Ereignisse, d.h. sowohl hinsichtlich der angeführten Unterstützerleistungen für die KADEK als auch bezüglich des behaupteten, nach der Ausreise fortwirkenden Fahndungsinteresses der staatlichen Stellen an seiner Person, bleiben die Angaben Klägers im wesentlichen Kernbereich undifferenziert und substanzlos. In Ermangelung lebensnahen, anschaulichen Vorbringens zum behaupteten Verfolgungsschicksal hat das Gericht daher auch unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dieser von tatsächlich Erlebtem berichtete. Es hält die Ausführungen des Klägers vielmehr für unglaubhaft. ...

Gänzlich ohne Gehalt sind schließlich die Behauptungen des Klägers zu der weiterhin

fortwährenden Fahndung der staatlichen Sicherheitskräfte nach seiner Person. Insoweit vermochte der Kläger nur allgemein anzuführen, dass weiterhin ständig nach ihm gesucht werde, wie ihm seine Eltern mitgeteilt hätten. Selbst auf Befragen in der mündlichen Verhandlung war der Kläger nicht in der Lage, auch nur annähernd eine Präzisierung vorzunehmen und entsprechende Geschehensabläufe zu benennen. Gleiches gilt für die behauptete Existenz eines gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens. Über die bloße Behauptung hinausgehende Angaben konnte der Kläger nicht machen. Dieses ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den Darstellungen des Klägers die Eltern in der Türkei einen Rechtsanwalt mit der Angelegenheit beauftragt haben sollen, nicht erklärlich. Die auf Nachfrage zu diesem Aussageverhalten erfolgte Begründung des Klägers, dass in politischen Dingen auch ein Rechtsanwalt keine Informationen zum Verfahrens stand erhalte, vermag ersichtlich nicht zu überzeugen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der beauftragte Rechtsanwalt sogar in der Lage gewesen sein soll, ein noch dazu behördeninternes staatsanwaltliches Schreiben zu besorgen, lässt die fehlende Fähigkeit des Klägers, irgendetwas zu dem vermeintlichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vortragen zu können, als gänzlich unverständlich erscheinen. Insgesamt kann das zu Tage getretene Aussageverhalten des Klägers, dass in den Kernpunkten durch Oberflächlichkeit und mangelnde Substanz gekennzeichnet ist, nur als Beleg für eine nicht glaubhafte Darstellung des angeführten Verfolgungsschicksals gewertet werden.

Auch das vorgelegte Dokument ist nicht geeignet, die Angaben des Klägers in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Im Gegenteil erweist sich das im Original vorgelegte Schreiben der Oberstaatsanwaltschaft Gaziantep vom 16. Januar 2003, nach dessen Inhalt die Gendarmeriekommandantur zur Verhaftung und Vorführung des Klägers aufgefordert wird, als Fälschung. Dieses folgt bereits daraus, dass das Dienstsiegel auf dem Dokument nicht den üblichen Mustern der türkischen Siegelverordnung vom 8. August 1984 entspricht, weil der äußere

Doppelrand fehlt, der Abstand zwischen dem inneren und äußeren Kreis zu groß ist, die Buchstaben "T .C." zu fett sind und diese ebenso wie die daneben angeordneten Sternchen von ihren Proportionen her nicht den Vorgaben entsprechen (vgl. für viele Erkenntnisse zu der Siegelverordnung und zu Fälschungsmerkmalen: Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Darmstadt vom 8. Dezember 1999; an das VG Frankfurt/Oder vom 14. Februar 1997 und vom 10. November 2000; an das VG Kassel vom 21. August 2000 und an das VG Sigmaringen vom 23. Mai 2001).

Schließlich rechtfertigt auch das Ergebnis der Zeugenvernehmung keine dem Kläger günstigere Bewertung seines Vorbringens. Der Zeuge U. C. gab zwar an, er sei bei einer Ausweiskontrolle der Sicherheitskräfte im Hause der Eltern des Klägers anwesend gewesen. Er konnte jedoch lediglich als Zeuge vom "Hörensagen" berichten, dass die Mutter des Klägers ihm gesagt habe, die Sicherheitskräfte seien wegen ihres Sohnes gekommen. Keine Angaben vermochte der Kläger dazu zu machen, aus welchem Anlass dies geschehen sein soll und wie häufig so etwas bereits erfolgt sei. Angesichts dessen kann die Zeugenaussage im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragene Behauptung, er werde in der Türkei wegen Unterstützerleistungen für die PKK gesucht, nicht als ergiebig betrachtet werden. Abgesehen davon erscheint der vom Zeuge geschilderte Vorgang aber auch nicht als glaubhaft. Denn es ist völlig lebensfremd, anzunehmen, dass der dem Kläger bekannte Zeuge bei einem Heimatbesuch sich mehrere Stunden im Haus der Eltern aufhält und Geschenke vom Kläger überbringt, es jedoch keine Gespräche über die vermeintliche Fahndung der Sicherheitskräfte nach dem Kläger gibt und der Anlass hierzu - selbst nach dem Erscheinen der Polizei - gänzlich unerwähnt bleibt.