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OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 11.05.2005 - 1 Q 16/05 - asyl.net: M6587
https://www.asyl.net/rsdb/M6587
Leitsatz:

Keine nichtstaatliche Verfolgung von Ashkali im Kosovo.

 

Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Kosovo, Ashkali, Ägypter, Nichtstaatliche Verfolgung, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, KFOR, UNMIK, Märzunruhen, Anerkennungsrichtlinie, Verfolgungsbegriff
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1 S. 4c; RL 2004/83/EG Art. 7 Abs. 1b;
Auszüge:

Keine nichtstaatliche Verfolgung von Ashkali im Kosovo.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Dieser Vortrag rechtfertigt die begehrte Rechtsmittelzulassung nicht. Das Verwaltungsgericht hat eine Gefahr politischer Verfolgung (auch) im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c) AufenthG im Ergebnis zutreffend verneint. Das ergibt sich ohne Weiteres aus der ständigen Rechtsprechung des OVG des Saarlandes zur - im Ergebnis zu verneinenden - Rückkehrgefährdung von Ashkali aus dem Kosovo mit Blick auf § 51 Abs. 1 AuslG und insbesondere den bisher bereits nichtstaatliche Verfolgungsmaßnahmen umfassenden § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Das Vorbringen im Zulassungsantrag und der Inhalt der darin angesprochenen gerichtlichen Entscheidungen bieten keinen Anlass zu Zweifeln an deren Richtigkeit und zu einer Überprüfung in dem angestrebten Berufungsverfahren.

Auch im Kosovo kann - wie in anderen Ländern der Erde, beispielsweise in Deutschland - ein umfassender staatlicher Schutz gegen gewalttätige Übergriffe von Privatpersonen aus rassistischen, kriminellen oder sonstigen Motiven heraus realistischer Weise nicht erwartet und dem entsprechend auch im Rahmen des Asyl- und Flüchtlingsrechts nicht verlangt werden. Der Umstand, dass es im Heimatland des jeweiligen Ausländers zu solchen Vorfällen (überhaupt) kommt, bietet keinen Grund, allein daraus bereits den Schluss zu ziehen, dass die (schutzbereiten) staatlichen Stellen des Herkunftslandes beziehungsweise hier die deren Funktionen im Kosovo gegenwärtig wahrnehmenden internationalen Organisationen im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c) AufenthG "erwiesenermaßen nicht in der Lage ... sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten" (vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 22.12.2003 - 1 Q 86/03 -, ebenso jeweils für die Provinz Kosovo etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 14.3.2003 - 1 Q 26/03 -, SKZ 2003, 232, Leitsatz Nr. 94, vom 20.3.2003 - 1 Q 27/03 -, SKZ 2003, 233, Leitsatz Nr. 97, vom 5.9.2003 - 1 Q 64/03 -, und vom 12.9.2003 - 1 Q 72/03 -, beide SKZ 2004, 93, Leitsatz Nr. 72, dort speziell zur Lage von ethnischen Minderheiten, wonach aus dem Umstand, dass die gesellschaftliche Situation in einem Land als schwierig beziehungsweise als nicht befriedigend eingestuft werden muss, keine "politische Verfolgung" im asylrechtlichen Verständnis abgeleitet werden kann). Wollte man demgegenüber das Vorbringen der Kläger, es müsse darauf ankommen, ob der Schutz im konkreten Fall "effektiv" sei, dahingehend verstehen, dass es sicher auszuschließen sein müsse, dass der jeweilige Asylsuchende, hier also die Kläger als Minderheitenangehörige aus dem Kosovo, im Falle der Rückkehr Opfer eines Übergriffs, hier durch einen Angehörigen der albanischen Bevölkerungsmehrheit im Sinne eines "nichtstaatlichen Akteurs", würden, so ginge das an der Lebenswirklichkeit, wie gesagt nicht nur im Kosovo, vorbei. Dem Staat würde letztlich etwas Unmögliches abverlangt. Vor dem Hintergrund spricht alles dafür, dass sich der Bundesgesetzgeber bei der Neuregelung in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c) AufenthG an den Art. 6 und insbesondere den Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie der EU über die Flüchtlingsanerkennung (vgl. die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, Amtsblatt Nr. L 304 vom 30.9.2004, Seiten 12 ff.) anlehnen wollte, wonach die Schutzfähigkeit internationaler Organisationen hinsichtlich privater Übergriffe dann anzunehmen ist, wenn diese den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Das ist in Bezug auf den Kosovo der Fall.

