1. Die Regelungen des deutschen Ausländerrechts über Zuzug, Aufenthalt und Ausweisung von Familienangehöigen entsprechen den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK.
2. Können familiäre Belange nach diesem System nicht berücksichtigt werden, z. B. bei einer Ist-Ausweisung, kommt zum Schutz von Ehe und Familie die Erteilung einer Duldung oder einer Aufenthaltsbefugnis in Betracht.
3. In diesem Fall ist die Vereinbarkeit der Ausweisungsfolgen mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK im Verfahren um die Abschiebung zu prüfen. (amtliche Leitsätze)
Aus der Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK ergeben sich nur begrenzte Folgen für die staatliche Regulierung des Famliennachzugs (vgl. dazu Weichselbaum, ZAR 2003, 359 m. N. aus der Rspr. des EGMR), und im Rahmen der Überprüfung eines Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist auch nicht die Einwanderungspolitik des Aufenthaltsstaats zu kontrollieren (EGMR, 21.06.1988 - Nr. 3/1987/126/177, EZAR 935 Nr. 2 = InfAuslR 1993, 84). Das verfolgte Ziel muss aber mit der Schwere des Eingriffs in das Recht auf Achtung des Familienlebens in der Weise abgewogen werden, dass festgestellt wird, ob ein Eingriff notwendig in einer demokratischen Gesellschaft ist, also einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und insbesondere zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist (EGMR, a.a.O.). So kann etwa die Ausweisung unverhältnismäßig wirken, wenn der Ausländer im zweiten Lebensjahr eingereist ist, über zwanzig Jahre in seiner Familie oder nicht weit von ihr gelebt hat und die vorgeworfenen Straftaten einige Besonderheiten aufweisen, vor allem ausnahmslos in der Jugendzeit begangen sind (EGMR, 18.02.1991 - 26/1989/186/246, EZAR 935 Nr. 3 = InfAuslR 1991, 149- Moustaquim). Als nicht verhältnismäßig erweisen kann sich eine Ausweisung auch dann, wenn die Ehegatten seit mehr als zwanzig Jahren verheiratet sind und in dem Aufenthaltsstaat leben, keine Beziehung zu dem Heimatstaat des ausländischen Partners haben und die Vollziehung der Ausweisung die Ehe gefährden würde (EGMR, 26.03.1992, 55/1990/246/317 -, EZAR 935 Nr. 4 = InfAuslR 1993, 86 - Beldjoudi). Unverhältnismäßig kann auch die Abschiebung eines mehrfach straffällig gewordenen Ausländers sein, der im Alter von fünf Jahren in den Aufenthaltsstaat übergesiedelt ist, dort seit dreißig Jahren zusammen mit seiner Familie lebt und aufgrund besonderer Umstände auf seine Familie angewiesen, weil er von Geburt an taubstumm und im Übrigen Analphabet ist und weder die Sprache des Herkunftsstaats seiner Eltern noch die Gebärdensprache beherrscht (EGMR, 13.07.1995 - Nr. 18/1994/465/564 -, EZAR 935 Nr. 5 = InfAuslR 1996, I - Nasri). Darüber hinaus kann die Abschiebung eines volljährigen Ausländers, der im Aufenthaltsstaat geboren ist, dort seine Ausbildung erhalten hat und eine eigene Familie gegründet hat und dessen Eltern und Geschwister ebenfalls dort leben, unverhältnismäßig sein, wenn er keine Bindungen zum Herkunftsland seiner Eltern mehr hat und seine minderjährigen Kinder die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaats besitzen (EGMR, 26.09.1997 -25/1996/704/896 -, EZAR 935 Nr. 8 = NVwZ 1998, 164 - Mehemi). Schließlich kann das Aufenthaltsverbot gegen den ehelichen Vater eines minderjährigen Kindes nach Maßgabe von Art. 8 Abs. 2 EMRK ungerechtfertigt sein, wenn nur eine vergleichsweise geringe Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht und die Belange der zurückbleibenden Familienangehörigen nicht hinreichend gewürdigt wurden (EGMR, 31.10.2002 - 37295/97 -, demn. EZAR 935 Nr. 14 - Yildiz). Dagegen verfolgt der auf zehn Jahre befristete Ausschluss eines Ausländers vom Staatsgebiet wegen des Verbrauchs und des Handels mit Drogen ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist verhältnismäßig, wenn der Ausländer über seine Staatsangehörigkeit hinaus Bindungen an seinen Heimatstaat aufrecht erhält, keine engen Beziehung zu seinen im Inland lebenden Verwandten unterhält und die Beziehungen zu seiner Lebensgefährtin erst nach Ausspruch der Ausweisung begründet (EGMR, 30.11.1999 - 34374/97 -, EZAR 935 Nr. 9 = InfAuslR 2000,53 - T. I.). Darüber hinaus kann sich die Ausweisung eines seit seinem fünften Lebensjahr in dem Aufenthaltsstaat lebenden fünfundzwanzigjährigen Ausländers nach den Umständen des Einzelfalls als nicht unverhältnismäßig darstellen, wenn dieser zahlreiche schwere Straftaten begangen hat und zu Jugendstrafen von zusammen mehr als vier Jahren und zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (EGMR, 04.1.0.2001 - 43359/98, demn. EZAR 935 Nr. 12 = NJW 2003, 2595 - Adam).
