OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 05.04.2005 - 22 W 12/05 - asyl.net: M6548
https://www.asyl.net/rsdb/M6548
Leitsatz:
Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, abgelehnte Asylbewerber, Dolmetscher, Kosten, Anhörung, Verfahrensmangel, Rechtliches Gehör, Rechtsanwälte, Haftbefehl
Normen: EMRK Art. 6 Abs. 3e
Auszüge:

Die nach §§ 27, 29 FGG i.V.m. § 7 FrhEntzG zulässige weitere sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Gesetzes.

Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Hannover verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen ist, und es hat den Verfahrensfehler selbst auch nicht geheilt. Der Betroffene hatte nicht die Möglichkeit, seine Rechte hinreichend wahrzunehmen. Ihm stand ein Recht auf Übernahme der Kosten für ein Gespräch mit seinem Verfahrensbevollmächtigten unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zur Vorbereitung des Verfahren zu.

Befindet sich ein Ausländer in Abschiebehaft, hat die Staatskasse die Kosten für die Beiziehung eines Dolmetschers zu tragen, soweit dies für eine Verständigung des Betroffenen mit seinem Verfahrensbevollmächtigten und für eine sachgemäße Vertretung des Betroffenen erforderlich ist.

Ausländer in der Bundesrepublik haben die gleichen prozessualen Grundrechte sowie den gleichen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren und auf umfassenden und objektiven gerichtlichen Schutz wie Deutsche (BVerfG NJW 1975, 1597). Nach Art. 6 Abs. 3e MRK hat jede angeklagte Person das Recht, die unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache nicht spricht. Die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung ist auch auf Freiheitsentziehungen außerhalb des Strafverfahrens zu übertragen (BVerfG NJW 2004, 50). In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Anspruch auf Beiziehung eines Dolmetschers nicht nur für die Hauptverhandlung (§ 185 GVG), sondern für das gesamte Verfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche - soweit erforderlich - gilt (BGHSt 46, 178).

Das Amtsgericht hat den im Vorfeld der mündlichen Anhörung gestellten Antrag des Betroffenen auf Hinzuziehung eines Dolmetschers für Vorbereitungsgespräche nach alldem zu Unrecht abgelehnt. Ein derartiges Gespräch wäre - trotz des kurzen Zeitraums zwischen Antragstellung und Anhörung - noch möglich gewesen. Dass sich der Betroffene während der Anhörung bzw. in deren kurzen Unterbrechungen mit seinem Verfahrensbevollmächtigten mit Hilfe des Dolmetschers besprechen konnte, ist für eine sachgerechte Vertretung nicht als ausreichend anzusehen. Hinreichende Zeit zur Vorbereitung von etwaigen Anträgen oder Beweisanregungen bestand nicht mehr. Dies gilt insbesondere, weil das Gericht angesichts der am nächsten Tage ablaufenden Frist bereits am Tage der Anhörung entscheiden musste und auch entschieden hat.