VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 30.05.2003 - 3 UE 858/02.A - asyl.net: M4089
https://www.asyl.net/rsdb/M4089
Leitsatz:

Armenische Volkszugehörige aus Aserbaidschan waren im Zeitpunkt der Ausreise im April 1999 dort Gruppenverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, denen sie sich mangels Erreichbarkeit auch nicht durch Übersiedlung nach Berg-Karabach entziehen konnten (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.09.2001- 6 A 11840/00 ).

Es kann dahinstehen, ob armenische Volkszugehörige heute bei Rückkehr nach Aserbaidschan - ohne Berg-Karabach - dort hinreichend sicher vor erneuten asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen wären, da sie am Ort der inländischen Fluchtalternative - Berg-Karabach - hinreichend sicher vor erneuten asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen sind, dort auch nicht anderen existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sind, die so am Herkunftsort nicht bestünden und die Enklave Berg-Karabach von Deutschland aus unproblematisch über Armenien erreichbar ist ( im Anschluss an OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.12.2002 - 1 L 239/01 -).

Das Bundesamt musste bei Erlass der Abschiebeandrohung den Zielstaat nicht dahingehend beschränken, dass nur eine Abschiebung nach Berg-Karabach in Betracht kommt, da es Sache der Ausländerbehörde bei Vollzug der Abschiebung ist sicherzustellen, dass der Ausländer nur in sichere Gebiete des Abschiebezielstaates verbracht wird ( BVerwG, Urteil vom 16.11.1999 - 9 C 4/99 -). (Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Aserbaidschan, Armenier, Gruppenverfolgung, Interne Fluchtalternative, Berg-Karabach, Sicherheitslage, Versorgungslage, Existenzminimum, Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung, Erreichbarkeit
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 6; AuslG § 50 Abs. 2
Auszüge:

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein hat in dem Urteil vom 12. Dezember 2002 - 1 l 239/01 - a.a.O. zum Vorliegen der inländischen Fluchtalternative zutreffend ausgeführt: " [...]

Bei zusammenfassender Würdigung dieser Erkenntnisse ergibt sich, dass die Existenzbedingungen in Berg-Karabach nicht schlechter, sondern eher besser sind als im übrigen Aserbaidschan (Arbeitslosigkeit, Lebensmittelversorgung, Hunger, Gesundheit). Ursächlich hierfür dürfte u.a. die wirksame Hilfe der zahlungskräftigen armenischen Diaspora sein, die neben humanitärer Hilfe auch Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Straßenbau, Wasserversorgung in Stepanakert, und viele kleinere Projekte in den Dörfern Berg-Karabachs) finanziert und auch direkt in die karabachische Wirtschaft investiert (vgl. dazu Deutsch-Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002 s.o.; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.05.2002, s.o.). Vergleichbar wirksame Hilfeleistungen erhält das übrige Aserbaidschan, das zwar - ebenso wie Berg-Karabach - auch von Hilfsorganisationen humanitäre Hilfe erhält (Bundesamt, Aserbaidschan-Informationen, Stand: Juli 2000), nicht. Die schwierigen Existenzbedingungen in den übrigen Bereichen Aserbaidschans würden nicht dadurch kompensiert, dass der Beigeladene, wenn er nicht aus Aserbaidschan vertrieben worden wäre, in ein Netz von sozialen Beziehungen eingebunden wäre. Eine solche Einbindung würde die wirtschaftlichen Existenzbedingungen nur dann verbessern, wenn in diesem Netz Ressourcen vorhanden wären, an denen der Beigeladene partizipieren könnte. Davon kann angesichts der weit verbreiteten Armut in Aserbaidschan nicht ausgegangen werden."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

Auch aus der persönlichen Situation des Klägers sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die eine andere Bewertung in der Sache gebieten würden.