Dabei ist nicht zu verkennen, dass die gesellschaftliche Situation und das Verhältnis der unterschiedlichen Volksgruppen im Kosovo zueinander nicht mit den Bedingungen in Deutschland oder in anderen mitteleuropäischen Ländern vergleichbar sind. Dem versuchen die internationalen Friedenstruppen, die Ordnungskräfte und die zivilen Verwaltungsstellen im Kosovo gerade mit Blick auf die ethnisch motivierten Unruhen und Ausschreitungen in der Vergangenheit gegen Minderheiten, unter anderem Ashkali, anerkanntermaßen mit besonderen Maßnahmen zu begegnen (vgl. dazu ausführlich beispielsweise OVG des Saarlandes, Urteile vom 21.9.2004 - 1 R 8/04 und 1 R 15/04 -, SKZ 2005, 100 Leitsatz Nr. 59, dort jeweils im Zusammenhang mit § 53 Abs. 6 AuslG, Beschluss vom 21.9.2004 - 1 Q 66/04 -, a.a.O., Leitsatz Nr. 58). Dass sich hierdurch des ungeachtet auch für die Zukunft Übergriffe nicht gänzlich ausschließen lassen, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die staatstragenden Organisationen "nicht in der Lage" wären, den Minderheiten der Ashkali und der sich in vergleichbarer Situation befindenden "Ägypter" aus dem Kosovo in der Provinz selbst Schutz zu gewähren.

Dass sich die Lage der ethnischen Minderheiten im Kosovo in jüngerer Vergangenheit in diesbezüglich entscheidungserheblicher, weiteren Klärungsbedarf auslösender Weise verschlechtert hätte, lässt sich dem Antragsvorbringen nicht entnehmen. Dieser Sachvortrag bietet jedenfalls keine neuen durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Organisationen in Zusammenarbeit mit den übrigen staatliche Gewalt im Kosovo ausübenden Stellen generell nicht in der Lage oder sogar nicht Willens wären, menschenrechtswidrigen Übergriffen wirksam entgegenzutreten. Das gilt insbesondere auch mit Blick auf die beiden in der Antragsschrift bezeichneten Entscheidungen baden-württembergischer Gerichte, wobei hier nicht vertieft werden soll, dass diese teilweise in einem anderen rechtlichen Zusammenhang ergangen sind. Sowohl das Verwaltungsgericht Stuttgart als auch der VGH Baden-Württemberg (vgl. dazu VG Stuttgart, Beschluss vom 31.1.2005 - A 10 K 13481/04 - und VGH Mannheim, Beschluss vom 15.11.2004 - 7 S 1128/02 -, Asylmagazin 4/2005, Seiten 26 bis 28, zu dem in dieser obergerichtlichen Entscheidung allein thematisierten § 2 AsylbLG mit Blick auf die Regelung der ausländerbehördlichen Entscheidungen für Personen aus den in der Anlage 1 dem Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 23.5.2003 - B 5 5518/1-04-11 Kosovo - beigefügten Liste von Locations with Ashkali and Egyptian Minority Communities or Ongoing Returns Projects, die nach den Erkenntnissen sozialhilferechtlicher Verfahren vom Landesamt für Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten (Saarland) derart strikt "umgesetzt" wird, dass für nicht aus den in der UNMIK-Liste aufgenommenen sicheren Orten stammende Angehörige der Minderheiten der Ashkali und Ägypter ein rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG festgestellt wird, OVG des Saarlandes, Beschluss vom 4.8.2004 - 3 W 12/04 -, n.v., und insbesondere vom 28.7.2004 - 3 W 11/04 -, n.v.) beziehen sich als Entscheidungsgrundlagen ausschließlich auf unmittelbar an die Vorgänge vom März 2004 im Kosovo anknüpfende Berichte insbesondere des Hohen Flüchtlinskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 30.3.2004 und der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die neben einer Vielzahl von Presseveröffentlichungen zu den Vorfällen, insbesondere zu denjenigen in Vushtrri/Vuciterne, und den Reaktionen darauf in der einschlägigen Rechtsprechung des OVG des Saarlandes, sei es zu § 51 Abs. 1 AuslG oder im Zusammenhang mit der Verneinung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, ausführliche und umfängliche Berücksichtigung gefunden haben (vgl. dazu grundlegend die Urteile vom 21.9.2004 - 1 R 8/04 und 1 R 15/04 -, a.a.O.) Es besteht kein Anlass zu erneuter Auseinandersetzung mit diesen Stellungnahmen, die in ihrer Aktualität heute ohnehin zumindest zu hinterfragen sind, zumal die fraglichen Vorgänge inzwischen über ein Jahr zurückliegen.