OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.11.2003 - 15 A 4374/03.A - asyl.net: M4791
https://www.asyl.net/rsdb/M4791
Leitsatz:

Unbehandelte posttraumatische Belastungsstörung stellt nicht ohne weiteres eine Gefahr für Leib und Leben gem. § 53 Abs. 6 AuslG dar.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: Türkei, Traumatisierte Flüchtlinge, Psychische Erkrankung, Posttraumatische Belastungsstörung, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Medizinische Versorgung, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Rechtliches Gehör
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3; VwGO § 138 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 6
Auszüge:

Die Berufung ist nicht aus dem geltend gemachten Zulassungsgrund eines in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG -) in Form der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör{§ 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 des Ausländergesetzes (AuslG) trotz der behaupteten posttraumatischen Belastungsstörung der Klägerin zu 1. nicht gewährt hat.

Ein Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes niedergelegten Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht allerdings auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war.

Nach diesen Maßstäben liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs vor, weil das Verwaltungsgericht sich in dem angefochtenen Urteil auf den Seiten 20 ff. mit der Behauptung des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung der Klägerin zu 1. auseinandergesetzt hat, jedoch darin kein Abschiebungshindernis erblickt hat. Die Kläger wenden sich insoweit in Wirklichkeit nicht gegen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern gegen die - zulassungsrechtlich unerhebliche - Richtigkeit der Bewertung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) liegt nicht vor.

Die aufgeworfene Frage, "ob Personen, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, im Fall einer Rückkehr in die Türkei dort behandelt werden können", stellt sich in dieser Allgemeinheit nicht. Es ist geklärt, wie selbst die Kläger nicht in Abrede stellen, dass eine Behandlung dieser psychischen Krankheit in der Türkei möglich ist, etwa auf medikamentöser Basis. Die Kläger meinen lediglich, es sei keine umfassende psychotherapeutische Behandlung möglich.

Auch diese Frage, sollten die Kläger diese als grundsätzlich aufwerfen wollen, würde sich in dieser Allgemeinheit in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Die Kläger verkennen, dass der Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit voraussetzt. Selbst eine in der Türkei unbehandelbare posttraumatische Belastungsstörung erfüllt diese Voraussetzungen alleine noch nicht. Die mit einer solchen Krankheit verbundenen psychischen Folgen wie Traurigkeit, Pessimismus, Interesse-, Lust - und Freudlosigkeit sowie Antriebsminderung stellen keine den Leib oder das Leben konkret und erheblich beeinträchtigende Gefahr dar. Um eine die abschiebungsschutzrechtlich erforderliche Intensität erreichende Leibes- oder Lebensgefahr bejahen zu können, bedürfte es der Feststellung weiterer gefahrbegründender Umstände als der bloßen Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung. Daher ist es für den genannten Abschiebungsschutz generell erst recht unerheblich, ob in der Türkei eine umfassende psychotherapentische Behandlung dieser Krankheit möglich ist.