VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Beschluss vom 14.03.2005 - 2 B 1087/05 - asyl.net: M6331
https://www.asyl.net/rsdb/M6331
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Syrien, Jesiden, Staatenlose, Erwerbstätigkeit, Duldung, Ermessensreduzierung auf Null, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Vorwegnahme der Hauptsache, Passlosigkeit, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung
Normen: BeschVerfV § 10; BeschVerfV § 11
Auszüge:

Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund wie einen Anordnungsanspruch zum Erlass der begehrten Regelungsanordnung glaubhaft gemacht.

Der Antrag ist nur der beantragten Form als einstweilige Anordnung statthaft. Bei der der Duldung beigefügten "Nebenbestimmung" des Verbots der Erwerbstätigkeit handelt es sich nicht um eine Aufgabe, bei der die Einlegung eines Rechtsmittels aufschiebende Wirkung auslösen könnte. Nachdem seit Jahresanfang geltenden Aufenthaltsrecht in Verbindung mit der Beschäftigungsverfahrensordnung vom 22.11 2004 BGBl. I, 2934) bedürfen geduldete Ausländer wie die Antragstellerin zur Ausübung einer Erlaubnis, die im Falle der Versagung mit einer Verpflichtungsbegehren zu erstreiten ist. Die Dringlichkeit und der Anordnungsgrund ergeben sich aus dem Umstand, dass die Antragstellerin derzeit in einem Beschäftigungsverhältnis steht und ihr der Verlust dieses Arbeitsplatzes droht, wenn die dazu notwendige Erlaubnis ihr nicht erteilt wird.

Auch den notwendigen Anordnungsanspruch hat die Antragstellerin zur Überzeugung der Kammer glaubhaft gemacht. Das Gericht berücksichtigt dabei auch, dass die begehrte Regelung jedenfalls vorläufig die Hauptsache vorweg nimmt, so dass erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruch zu stellen sind. Auch diese werden von der Antragstellerin indessen erfüllt.

Gemäß § 10 BeschVerfV haben geduldete Ausländer nur dann einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung, wenn sie sich seit einem Jahr erlaubt oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten haben.

Einem geduldeten Ausländer steht gemäß §11 BeschVerfV der Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung nicht zur Seite, wenn er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erlangen oder wenn bei ihm aus von ihm zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können.

Die Antragstellerin hat auch glaubhaft gemacht, dass die gegenwärtige Unmöglichkeit ihrer Abschiebung von ihr nicht zu vertreten ist. Sie hat nämlich zur Überzeugung der Kammer alle ihr zumutbaren Anstrengungen unternommen, um gültige Personalpapiere des syrischen Staates ausgestellt zu erhalten. Dabei legt die Kammer ihrer Entscheidung zugrunde, dass nach gegenwärtigem Erkenntnisstand Überwiegendes dafür spricht, dass die Antragstellerin ihrem Vortrag entsprechend tatsächlich nicht die Staatsangehörigkeit der Syrischen Arabischen Republik besitzt. Die Klägerin hat darauf hindeutende Angaben nämlich schon unmittelbar nach ihrer Einreise gegenüber der Antragsgegnerin, nämlich anlässlich ihrer Aufenthaltsanzeige gemacht und ihre Staatsangehörigkeit als "ungeklärt" angegeben. In der Anhörung vor dem Bundesamt hat sie unter dem 07.12.1998 ausdrücklich auf Befragen erklärt, in Syrien keine Personalpapiere besessen zu haben und nicht registrierte "Ungeklärte" zu sein. Dass das Bundesamt dieses Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen, sondern in seinem Bescheid vom 05.03.1999 die Antragstellerin zur syrischen Staatsangehörigen gemacht hat, verleiht der Antragstellerin die Staatsangehörigkeit noch nicht.

Die Antragstellerin hat ferner durch Vorlage einer Fahrkarte von Hannover nach Berlin eine Reise dorthin glaubhaft gemacht. Sie hat versichert, bei der syrischen Botschaft einen Antrag auf Ausstellung von Passpapieren gestellt zu haben, der mündlich abgelehnt worden sei, ohne dass man ihr weitergehende Unterlagen ausgehändigt habe. Auch ein schriftliches entsprechendes Begehren der Antragstellerin ist glaubhaft gemacht. Nach den der Kammer vorliegenden konsularischen Bestimmungen der Botschaft der Syrischen Arabischen Republik wird von dort zur Bedingungen für die Erteilung eines neuen Reisepasses oder Reisedokumentes gemacht, dass, wenn der alte Reisepass nicht vorlegt werden kann, ein Identitätsnachweis (Personalausweis, Auszug aus dem Zivilregister ­- mit gestempeltem Passfoto -) beglaubigt vom syrischen Außenministerium, ein Aufenthaltsnachweis/Anzeige des Verlustes bei der Polizei, einer Annonce in der lokalen Zeitung und eine handschriftliche Erklärung des Passinhabers über den Verlust des Reisepasses beigebracht werden müssen. Nichtregistrierte Personen diese Voraussetzungen nicht erfüllen.

Da die Kammer mit der vorliegenden nur zu fordernden Überzeugungsgewissheit der Auffassung ist, dass die Antragstellerin die syrische Staatsangehörigkeit nicht besitzt, kann ihr auch nicht erfolgreich vorgehalten werden, Bemühungen zur Beschaffung von Personaldokumenten über ihre noch in der Heimat lebenden Eltern unterlassen zu haben. Bemühungen, die offensichtlich erfolglos bleiben müssen, können nämlich von dem Ausländer nicht verlangt werden und sich nicht geschuldet. Die Kammer geht nach gegenwärtigem Stand vom Fehler der Staatsangehörigkeit der Antragstellerin neben den geschilderten, durchweg widerspruchsfreien Darstellungen während ihres Aufenthalts in Deutschland auch deshalb vom Wahrheitsgehalt dieser Angaben aus, weil zum Zeitpunkt der Einreise der Antragstellerin diese als yezidische Glaubenszugehörige aus Syrien auch keinen Anlass hatte, über das Vorliegen bzw. Fehlen ihrer Staatsangehörigkeit falsche Angaben zu machen. Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft aus dem Nordosten Syriens wurden damals nämlich als einer mittelbaren Gruppenverfolgung unterliegend als Asylberechtigte anerkannt, und zwar unabhängig davon, ob sie die Staatsangehörigkeit des Verfolgerstaates besaßen. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im Lande Niedersachsen hat sich ernst im Anschluss an die Urteile des Nds. OVG vom 22.06.1999 geändert.

Die begehrte einstweilige Anordnung war daher zu erlassen, weil Überwiegendes für eine Reduzierung des der Antragsgegnerin eingeräumten Ermessens im Sinne der hier tenorierten Entscheidung spricht. Die Antragstellerin steht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, das sie ursprünglich mit der Erlaubnis der Arbeitsverwaltung eingegangen ist. Die nach §10 BeschVerfV notwendige Zustimmung der Bundesagentur liegt der Antragsgegnerin vor, soweit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber zu unveränderten Bedingungen in Rede steht.