VG Magdeburg

Merkliste
Zitieren als:
VG Magdeburg, Urteil vom 15.02.2005 - 4 A 423/04 MD - asyl.net: M6403
https://www.asyl.net/rsdb/M6403
Leitsatz:

Angespannte medizinische Versorgungslage im Irak.

 

Schlagwörter: Irak, Asylanerkennung, Widerruf, Politische Entwicklung, Machtwechsel, Änderung der Sachlage, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Krankheit, Asthma bronchiale, Medizinische Versorgung
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Angespannte medizinische Versorgungslage im Irak.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Voraussetzungen für den Widerruf gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind erfüllt.

Nach dieser Vorschrift sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Das ist der Fall, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse erheblich geändert haben und die Asylanerkennung oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen deshalb nunmehr ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 - 9 C 12,00 -, NVwZ 2001, 335).

Nach dem Ergehen des Feststellungsbescheides haben sich die Verhältnisse im Irak erheblich geändert. Nach dem Sturz Husseins besteht nunmehr keine Gefahr einer an die in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale abknüpfenden Verfolgung, jedoch hat der Hilfsantrag Erfolg, soweit die Klägerin die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 AufenthG begehrt. Aufgrund der vorliegenden 11 ärztlichen Bescheinigungen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin unter einem endogenen Asthma bronchiale leidet, das im Wege einer Therapie mit einem inhalativen Glucocorticoid behandelt wird. Nach der ärztlichen Stellungnahme, an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen, kann es bei einem Absetzen der medikamentösen Behandlung zu schweren Atemnotzuständen kommen; eine regelmäßige Medikamenteneinnahme wird aus ärztlicher Sicht für unabdingbar gehalten. Bei akuter Atemnot ist die Klägerin auf ein Aerosol angewiesen.

Nach der Auskunftslage sieht das Gericht die für die Klägerin gebotene medizinische Behandlung im Irak nicht als gewährleistet an. Die medizinische Versorgung Im Irak ist angespannt. Die für die Grundversorgung besonders wichtigen Primary Health Center sind nicht in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 02.11.2004). Nach Auskunft der Deutschen Botschaft vom 20.10.2004 an das OVG Rh.-Pf. ist die Gesundheitsversorgung im Irak auf Grund der Entwicklungen der vergangenen Monate und auf Grund der Sicherheitslage als "desolat" zu bezeichnen.

Zwar werden die Patienten in den Krankenhäusern mit grundlegenden Arzneimitteln versorgt, jedoch sind Qualität und Quantität der Medikamentenversorgung insgesamt unzureichend. Spezialbehandlungen sind nur schwer zu erhalten. Der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen ist durch die landesweite Unsicherheit eingeschränkt.

Geschlechtsbezogene Diskriminierungen wirken sich besonders negativ auf die gesundheitliche Versorgung von Frauen und Mädchen aus (UNHCR vom 01.12.2004 an VG Neustadt/Weinstraße).

Vor diesem Hintergrund wird der Klägerin die gebotene Dauertherapie mit den erforderlichen Medikamenten nicht möglich sein. Im Hinblick auf die mangelhafte Zugänglichkeit zu Spezialmedikamenten, die hohen Preise und die Vielzahl von Anschlägen besteht die erhebliche Gefahr, dass die Therapie unterbrochen oder sogar abgebrochen werden muss. Zudem ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass das für die Fälle akuter Atemnot erforderliche Aerosol zumindest zeitweise nicht erhältlich ist.