VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 15.04.2005 - A 3 K 11457/04 - asyl.net: M6556
https://www.asyl.net/rsdb/M6556
Leitsatz:

§ 60 Abs. 7 AufenthG wegen psychischer Erkrankung; keine ausreichende Behandlungsmöglichkeit im Kosovo.

 

Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Kosovo, Psychische Erkrankung, Depression, Medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Krankheit, Abschiebungshindernis
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

§ 60 Abs. 7 AufenthG wegen psychischer Erkrankung; keine ausreichende Behandlungsmöglichkeit im Kosovo.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Dem Kläger steht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ein Anspruch darauf zu, dass das Vorliegen von Abschiebungshindernissen gem. § 60 Abs. 7 AufenthG (= § 53 Abs. 6 AuslG) festgestellt wird. Denn aus individuellen, krankheitsbedingten Gründen führt für den Kläger gegenwärtig eine Rückkehr nach Serbien und Montenegro (Kosovo) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlechterung seines psychischen Gesundheitszustandes und damit zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben i.S. von § 60 Abs. 7 AufenthG.

Der Kläger leidet nach den von ihm im Vorverfahren vorgelegten ärztlichen Gutachten, insbesondere des Zentrums für Psychiatrie Emmendingen vom 29. März 2004, seit fünf Jahren an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen, Differentialdiagnose: Schizoaffektive Störung mit starken Angst- und Bedrohungsgefühlen.

Dabei geht das Gericht auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnismittel, insbesondere des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 04. November 2004 und der Auskunft des UNHCR vom 31. Januar 2005 davon aus, dass schwerwiegende psychische Krankheiten im Kosovo nicht ausreichend medizinisch behandelbar sind. Aufgrund der geringen Zahl der im öffentlichen Gesundheitswesen praktizierenden Fachärzte für Psychiatrie kommt es zu erheblichen Engpässen bei der ambulanten psychiatrischen Versorgung. Auch stationäre Behandlungsmöglichkeiten sind nur begrenzt vorhanden. Da es nur wenige klinische Psychologen gibt und die wenigen Psychiater meist keine Ausbildung für Psychotherapie haben, erfolgt die Behandlung psychischer Krankheiten im öffentlichen Bereich nach wie vor unzureichend mittels Psychopharmakagaben, während eine psychotherapeutische Behandlung regelmäßig nicht durchführbar ist. Zwar gibt es einzelne privat praktizierende Fachärzte für Psychiatrie, die auch andere Behandlungsformen wie Psychotherapie beherrschen; die Behandlungsplätze sind jedoch sehr begrenzt und die Kosten einer solchen Behandlung müssen vollständig von dem Patienten getragen werden, was angesichts der Einkommenssituation im Kosovo zumeist nicht möglich ist und auch für den Kläger nicht denkbar erscheint. Damit ist eine adäquate Behandlung des Klägers im Kosovo ausgeschlossen.