OVG Niedersachsen

Merkliste
Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 01.11.2004 - 8 ME 254/04 - asyl.net: M5811
https://www.asyl.net/rsdb/M5811
Leitsatz:

Wird nach einem erfolglos gebliebenen Asylantrag der Antrag, das Verfahren hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 AuslG wiederaufzugreifen (Folgeschutzgesuch), vom Bundesamt abgelehnt, so ist ein vorläufiger Rechtsschutzantrag gegen das Bundesamt zu richten.(Amtlicher Leitsatz)

 

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Abgelehnte Asylbewerber, Krankheit, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Prüfungskompetenz, Bundesamt, Duldung, Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Zulässigkeit, Beschwerdeausschluss, Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz
Normen: AuslG § 53 Abs. 6; VwVfG § 51; AsylVfG § 5 Abs. 1 S. 2; AsylVfG § 24 Abs. 2; AuslG § 55 Abs. 2; AsylVfG § 80
Auszüge:

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Statthaftigkeit steht § 80 AsylVfG nicht entgegen. Denn eine Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz i.S.v. § 80 AsylVfG liegt nur dann vor, wenn die vom Ausländer angefochtene oder begehrte Maßnahme ihre rechtliche Grundlage im Asylverfahrensgesetz findet (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.9.1997 - 1 C 6/97 -, NVwZ 1998, 299; Urt. v. 31.3.1992 -9 C 155.90 -, NVwZ 1993, 276; Senatsbeschl. v. 12.11.2003 - 8 ME 189/03 -, AuAS 2004, 34, m.w.N.). Die von den Antragstellern begehrte ausländerrechtliche Duldung findet ihre rechtliche Grundlage in § 55 Abs. 2 AuslG, also nicht im Asylverfahrensgesetz. Nach § 55 Abs. 2 AuslG wird dem Ausländer eine Duldung erteilt, solange seine Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich ist oder nach § 53 Abs. 6 AuslG ausgesetzt werden soll. Der Annahme, dass es sich nicht um eine Streitigkeit i.S.d. Asylverfahrensgesetzes handelt, steht auch nicht entgegen, dass die Antragsteller die Erteilung dieser Duldung wegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begehren und es dem Antragsgegner aus den nachfolgend angeführten Gründen versagt ist, selbst das Vorliegen eines solchen Abschiebungshindernisses zu überprüfen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 17.2.2004 - 18 B 326/04 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 13.9.2000 - 11 S 988/00 -, EZAR 632 Nr. 35). Denn insoweit handelt es sich um eine für die rechtliche Einordnung der Streitigkeit unerhebliche Vorfrage.

Die demnach zulässige Beschwerde ist unbegründet, da die Antragsteller keine Gründe dargelegt haben, aus denen sich Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergeben, ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Antragsgegner abzulehnen.

Wird kein Asylfolgeantrag, sondern nur ein erneutes Schutzersuchen zu § 53 AuslG (sogenanntes Folgeschutzgesuch) gestellt, so hat darüber in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 2 und § 24 Abs. 2 AsylVfG ebenfalls das Bundesamt zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2000 - 9 C 41/99 - NVwZ 2000, 940 f.), und zwar nach Maßgabe des § 51 VwVfG (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.7.2001 -1 C 2/01 -, DVB12001, 1531, 1534, m. w. N). Wird dieses Folgeschutzgesuch abgelehnt, so ist dementsprechend vorläufiger Abschiebungsrechtsschutz mit der Begründung, die Ablehnung sei zu Unrecht erfolgt, ausschließlich gegenüber dem Bundesamt geltend zu machen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 17.2.2004 - 18 B 3264/04 -; GK-AsylVfG, § 71 Rn. 242 ff., jeweils m.w.N.).

Dies folgt aus § 42 Abs. 1 AsylVfG. Danach ist die Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamtes oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG gebunden. Dies gilt auch dann, wenn in einem vorhergehenden behördlichen und einem eventuell anschließenden gerichtlichen Asylverfahren eine erst nachträglich als Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG geltend gemachte Erkrankung mangels damaligem Vortrag noch nicht geprüft worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.9.1999 - 1 C 66/99 -, NVwZ 2000,204 ff.; Senatsbeschl. v. 30.9.2004 - 8 LA 236/04 -). Deshalb ist auch hier vorläufiger Rechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamtes, dem Folgeschutzgesuch der Antragsteller nicht zu entsprechen, ausschließlich gegenüber dem Bundesamt und nicht gegenüber der Ausländerbehörde zu suchen. Die Ausländerbehörde darf in diesen Fällen eine Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG wegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses i.S.v. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nur dann erteilen, wenn ihr in entsprechender Anwendung von § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG vom Bundesamt mitgeteilt worden ist, dass vorläufig von Abschiebungsmaßnahmen in den Zielstaat abzusehen bzw. vorläufig vom Vorliegen eines solchen Abschiebungshindernisses hinsichtlich des Zielstaates auszugehen ist (vgl. zu dem mangels ausdrücklicher Regelung im Einzelnen streitigen Inhalt dieser Mitteilung GK-AsylVfG, § 71 Rn. 242 f., m.w.N.). Eine eigenständige Überprüfungskompetenz steht der Ausländerbehörde hingegen nicht zu. An einer entsprechenden Mitteilung des Bundesamtes an den Antragsgegner fehlt es vorliegend aber. Der sinngemäß in der Beschwerdebegründung enthaltene Vortrag, für die Antragstellerin zu 1) sei bezogen auf Serbien und Montenegro nunmehr ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG gegeben, ist daher in diesem Verfahren gegenüber dem Antragsgegner als Ausländerbehörde unerheblich.

Von dem Antragsgegner als Ausländerbehörde zu berücksichtigende Duldungsgründe im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG, d. h. inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (vgl. Senatsbeschl. v. 12.11.2003, a.a.O.) werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.