Nach alledem sind die maßgeblichen Kriterien für die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK neben der Schwere der Straftat die Aufenthaltsdauer des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der Betroffenen, deren familiäre Situation, Hinweise zur Effektivität des Familienlebens und die Kenntnis des Ehegatten von der Straftat bei der Eheschließung (EGMR, 02.08.2001 - 54273/00 -, demn. EZAR 935 Nr. 11 = InfAuslR 2001, 476 - Boultif).
Unter Heranziehung dieser Gesichtspunkte kann die Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltsrechts eines mit einer Inländerin verheirateten Ausländers nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ungerechtfertigt sein, wenn die Straftat bereits mehrere Jahre zurückliegt, der Ausländer nach der Haftentlassung längere Zeit straffrei geblieben ist und seiner Ehefrau ein Famlienleben in seinem Heimatstaat nicht zugemutet werden kann (EGMR, Urteil Boultif, a.a.O.)- eine Fallkonstellation, die der vorliegenden in gewissem Umfang ähnelt.
Nach alledem ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Folgen der Aufenthaltsbeendigung für den Antragsteller nicht mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK unvereinbar sind. Dieser ist im Jahre (...) eingereist, hält sich also erst seit gut zehn Jahren in Deutschland auf, wobei außer dem Zusammenleben mit Ehefrau und Kindern in den letzten Monaten zu berücksichtigen ist, dass er unter mehreren fremden Namen mehrere Asylverfahren betrieben hat, zeitweilig untergetaucht und auch im Ausland war und in den (...) insgesamt achtmal mit Geldstrafen belegt worden ist, meistens wegen kleinerer Diebstähle, zuletzt aber auch wegen des Besitzes von Heroin. Schon aus diesen zahlreichen und nicht unerheblichen Regelverstößen in den ersten Jahren nach der Einreise wird erhellt, dass der Antragsteller keinerlei Anstrengungen unternommen hat, sich in Deutschland zu integrieren, sondern im Gegenteil die Rechtsordnung mehr oder weniger ständig missachtet hat. Vor allem aber sprechen Anzahl und Schwere der seit Beginn des (...) begangenen Drogenstraftaten dafür, dass die mit der Aufenthaltsbeendigung verbundene Trennung des Antragstellers von seiner Familie nicht unverhältnismäßig ist.
Unter diesen Umständen kann der Hinweis des Antragstellers darauf, dass die von ihm begangenen Straftaten schon längere Zeit zurückliegen, nicht zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit der Folgen der Ausweisung herangezogen werden; denn zu der Verzögerung der Strafverfolgung um einige Jahre hat vor allem das eigene Verhalten des Antragstellers entscheidend beigetragen, da dieser unter vier verschiedenen Aliasnamen aufgetreten ist und längere Zeit unbekannten Aufenthalts war. Zudem hat der Antragsteller die Ehe mit seiner irakischen Ehefrau in (...) geschlossen, also einige Jahre nach Begehung der später abgeurteilten Straftaten und damit in Kenntnis der gegen die Gewährung eines Aufenthaltsrechts streitenden öffentlichen Interessen.
Soweit sich der Antragsteller auf das Fehlen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr beruft, hat das Verwaltungsbericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antragsteller bisher wegen der längeren Abwesenheits- und Haftzeiten keine Möglichkeit der Bewährung in Deutschland hatte - er ist im vorigen Jahr auf Bewährung aus der Haft entlassen worden - und sein Verhalten im Strafverfahren dokumentiert, dass er nicht bereit ist, mit der Vergangenheit abzuschließen und reinen Tisch zu machen. Im übrigen war die Ausländerbehörde auch nicht an die, Bewertung des Wiederholungsrisikos durch die Strafvollstreckungskammer gebunden, die den Straffest nach § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt hat.
Auch im Hinblick auf die Interessen der Ehefrau und der gemeinsamen Kinder kann ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht festgestellt werden. Insoweit ist mit dem Verwaltungsgericht darauf hinzuweisen, dass die in der Vergangenheit aufgetretenen Trennungen des Antragstellers von seiner Familie infolge von Auslandsaufenthalten und Haftzeiten die familiäre Bindung des Antragstellers zu seiner Ehefrau und seinen Kindern offenbar nicht nachhaltig beeinträchtigt haben. Deren Interessen an einer Fortführung des gemeinsamen Lebens in Deutschland sind zwar als gewichtig anzusehen, da sowohl die Ehefrau als auch die Kinder asylberechtigt sind und daher nicht gefahrlos im Irak leben können, sondern zum dauernden Aufenthalt in Deutschland berechtigt sind. Ihre Belange haben aber gegenüber den in dem angegriffenen Beschluss dargestellten gewichtigen staatlichen Sicherheitsinteressen zurückzutreten.