OVG Niedersachsen

Merkliste
Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 11.09.2003 - 13 ME 331/03 - asyl.net: M4159
https://www.asyl.net/rsdb/M4159
Leitsatz:

Regelmäßig kein Abschiebungshindernis zugunsten des Vaters eines ungeborenen Kindes (Aufhebung des Beschlusses des VG Oldenburg vom 12.8.2003 - 12 B 2841/03 - (10 S., M4018)).(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Montenegriner, Roma, Abgelehnte Asylbewerber, Dringende humanitäre Gründe, Dringende persönliche Gründe, Familienangehörige, Krankheit, Ungeborene Kinder, Schutz von Ehe und Familie, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AuslG § 55 Abs. 2; AuslG § 55 Abs. 3; GG Art. 6 Abs. 1; VwGO § 123
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht verpflichtet, bis zu der ausländerbehördlichen Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung von dessen Abschiebung nach Serbien/Montenegro abzusehen.

Der am (...) in Podgorica (Montenegro) geborene und zur Volksgruppe der Roma gehörende Antragsteller, der (...) mit seinen Eltern in das Bundesgebiet eingereist ist, ist nach bestandskräftiger Ablehnung seines Asylbebehrens bereits seit (...) vollziehbar ausreisepflichtig.

Der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet ist u.a. wegen Fehlens einer Rücknahmebereitschaft der früheren Bundesrepublik Jugoslawien in der Vergangenheit vorübergehend geduldet worden. Dies gilt auch für die übrigen Mitglieder seiner Familie, die - wie er - sich illegal im Bundesgebiet aufhalten und trotz der geänderten politischen Verhältnisse in ihrer Heimat bisher nicht dazu bereit waren, ihrer Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen. Der nunmehr gegen die zwangsweise Durchsetzung seiner Ausreisepflicht erhobene Einwand des Antragstellers, aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sämtliche Bindungen zu seinem Heimatstaat verloren zu haben, führt nicht dazu, dass er weiterhin im Bundesgebiet geduldet werden müsste. Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass der Antragsteller mit der Entfremdung von den Lebensverhältnissen der früheren Heimat, dem Fehlen von sozialen Kontakte im Land seiner Staatsangehörigkeit und der Kenntnisse der serbischen Sprache das Schicksal vieler anderer ausreisepflichtiger Ausländer teilt, die nach jahrelangem geduldeten Aufenthalt im Bundesgebiet in ihr Heimatland zurückkehren müssen, ohne dass hieraus ein Anspruch auf weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet begründet wird. Die insbesondere geltend gemachten Sprachschwierigkeiten mögen zwar seine Reintegration im Heimatstaat Serbien/Montenegro vorübergehend erschweren, schließen sie in Anbetracht seines Alters von gegenwärtig erst (...) Jahren aber auch nicht aus, zumal dort mehr als 100.000 Roma, die die Sprache des Antragstellers sprechen, leben (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28.7.2003).

Dringende humanitäre oder persönliche Gründe erfordern ebenfalls nicht seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet (§ 55 Abs. 3 AuslG). Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn eine konkrete Lebensgefährdung von Familienangehörigen des Antragstellers als Folge einer auch nur vorübergehenden Trennung ernsthaft zu befürchten wäre (vgl. Hailbronner, AuslR, § 55 AuslG Rn 53). Hierfür liegen keine zureichenden Anhaltspunkte vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich die Familie des Antragstellers aufgrund des Verlustes der nach langer Krankheit im (...) verstorbenen Schwester und der psychischen Labilität seines Vaters, der am (...) aus dem Strafvollzug auf Bewährung entlassen worden ist und nach den Angaben des Antragstellers gegenwärtig im Landeskrankenhaus untergebracht sein soll, in einer schwierigen Lage befindet. In diesem Zusammenhang vermag der Senat aber nicht zu erkennen, dass die (...) Jahre alten Geschwister des Antragstellers, die bei ihrer Mutter leben, ausschließlich auf die Anwesenheit, Lebenshilfe und Betreuung ihres älteren Bruders angewiesen wären.

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die im Januar 2004 zu erwartende Geburt eines mit einer (...)jährigen deutschen Staatsangehörigen gezeugten Kindes, dessen Vater der Antragsteller sein soll, ein rechtliches Abschiebungshindernis darstellt, folgt der Senat nicht. Denn ein gezeugtes, aber noch nicht geborenes Kind entfaltet grundsätzlich keine ausländerrechtliche Schutzwirkungen zugunsten des werdenden Vaters. Es ist ausschließlich von dem Schutz erfasst, den die werdende Mutter beanspruchen kann (Nds. OVG, Beschl. v. 29.4.1999 - 11 M 1826/99 -). Auf die Anwesenheit des biologischen Vaters ist es naturgemäß nicht angewiesen, sondern auf die Verantwortung, den Schutz und die Fürsorge der Mutter für ihr ungeborenes Kind. In diesem Zusammenhang ist lediglich allgemein anerkannt, dass nur eine unmittelbar bevorstehende Niederkunft zu den dringenden humanitären oder persönlichen Gründen im Sinne des § 55 Abs. 3 AuslG gehören kann, wenn beispielsweise der Beistand des Vaters bei einer Risikogeburt oder sonstigen Komplikationen erforderlich ist (vgl. Renner, AuslR in Deutschland, S. 831; GK-AuslR,

§ 55 AuslG Rn. 29). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.