OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.01.2005 - 19 B 2439/04 - asyl.net: M6278
https://www.asyl.net/rsdb/M6278
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Kosovo, unbefristete Aufenthaltserlaubnis, Gesetzesänderung, Zuwanderungsgesetz, Niederlassungserlaubnis, Ausweisungsgründe, Straftäter, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Geringfügigkeit, Antragsfrist, Altfallregelung, Ermessen, Flüchtlingsanerkennung, Widerruf, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AuslG § 35 Abs. 1; AufenthG § 104 Abs. 1 S. 1; AuslG § 46 Nr. 2
Auszüge:

Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG hat. Diese Vorschrift ist auch nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in der Fassung des Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 39. Juli 2004, BGBI I, 1949, am 1. Januar 2005 (Art. 15 Abs. 3 Zuwanderungsgesetz) maßgeblich. Denn nach § 104 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist über vor dem 1. Januar 2005 gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 1 AuslG vor, wird sie als Niederlassungserlaubnis erteilt (§ 104 Abs. 1 Satz 2 iVm § 101 Abs.1 Satz 1 AufenthG).

Der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis steht entgegen, dass, wie das Verwaltungsgericht

zutreffend entschieden hat, im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG iVm §§ 24 Abs. 1 Nr. 6, 46 Nr. 2 AuslG ein Ausweisungrund vorliegt. Der Antragsteller hat einen nicht nur geringfügigen

Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen, indem er am 13. Februar 2004 unter Verstoß gegen § 21 Abs.1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat; deswegen hat das Amtsgericht L. gegen ihn mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 26. April 2004 eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen festgesetzt. Eine - wie hier vom Antragsteller - vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich nicht geringfügig im Sinne von § 46 Nr. 2 AuslG. Die Geringfügigkeit lässt sich insbesondere nicht anhand einer bestimmten Strafmaßgrenze bestimmen. Nur unter engen Voraussetzungen kann eine vorsätzlich begangene Straftat ausnahmsweise als geringfügig zu bewerten sein, etwa wenn ein strafrechtliches Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist. Letzteres ist hier nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist der Strafrechtsverstoß nicht deshalb als geringfügig zu bewerten, weil nach Nummer 46.2.3.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz (AuslG-VwV) vom 28. Juni 2000, Bundesanzeiger Nr. 188 a, für die Beurteilung, ob ein geringfügiger Verstoß vorliegt, u. a. maßgebend ist, dass eine Straftat, die zu einer Verurteilung bis zu 30 Tagessätzen geführt hat, geringfügig ist (siehe aber Nummer 46.2.2). Das Tatbestandsmerkmal"geringfügig" in § 46 Nr. 2 AuslG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Auslegung und Anwendung im Einzelfall unterliegt. Ein Ermessen steht der Ausländerbehörde bei der Prüfung der Frage, ob der Ausweisungsgrund des § 46 Nr. 2 AuslG vorliegt, nicht zu; anders ist es lediglich bei der Prüfung, ob deswegen die Ausweisung erfolgen soll. Deshalb bindet Nummer 46.2.3.1 AuslG-VwV das Verwaltungsgericht bei der Auslegung des Merkmals "geringfügig" nicht.

Dass der vom Antragsteller vorsätzlich begangene Strafrechtsverstoß nach der vorgenannten Rechtsprechung nicht ausnahmsweise als geringfügig im Sinne von § 46 Nr. 2 AuslG zu bewerten ist, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Es hat sich dabei an der Art der Straftat sowie dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter und dem Zweck der Strafvorschrift - Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilenehmer vor Gefahren, die von Kraftfahrern ausgehen, welche mangels Fahrerlaubnis die erforderliche Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht nachgewiesen haben - orientiert.

