OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.01.2004 - unbekannt - asyl.net: M4862
https://www.asyl.net/rsdb/M4862
Leitsatz:

In Deutschland geborene staatenlose Kinder von palästinensischen Flüchtlingen aus dem Libanon haben möglicherweise einen Anspruch auf Einbürgerung nach fünfjährigem geduldeten Aufenthalt.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: D (A), Libanon, Palästinenser, Staatenlose, Einbürgerung, Aufenthaltsdauer, Rechtmäßiger Aufenthalt, Duldung, Auslegung, Prozesskostenhilfe
Normen: VwGO § 166; ZPO § 114; StlMindÜbk Art. 2 S. 1; AG-StlMindÜbk Art. 2 S. 1 Nr. 2
Auszüge:

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fehlt dem Begehren des Klägers die hinreichende Erfolgsaussicht auch nicht deshalb, weil er die Voraussetzung eines fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nach Art. 2 Satz 1 Nr. 2 AG-StlMindÜbk nicht erfüllte. Insofern stellt sich nämlich die höchstrichterlich bislang nicht geklärte Frage, ob der Einbürgerungsanspruch nach Art. 2 Satz 1 AG-StlMindÜbk von dieser Voraussetzung abhängt.

Die Beschwerde macht insoweit - jedenfalls für das Verfahren der Prozesskostenhilfe mit Erfolg - geltend, dass die entsprechende Bestimmung des Art. 1 Abs. 2 Buchst. b des Übereinkommens vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit (BGBl. 1977 II S. 598,1219) - StlMindÜbk - nach ihrem Wortlaut die Verleihung der Staatsangehörigkeit durch einen Vertragstaat ausschließlich vom dauernden Aufenthalt des Einbürgerungsbewerbers im Hoheitsgebiet dieses Staates abhängig macht, nicht aber auch von der Rechtmäßigkeit dieses dauernden Aufenthalts. In der von der Beschwerde zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bisher mangels Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich offen gelassen worden, ob gleichwohl dem Übereinkommen zur Verhinderung der Staatenlosigkeit nach dessen Sinn und Zweck das Erfordernis der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts als Voraussetzung für einen Einbürgerungsanspruch immanent ist (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 -, BVerwGE 92, 116 (126); bejahend die Bundesregierung in der Denkschrift zum StlMindÜbk, BT-Drucks. 8/12, Nr. 13, S. 27; a.A. Bierwirth, Zum Einbürgerungsanspruch in der Bundesrepublik Deutschland geborener Kinder palästinensischer Eltern, ZDWF- Schriftenreihe Nr. 43, 1990, S. 137 ff.), und welche Konsequenz ein etwaiges Zurückbleiben des gesetzlichen Anspruchs gegenüber der völkerrechtlich übernommenen Vertragspflicht der Bundesrepublik Deutschland auslöst.

Diese Fragen sind im vorliegenden Fall entscheidungserheblich, denn der Kläger erfüllt die in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung angeführten Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines dauernden Aufenthalts im Sinn des Art. 2 Satz 1 Nr.2 AG-StlMindÜbk nicht. Das hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt.

Auf der Basis der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine dem Kläger günstige Auslegung des Rechtmäßigkeitserfordernisses auch nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Umstand, dass als Rechtsgrundlage für den von ihm geltend gemachten Einbürgerungsanspruch nicht das StlMindÜbk selbst, sondern nur das zu seiner Ausführung erlassene AG-StlMindÜbk in Betracht kommt, schließt nicht aus, bei der Auslegung dieses Gesetzes auf das Übereinkommen zurückzugreifen, zu dessen Ausführung es erlassen worden ist (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 -, BVerwGE 92, 116 (118); ebenso Bierwirth, a.a.O., S.125.)

Die fünfjährige Wartefrist, innerhalb derer das AG-StlMindÜbk die Rechtmäßigkeit des dauernden Aufenthalts fordert, muss auch vor dem Hintergrund der Zielsetzung dieses Gesetzes gesehen werden, die Staatenlosigkeit durch Einbürgerung aufgrund einer über die Geburt hinausreichenden Zuordnung des Betroffenen zu Deutschland als Vertragsstaat zu beseitigen. Bei dem in Rede stehenden Merkmal der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts geht es darum, die Einbürgerung von sich illegal in Deutschland aufhaltenden Staatenlosen zu verhindern. Ob dieser Zweck der Wartefrist verfehlt wird, wenn - wie im vorliegenden Fall - einem Ausländer über Jahre hinweg Duldungen erteilt worden sind, weil seine Abschiebung nicht nur vorübergehend ausgesetzt, sondern auf unabsehbare Zeit unmöglich ist, bedarf der Klärung im Klageverfahren.