VG Mainz

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Zitieren als:
VG Mainz, Urteil vom 14.10.2004 - 6 K 251/04.MZ - asyl.net: M6050
https://www.asyl.net/rsdb/M6050
Leitsatz:

Ausschluss der Einbürgerung gem. § 86 Abs. 2 AuslG wegen Spenden für die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG).(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Türken, Einbürgerung, IGMG, Milli Görüs, Türkisch-Islamistische Union, Spenden, Unterstützung, verfassungsfeindliche Bestrebungen, Abwendung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen, Glaubhaftmachung, Loyalitätserklärung
Normen: AuslG § 85; AuslG § 86 Nr. 2
Auszüge:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung.

Der ausländerrechtliche Einbürgerungsanspruch gemäß § 85 Ausländergesetz (AuslG) ist vorliegend gemäß § 86 Nr. 2 AuslG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung solcher Bestrebungen abgewandt hat. Der genannte Ausschlussgrund greift beim Kläger ein.

Die tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme der Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG ergeben sich daraus, dass der Kläger über mehrere Jahre Spenden an die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) gezahlt hat. Aufgrund der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden und der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. z.B. VG Ansbach, Urteil vom 09. Februar 2000 - AN 15 K 99.01436 -, VG Stuttgart vom 16. Mai 2003 - 18 K 4179/02 -, VG München, Urteil vom 02. Juni 2003 - M 25 K 00.5269 -, VGH München, Urteil vom 16. Juli 2003 - 20 BV 02.2747 -, VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 20. April 2004 - 5 K 2179/03.NW -) ist davon auszugehen, dass die IGMG Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Die IGMG erstrebt nämlich die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und darüber hinaus in einer Endstufe auch die Einführung einer auf der Scharia beruhenden Gesellschaftsordnung in Deutschland. Diese Einschätzung gründet sich auf die starke Einbindung der IGMG in einen miteinander verzahnten Komplex, bestehend aus der Weltanschauung Milli Görüs, der Saadet Partisi ("Glückseligkeitspartei") als politische Partei in der Türkei sowie der Tageszeitung Milli Gazette.

Dass der Kläger Spenden an die IGMG gezahlt hat, rechtfertigt auch die Annahme, dass er die dargelegten, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen der IGMG unterstützt hat. Unterstützung ist jede eigene Handlung, die für die in § 86 Nr. 2 AuslG genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist. Eine solche Unterstützung kann auch in der Gewährung finanzieller Unterstützung (Spenden, Mitgliedsbeiträge) liegen (vgl. Berit, GK-StAR, § 86 AuslG Rdnr. 90). Dass der Kläger über mehrere Jahre Spenden an die IGMG in Mainz geleistet hat und ihm dies auch bewusst war, steht zur Überzeugung des Gerichts fest.

Der Kläger hat im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor Gericht vorgetragen, dass er lediglich für den Bau einer Moschee, nicht aber für die IGMG gespendet habe. In der mündlichen Verhandlung gab er ergänzend an, dass er im (...) dem Sekretär der Moschee seine Kontonummer zwecks Spendenzahlung zum Bau der Moschee genannt habe. Es sei für ihn unzweifelhaft gewesen, dass das Geld für den Moscheebau bestimmt gewesen sei, was AMGT und IGMG bedeute, wisse er gar nicht. Dieser Vortrag des Klägers ist unglaubhaft, er weist zahlreiche Unstimmigkeiten auf.

Der Kläger hat schließlich auch nicht im Sinne von § 86 Nr. 2 Halbsatz 2 AuslG glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung der IGMG abgewandt hat. Die Glaubhaftmachung einer solchen Abwendung setzt zunächst grundsätzlich voraus, dass der Einbürgerungsbewerber einräumt oder zumindest nicht bestreitet, früher eine durch § 86 Nr. 2 AuslG inkriminierte Bestrebung unterstützt zu haben. Wenn dagegen, wie hier, das frühere Verhalten in unglaubhafter Weise bagatellisiert oder sogar in Abrede gestellt wird, ist eine Glaubhaftmachung der Abwendung nur möglich, wenn sie aufgrund objektiver Gegebenheiten überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 2002 - 13 S 1111/01 -). Dies ist hier nicht der Fall. Nachgewiesen hat der Kläger die Stornierung seiner entsprechenden Überweisungen an die IGMG erstmals mit der Lastschrift-Rückgabe vom 15. April 2002 (Blatt 26 der Gerichtsakte). Daraus, dass der Kläger erst vor zwei Jahren, zudem im laufenden Einbürgerungsverfahren, die Überweisungen an die IGMG beendete, kann jedenfalls nicht gefolgert werden, dass er sich von der IGMG im Sinne des Gesetzes abgewandt hat. Ein bloßes Unterlassen der Unterstützungshandlung genügt nicht. Im übrigen fällt vorliegend noch auf, dass die Lastschrift-Rückgabe am (...) erfolgte. Das ist der Tag, an dem der Kläger beim Beklagten angehört wurde und ihm zum ersten Mal die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes vorgehalten wurden. Dies legt die Annahme nahe, dass der Kläger die Überweisungen situationsbedingt angesichts des laufenden Einbürgerungsverfahrens beendet hat. Ein reines Zweckverhalten, um die Einbürgerung nicht zu gefährden, stellt keine Abwendung im Sinne des Gesetzes dar.