Das Beschwerdevorbringen ergibt ferner nicht, dass der Antragsteller überhaupt einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat. Dieser Anspruch richtet sich nach der maßgeblichen Regelung in § 23 AufenthG in Verbindung mit dem Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 2001 - I B 3/44.386-B 2/1 14-Kosovo - (im Folgenden: Kosovo- Erlass) sowie den Anwendungsregeln, die mangels einer dem § 104 Abs. 1 AufenthG entsprechenden Übergangsbestimmung auch auf Anträge anzuwenden ist, die vor dem 1. Januar 2005 gestellt wurden. Die Voraussetzungen des Kosovo-Erlasses liegen selbst dann nicht vor, wenn der Antragsteller so gestellt wird, als ob er die Antragsfrist nach Ziff. 2. des Kosovo-Erlasses (30. September 2001) eingehalten hätte. Maßgebend dafür, wie im Hinblick auf den Kosovo-Erlass ein Ausländer zu behandeln ist, der keine Veranlassung zur fristgerechten AntragsteIlung hatte, weil er bei Fristablauf noch im Besitz eines später weggefallenen anderweitigen Aufenthaltsrechts - hier nach § 70 Abs. 1 AsylVfG - war, ist nicht eine analoge (Rechts- )Anwendung des Erlasses" sondern allein die mit dem Willen des Erlassgebers in Einklang stehende Ermessenspraxis des Antragsgegners (vgl. BVerwG; Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 19.99 -, Dezember 2004 - 19 A 3973/03 -, 25. 66/03 -).

Hierzu macht der Antragsteller mit der Beschwerde geltend, der Antragsgegner habe in

vergleichbaren Fällen den Kosovo-Erlass "analog angewendet"; dem hat der Antragsgegner im

Kern nicht widersprochen. Er hat - sinngemäß - angeführt, dass in seiner Ermessenspraxis von der Einhaltung der Antragsfrist abgesehen werde, um vergleichbare Ausländer, die nach Wegfall ihres Asylstatus kein entsprechendes Aufenthaltsrecht mehr genießen, nicht schlechter zu stellen als die Ausländer, die zum Zeitpunkt der Erlassregelungen bereits ausreisepflichtig waren und daher

fristgerecht ein Bleiberecht nach dem Kosovo-Erlass beantragt haben. Er hat weiter vorgetragen, dass eine Anwendung des Kosovo-Erlasses die Prüfung der Erlassvoraussetzungen auf den Erlassstichtag bezogen vorgenommen wird. Dass dieser Zeitpunkt, auf den die Prüfung bezogen wird, tatsächlich nicht der Ermessenspraxis des Antragsgegners entspricht, macht der Antragsteller nicht geltend; er verlangt lediglich, dass die Prüfung auf die Zeit nach Eintritt der Bestandskraft des Widerrufs der asylverfahrensrechtlichen Entscheidung bezogen wird. Die Prüfung auf einen solchen Zeitpunkt zu beziehen, zu dem die Entscheidung über ein Bleiberecht unverzüglich hätte getroffen werden müssen, liefe im Übrigen, was das Verwaltungsgericht auf Seite 6 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat, dem Zweck des Kosovo-Erlasses und der Ermessenspraxis zuwider, den Personen ein Bleiberecht einzuräumen, die zum maßgeblichen Stichtag die Erlassvoraussetzungen erfüllten, nicht aber eine begünstigende Ermessenspraxis auf Dauer zu eröffnen.

Danach liegen bezogen auf den hier maßgeblichen Stichtag des Ablaufs der Antragsfrist (30. September 2001) - oder etwa der Bearbeitungsfrist nach Ziffer 6. (31. März 2002) - die Voraussetzungen für ein Bleiberecht nach dem Kosovo-Erlass nicht vor. Der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis an den Antragsteller steht jedenfalls der Ausschlusstatbestand der Ziff.1.6.4 des Kosovo-Erlasses entgegen. Danach scheidet die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus, wenn der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden ist. Geldstrafen von bis zu 50 Tagessätzen bleiben außer Betracht. Der Antragsteller hat diesen Ausschlusstatbestand erfüllt, weil gegen ihn mit Strafbefehl des Amtsgerichts F. vom 26. August 1998 wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 85 Ziffer 2 AsylVfG, nämlich wegen wiederholten Verstoßes gegen eine Aufenthaltsbeschränkung, eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen festgesetzt worden ist.