OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 06.07.2004 - 12 ME 209/04 - asyl.net: M5594
https://www.asyl.net/rsdb/M5594
Leitsatz:

Keine Kostenübernahme für Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung nach § 4 Abs. 1 AsylbLG, wenn lediglich ein chronischer Krankheitsverlauf vorliegt; Anwendung von § 6 AsylbLG für die Kostenübernahme einer psychotherapeutischen Behandlung nur ausnahmsweise; erforderlich ist u.a. ein ärztliches Attest darüber, dass keine gleichwertige, kostengünstigere Behandlung möglich ist.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Krankenbehandlung, Kostenübernahme, Psychotherapie, Therapiekosten, Psychische Erkrankung, Posttraumatische Belastungsstörung, Depression, akute Erkrankung, chronische Erkrankung, Schmerzzustände, Sonstige Leistungen, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylbLG § 4; AsylbLG § 6; VwGO § 123; VwGO § 146 Abs. 4
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, durch den dieses seinen Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme der Kosten für die Durchführung einer Psychotherapie zu verpflichten, abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.

Ein Anordnungsanspruch für dieses Begehren ergibt sich nach den Darlegungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren und vor dem Hintergrund der dem Senat vorliegenden Akten weder auf der Grundlage des § 4 AsylblG noch lässt er sich aus der Vorschrift des § 6 AsylblG herleiten.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylblG sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Die gesetzliche Regelung eröffnet mithin einen Anspruch auf Hilfeleistungen bei akuten Erkrankungen oder bei Schmerzzuständen, schließt hingegen Ansprüche bei chronischen Erkrankungen ohne Schmerzzustände aus (VGH Bad.- Württ., Urt. v. 4.5.1998 - 7 S 920/98 -, FEVS 49, 33, 34; GK-AsylbIG, Loseblattsammlung, Stand: Dezember 2003, § 4, Rn. 18, 27 f; Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Loseblattsammlung, Stand: 1.6.2003, Anhang § 120, § 4 AsylblG, Rn. 5).

Im Hinblick auf die Erkrankung des Antragstellers hat der Senat Zweifel am Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, sieht eine solche jedenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt als nicht glaubhaft gemacht an. So geht das von dem Antragsteller vorgelegte psychologisch-psychotraumatologische Fachgutachten (...) gestützt allein auf die Angaben des Antragstellers davon aus, dass dessen Schilderungen über erlebte Folterungen und Misshandlungen in der Türkei im (...) der Wahrheit entsprechen, ohne sich mit dem Umstand auseinander zu setzen, dass das Asylverfahren des Antragstellers seinerzeit nicht zum Erfolg geführt hat. Weiterhin weist derAntragsgegner zu Recht darauf hin, dass das Stichwort einer posttraumatischen Belastungsstörung seinen Niederschlag in der aus den dem Senat vorliegenden Akten ersichtlichen Krankengeschichte des Antragstellers erst lange Zeit nach seiner Einreise nach Deutschland findet.

Eine - auch durch das Gutachten des (...) festgestellte - Depressivität des Antragstellers erachtet auch der Senat als glaubhaft gemacht. Nicht glaubhaft gemacht ist jedoch, dass diese Erkrankung - wie von § 4 Abs.1 AsylbLG vorausgesetzt - einen akuten Charakter hat. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass insoweit jedenfalls derzeit - nach Überwindung des seinerzeitigen akuten Stadiums im (...) - ein chronischer Krankheitsverlauf gegeben ist.

Nicht glaubhaft gemacht ist weiterhin ein durch die von dem Antragsteller gewünschte Psychotherapie zu behandelnder Schmerzzustand im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG.

Zwar wird in der Rechtsprechung (4. Senat des erk. Gerichts, Beschl. v. 22.9.1999 - 4 M 3551/99 - und VG Braunschweig, Beschl. v. 13.4.2000 -13 B 67/00-, jeweils abgedruckt in GK-AsylbLG, a.a.O., 7 zu § 4 Abs. 1) im Hinblick auf die genannte Vorschrift darauf hingewiesen, dass depressive Leidenszustände ebenso quälend und beeinträchtigend sein könnten wie erhebliche körperliche Schmerzen. Jedoch ist das Gutachten des (...) insoweit - d.h. im Hinblick auf die festgestellte depressive Symptomatik und abgesehen von der Problematik einer posttraumatischen Belastungsstörung - nicht ergiebig.

In engem Zusammenhang hiermit ist hervorzuheben, dass auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG eine Behandlung bzw. sonstige Leistung nur dann beansprucht werden kann, wenn diese zur Erfüllung der in der Vorschrift genannten Zwecke erforderlich ist. Insoweit ist jedenfalls in dem hier zur Entscheidung stehenden Verfahren des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nicht glaubhaft gemacht, dass - sieht man von der nach den bisherigen Ausführungen nicht in die Beurteilung einzubeziehenden Problematik einer posttraumatischen Belastungsstörung ab - zur Linderung der Beschwerden des Antragstellers die in Rede stehende Psychotherapie erforderlich ist und ein - jedenfalls vorläufiger - Erfolg nicht auch durch eine lediglich medikamentöse Behandlung erreicht werden könnte.

Der Antragsteller hat zur Überzeugung des Senats auch nicht glaubhaft gemacht, dass sich für ihn ein Anordnungsanspruch aus § 6 Abs. 1 AsylbLG ergeben könnte. Nach dieser Vorschrift können den nach § 1 Abs. 1 AsylbLG Berechtigten sonstige Leistungen u. a. dann gewährt werden, wenn diese im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit unerlässlich sind. Zwar kann ein auf diese Vorschrift gestützter, nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nicht bestehender Anspruch auf Übernahme der Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung nicht von vornherein ausgeschlossen werden (vgl. im konkreten Fall offenlassend: 4. Senat des erk.Gerichts, Beschl. v. 22.9.1999, a.a.O.). Dies kann jedoch, da sich eine derartige Maßnahme in der Regel über einen längeren Zeitraum erstreckt, mit nicht unerheblichen Kosten verbunden und häufig auch der dem Asylbewerberleistungsgesetz prinzipiell fremden Eingliederungshilfe zuzurechnen ist, nur ausnahmsweise geschehen. Erforderlich hierfür ist u.a. zumindest auch, dass fachärztlich attestiert wird, dass gleichwertige, kostengünstigere Behandlungsmaßnahmen nicht zur Verfügung stehen (GK-AsylbLG, § 6, Rn. 166). Dies lässt sich den Darlegungen des Antragstellers und den dem Senat vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten nicht entnehmen. [...]