BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 13.11.2003 - 5 C 54.02 - asyl.net: M4804
https://www.asyl.net/rsdb/M4804
Leitsatz:

Keine Erstattung der Sozialaufwendungen für in den örtlichen Zuständigkeitsbereich zurückgekehrte Hilfeempfänger, da § 107 BSHG vorliegend nicht anwendbar.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Libanesen, Aufenthaltsbefugnis, Sozialhilfebezug, Sozialhilfeaufwendungen, Leistungsträger, Erstattung, Erstattungsanspruch, Unabweisbar gebotene Hilfe, örtliche Zuständigkeit
Normen: BSHG § 107; BSHG § 120 Abs. 5 S. 2
Auszüge:

Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger nicht nach § 107

BSHG Erstattung seiner Sozialhilfeaufwendungen für die in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Klägers zurückgekehrten Hilfeempfänger verlangen kann. Das Oberverwaltungsgericht hält im Einklang mit dem Bundesrecht für einen Aufenthalt der Hilfeempfänger im Zuständigkeitsbereich des Beklagten die Voraussetzungen des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG für erfüllt und deshalb § 107 BSHG hier für unanwendbar.

Nach § 107 Abs. 1 BSHG ist, wenn eine Person von dem Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts verzieht, der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Nach § 107 Abs. 2 Satz 2 BSHG entfällt diese Verpflichtung spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Aufenthaltswechsel. § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG sodann bestimmt, dass Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltsbefugnis besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem die Aufenthaltsbefugnis erteilt worden ist, von dem für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständigen Träger der Sozialhilfe nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe verlangen können.

Dem Oberverwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass im Anwendungsbereich des § 120 Abs. 5 BSHG die Anwendung des § 107 BSHG ausgeschlossen ist.

Zwar ist der Tatbestand der letztgenannten Vorschrift seinem Wortlaut nach hier erfüllt. Insbesondere kann nach dem vom Berufungsgericht bindend festgestellten Sachverhalt nicht bezweifelt werden, dass Familie L. in H. ihren gewöhnlichen Aufenthalt genommen hatte und infolge ihrer Rückkehr nach Niedersachsen dorthin also im Sinne des § 107 BSHG "verzogen" ist. Die dem Erstattungsbegehren des Klägers von der Stadt H. entgegengehaltene Betrachtungsweise, dass die Hilfeempfänger infolge des Ausschlusses von Ansprüchen auf Hilfe zum Lebensunterhalt in H. keinen gewöhnlichen Aufenthalt hätten begründen können, so dass die Rückkehr nach Niedersachsen kein Umzug im Sinne von § 107 BSHG gewesen sei, ist schon in Anbetracht des von Familie L. auf Dauer angelegten und acht Monate lang von der Stadt H. durch Leistung von Hilfe zum Lebensunterhalt ermöglichten Aufenthalts in H. unzutreffend.

Zu Recht hat die Vorinstanz § 107 BSHG aber gleichwohl für unanwendbar gehalten, wenn der Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis aus einem Bundesland, in dem er nur einen nach § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG eingeschränkten Anspruch auf Sozialhilfe hat, in das Bundesland zurückkehrt, in dem diese Einschränkung für ihn nicht gilt. Das Berufungsgericht hat dies zutreffend mit dem Zweck des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG begründet, bei Ausländern, die sich aufgrund einer - sei es auch räumlich nicht beschränkten - Aufenthaltsbefugnis im Bundesgebiet aufhalten, eine Verlagerung von Sozialhilfelasten von einem Bundesland in ein anderes zu verhindern (vgl. BTDrucks 11/6321, S. 90).

Für eine Verdrängung des § 107 BSHG durch § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG als "bereichsspezifische Sonderregelung" (BVerwGE 111, 200, 206) spricht ferner, dass eine Binnenwanderung aufenthaltsbefugter Ausländer verhindert und dadurch eine unverhältnismäßige Belastung einzelner Teile des Bundesgebietes, insbesondere der Ballungszentren, mit Sozialhilfekosten vermieden werden soll (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 212 unter Bezugnahme ebenfalls auf BTDrucks 11/6321, S. 90). Aus diesen Gründen muss folglich ein Sozialhilfeträger, der einem Ausländer nur zu nach § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG eingeschränkten Sozialhilfeleistungen verpflichtet ist, nicht nach § 107 BSHG Sozialhilfeaufwendungen erstatten, die im Falle der Rückkehr des Hilfebedürftigen in das Bundesland, innerhalb dessen ihm nicht durch § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG eingeschränkte Sozialhilfe zusteht, dem dort zuständigen Sozialhilfeträger entstehen.