VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.03.2005 - 27 L 227/05.A - asyl.net: M6490
https://www.asyl.net/rsdb/M6490
Leitsatz:
Schlagwörter: Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Folgeantrag, Zweitantrag, Asylantrag, Rücknahme, Betreibensaufforderung, Rücknahmefiktion, Zustellung, Bosnien-Herzegowina, Krankheit, Abschiebungshindernis, Paranoid-halluzinatorisches Syndrom, Medizinische Versorgung
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AsylVfG § 71 Abs. 1; AsylVfG § 33 S. 1; AsylVfG § 17;AuslG § 53 Abs. 6
Auszüge:

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind vorliegend erfüllt.

Der Anordnungsgrund ergibt sich vorliegend bereits daraus, dass zum einen das Bundesamt mit Blick auf § 71 Abs. 5 Satz 1 (ggf. i.V.m. Abs. 6) AsylVfG meint, es bedürfe keiner (aus seiner Sicht: erneuten) Abschiebungsandrohung und zum anderen die Ausländerbehörde die Abschiebung des Antragstellers lediglich mit Blick auf die Entscheidung des Bundesamtes (§ 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG) vorläufig ausgesetzt hat.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es bestehen nämlich bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bundesamtsbescheides, mit dem das Bundesamt es abgelehnt hat, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen (Ziffer 1 des Bescheides) und die Feststellung des Bundesamtsbescheides vom 24. Februar 1993 zu § 53 AuslG abzuändern (Ziffer 2).

Es lässt sich schon nicht zweifelsfrei feststellen, ob der Antragsteller sich tatsächlich in einem Asylfolgeverfahren befindet. Ein Folgeantrag setzt die Rücknahme oder den unanfechtbaren Abschluss eines früheren Asylverfahrens voraus (§ 71 Abs. 1 AsylVfG). Es spricht vorliegend vieles dafür, dass das auf den Asylerstantrag des Antragstellers vom 23. Januar 1992 in Gang gesetzte Asylverfahren weder durch Rücknahme noch eine bestandskräftige Entscheidung beendet worden ist. Gemäß § 33 Satz 1 AsylVfG (a.F.) galt der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Asylantragsteller das Asylverfahren trotz Aufforderung des Bundesamtes länger als einen Monat nicht betreibt. Für eine derartige Aufforderung mussten (bereits damals) Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Zweifel daran erweckten, dass der Asylantragsteller noch ein Interesse an der Fortführung des Verfahrens hat, und ferner musste dieser Umstand zum Anlass für die Betreibensaufforderung genommen werden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1987 - 9 C 259/86 -, NVwZ, S. 605 f.). Bei einer rechtswidrigen Betreibensaufforderung konnte und kann die Rücknahmefiktion nicht eintreten. Unter Beachtung dieser Grundsätze kann vorliegend nicht von einer fingierten Rücknahme des Asylantrags ausgegangen werden. Es bestand kein Anlass, daran zu zweifeln, dass der Antragsteller sein Asylverfahren weiter fortführen wollte. Der Antragsteller war unter dem 14. Januar 1993 aufgefordert worden, sein Asylverfahren weiter zu betreiben, nachdem die seinerzeit zuständige Ausländerbehörde E1 dem Bundesamt unter dem 29. September 1992 mitgeteilt hatte, der Antragsteller sei seit dem 31. August 2002 unbekannt verzogen und habe zuletzt an der Anschrift A-straße 00 in E1 gewohnt. Ein objektiver Anlass für eine Betreibensaufforderung bestand bei Erlass der Betreibensaufforderung aber jedenfalls deshalb nicht mehr, weil die Ausländerbehörde E1 dem Bundesamt bereits unter dem 9. Oktober 2002 (beim Bundesamt eingegangen am 14. Oktober 2002) mitgeteilt hatte, der Antragsteller sei unter der Anschrift Straße 00 in E1 gemeldet. Von einer Bestandskraft des Einstellungsbescheides vom 24. Februar 1993 kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Denn die "Zustellung" dieses Bescheides erfolgte im März 1993 an die Anschrift, die die Ausländerbehörde dem Bundesamt am 29. September 1992 mitgeteilt hatte, die aber auf Grund der Mitteilung über die neue Anschrift vom 9. Oktober 1992 längst überholt war. Bei dieser Sach- und Rechtslage musste der Antragsteller die Zustellung auch nicht gemäß § 17 AsylVfG a.F. gegen sich gelten lassen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller sich etwa nach Treu und Glauben so behandeln lassen muss, als sei ihm dieser Bescheid damals zugestellt worden, sind jedenfalls derzeit nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, ohne dass z.B. die Frage einer etwaigen Verwirkung hier abschließend geklärt werden kann. Ob vorliegend - im Hinblick darauf, dass der Antragsteller offenbar ein zwischenzeitlich (negativ) abgeschlossenes Asylverfahren in den Niederlanden betrieben hat - ein Zweitantrag (§ 71a AsylVfG) vorliegt [was unabhängig von den vorstehenden Erwägungen z.B. zur Konsequenz haben könnte, dass bei Ablehnung des Zweitantrags gemäß § 34 AsylVfG wohl in jedem Fall eine erneute Abschiebungsandrohung erforderlich sein dürfte], kann abschließend nicht hier, sondern ggf. im Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Auch die Rechtmäßigkeit der in Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides enthaltenen Ablehnung, die Feststellung zu § 53 AuslG in dem Bescheid vom 24. Februar 1993 abzuändern, ist ernstlichen Zweifeln ausgesetzt. Zum einen spricht aus den dargelegten Gründen einiges dafür, dass eine dem Antragsteller wirksam bekannt gegebene Feststellung zu § 53 AuslG gar nicht vorliegt. Zum anderen bestehen durchaus Anhaltspunkte dafür, dass sich bei einer Rückkehr des Antragstellers nach Bosnien und Herzegowina seine Erkrankung wesentlich verschlimmern wird, was für die Annahme eines zielstaatsbezogenen Abschiebeverbots (bzw. des entsprechenden schlüssigen Ansatzes hierfür) ausreicht. Die psychiatrische Stellungnahme des I - Psychotherapie - aus W vom 23. Juli 2004 legt recht detailliert dar, dass der Antragsteller jedenfalls an einem (vermutlich reaktivem) paranoid-halluzinatorischen Syndrom leidet.