OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.03.2005 - 18 B 455/05 - asyl.net: M6486
https://www.asyl.net/rsdb/M6486
Leitsatz:
Schlagwörter: Ausweisung, Ist-Ausweisung, Regelausweisung, Spezialprävention, Generalprävention, Drogendelikte, Drogentherapie, Deutsche Kinder, Schutz von Ehe und Familie, Zustimmung, Staatsanwaltschaft
Normen: AufenthG § 53; AufenthG § 56 Abs. 1; EMRK Art. 8; GG Art. 6; AufenthG § 73 Abs. 4 S. 1; BtMG § 35
Auszüge:

Die Ansicht des Antragstellers, seine letzte Verurteilung liege bereits geraume Zeit zurück und bei seinen letzten strafgerichtlichen Verurteilungen handele es sich um minderschwere Fälle und vergleichsweise weniger gewichtige Verurteilungen, geht bereits vom Ansatz her fehl. Die letzte der neun seit 1996 in dichter zeitlicher Folge ergangenen strafgerichtlichen Verurteilungen erfolgte erst am 11. April 2003 und zog eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe nach sich, so dass von einem längeren Zeitraum der Bewährung ohne Straftaten nicht die Rede sein kann. Ebenso wenig handelt es sich bei dieser letzten den Ausweisungsanlass bildenden Verurteilung um eine weniger gewichtige. Vielmehr hat der Antragsgegner die Ausweisung des Antragstellers verfügt, weil dieser wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, was den Ist-Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG erfüllt. Die Ist-Ausweisungstatbestände des § 53 AufenthG (früher § 47 Abs. 1 AuslG) betreffen indes die Fälle schwerer und besonders schwerer Kriminalität (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 1993 - 1 B 185.93 -, NVwZ 1994, 584 = DVBl 1994, 527 = InfAuslR 1994, 181 = EZAR 031 Nr. 1; Senatsbeschluss vom 4. Dezember 1997 - 18 B 2490/96 -, NWVBl. 1998, 194 = AuAS 1998, 38 = InfAuslR 1998, 179 = EZAR 031 Nr. 3 und zuletzt vom 21. Februar 2005 - 18 B 2811/04 -).

Das Verwaltungsgericht ist danach durch seine Bezugnahme auf die die Regel-Ausweisung (§ 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG) des Antragstellers sowohl spezial- als auch generalpräventiv begründende Ordnungsverfügung und den Widerspruchsbescheid zu Recht davon ausgegangen, dass im Falle des Antragstellers mit Blick auf die Vielzahl seiner Straftaten (darunter vier Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz) nach wie vor eine erhebliche Wiederholungsgefahr besteht und zudem ein Bedürfnis daran besteht, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch eine konsequente Ausweisungs- und Abschiebungspraxis andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten.

Dieser für eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen maßgebliche Gesichtspunkt (vgl. zur generalpräventiv motivierten Ausweisung BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247 = InfAuslR 1997, 8 = NVwZ 1997, 297 = DVBl 1997, 170 = DÖV 1997, 163 und Urteil vom 31. August 2004 - 1 C 25.03 -, NVwZ 2005, 229-231; Senatsbeschlüsse vom 4. Dezember 1997 - 18 B 2490/96 -, a.a.O., vom 9. September 1998 - 18 A 1225/97 -, vom 22. Februar 2001 - 18 B 2173/99 -, vom 7. August 2001 - 18 B 1348/00 -, vom 21. November 2001 - 18 B 800/00 -, vom 20. Februar 2003 - 18 B 270/03 - und vom 28. Juli 2004 -18 B 1142/04 ) kommt im Übrigen bei einem Drogendelikt auch dann zum Tragen, wenn es sich bei der in Rede stehenden Straftat um einen - wie der Antragsteller meint - minderschweren, vergleichsweise weniger gewichtigen Fall handelt.

Auch der Hinweis des Antragstellers auf seine Bemühungen um eine Drogentherapie vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Insoweit muss sich der Antragsteller entgegenhalten lassen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine nicht abgeschlossene - hier nicht einmal begonnene - Therapiemaßnahme, deren endgültiger Erfolg naturgemäß aussteht, prinzipiell ungeeignet ist, auf eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (früher § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG) zu führen (vgl. die Senatsbeschlüsse vom 28. Januar 2002 - 18 A 5235/00 -, vom 6. Februar 2003 - 18 B 1525/02 -, vom 28. April 2003 - 18 B 815/03 -, vom 9. Juli 2003 - 18 B 1339/02 -, vom 10. September 2003 - 18 392/03 -, vom 23. Oktober 2003 - 18 B 1547/03 -, vom 13. Januar 2004 - 18 B 954/03 -, vom 1. März 2004 - 18 B 444/04 - , vom 2. Juli 2004 - 18 B 1598/03 - und vom 1. Oktober 2004 - 18 E 855/04 -).

In der Rechtsprechung des Senats ist ferner darüber hinaus geklärt, dass auch § 35 BtMG schon aufgrund der anderweitigen Zielsetzungen kein Vorrang von Resozialisierungsmaßnahmen vor einer - sofortigen - Ausweisung und deren Vollzug zu entnehmen ist (vgl. die Senatsbeschlüsse vom 3. Juli 2003 - 18 B 1343/03 - und vom 8. Juli 2003 - 18 B 2162/02 -, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass seine Kinder neben der serbisch-montenegrinischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ist in der Senatsrechtsprechung geklärt, dass die vom Gesetz angeordnete Rechtsfolge der ausnahmslos zwingenden Ausweisung auch in Hinsicht auf Art. 8 EMRK und Art. 6 GG nicht im Widerspruch zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht (vgl. die Senatsbeschlüsse vom 2. Mai 2002 - 18 B 1169/01 -, vom 15. Mai 2002 - 18 B 349/02 -, vom 14. Januar 2004 - 18 B 495/03 -, vom 28. Januar 2005 - 18 B 1260/04 - und vom 21. Februar 2005 - 18 B 2811/04 -).

Dazu sei mit Blick auf Art. 8 EMRK noch angemerkt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach klargestellt hat, dass er bei der Verurteilung eines Ausländers wegen eines Betäubungsmitteldelikts - wie hier - in Anbetracht der verheerenden Auswirkungen von Drogen auf die Bevölkerung Verständnis dafür hat, dass die Vertragsstaaten in Bezug auf diejenigen, die zur Verbreitung dieser Plage beitragen, entschlossen durchgreifen (vgl. EGMR, Urteil vom 30. November 1999 - Beschwerde Nr. 34374/97 (Baghli ./. Frankreich) -, NVwZ 2000, 1401 und Urteil vom 17. April 2003 - Beschwerde Nr. 52853/99 (Yilmaz ./. Deutschland) -, NJW 2004, 2147 mit weiteren Nachweisen).

Schließlich führt auch der Hinweis des Antragstellers auf eine angeblich fehlende Zustimmung der Staatsanwaltschaft Münster zu einer Aufenthaltsbeendigung nicht weiter. Denn die damit ersichtlich angesprochene Vorschrift des § 73 Abs. 4 Satz 1 AufenthG dient - ebenso wie die Vorgängerregelung des § 64 Abs. 3 Satz 1 AuslG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 -, NVwZ 1999, 425 = DVBl 1998, 1023 = InfAuslR 1998, 383 und den Senatsbeschluss vom 20. Februar 2004 - 18 B 378/04 ) allein der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses. Sie bezweckt nicht, den Ausländer vor ausländerbehördlichen Maßnahmen zu bewahren.