VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 11.04.2003 - 21 K 8155/01.A - asyl.net: M3881
https://www.asyl.net/rsdb/M3881
Leitsatz:

Keine Asylanerkennung eines staatenlosen Kurden aus Syrien, da keine Rückkehrmöglichkeit besteht.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: Türkei, Yeziden, Kurden, Staatsangehörigkeit, Staatenlose, Einreiseverweigerung, gewöhnlicher Aufenthalt
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

 

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. [...]

Der Kläger ist nach der Auffassung des Gerichts staatenlos und nicht etwa türkischer Staatsangehöriger. Die Frage, ob ihm politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG droht, ist gegenstandslos geworden. Der Status des Klägers richtet sich vielmehr nach dem Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954.

Der Kläger leitet eine ihm drohende politische Verfolgung i.S.v. § 51 Abs. 1 AuslG daraus her, dass er zur Religionsgemeinschaft der Yeziden gehört. Da er türkischer Staatsangehöriger sei, habe sich die Frage einer ihm drohenden politischen Verfolgung nicht nach der Situation in Syrien zu richten, wo er bisher gelebt habe, sondern nach der Situation in der Türkei. In der Türkei drohe ihm als Yezide aber politische Verfolgung in der Form einer mittelbaren Gruppenverfolgung.

Dieser Auffassung vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Es hält insbesondere die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2001 - 8 A 4154/99.A - vorliegend nicht für einschlägig.

Da sowohl der Kläger als auch seine Eltern zu keiner Zeit in der Türkei, sondern stets in Syrien gelebt haben, sind an den Nachweis der behaupteten türkischen Staatsangehörigkeit nach Ansicht der Kammer besondere Anforderungen zu stellen. Es genügt insoweit nicht, wenn der Kläger nachweist, dass seine Großeltern türkische Staatsangehörige waren und von der Türkei nach Syrien ausgewandert sind. Zwar folgte daraus bei strikter Anwendung des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 11. Februar 1964 (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 123. Lieferung vom 30. November 1995), dass auch der Kläger türkischer Staatsangehöriger sein müsste, weil die Staatsangehörigkeit nach Art. 1 des Gesetzes von Vater und Mutter an die Kinder weiter gereicht wird und die in dem Gesetz genannten Erlöschenstatbestände augenscheinlich nicht eingreifen. Zweifelhaft ist aber, ob die zuständigen türkischen Behörden dem Kläger in Anwendung dieser Bestimmungen tatsächlich auch türkische Personalpapiere ausstellen würden. Insofern ist von Bedeutung, dass weder der Kläger noch seine Eltern jemals versucht haben, ihre angebliche türkische Staatsangehörigkeit durch die zuständigen türkischen Behörden feststellen zu lassen. Auch während des Asylverfahrens hat der Kläger nichts unternommen, um sich türkische Personalpapiere ausstellen zu lassen. Er bekennt sich zu seiner türkischen Staatsangehörigkeit auch nicht wirklich, sondern führt diese nur ins Feld, um seine Erfolgsaussichten im Asylverfahren zu verbessern. Vor diesem Hintergrund kann nur spekuliert werden, ob dem Kläger ein Nachweis seiner türkischen Herkunft tatsächlich gelänge, wenn er sich mit dem Anliegen um Ausstellung türkischer Papiere an das türkische Konsulat wendete. Dies muss angesichts der Tatsache, dass die Familie des Klägers bereits seit mehreren Generationen nicht mehr in der Türkei lebt und auch nicht mehr über türkische Personalpapiere verfügt, zumindest bezweifelt werden.

Es erscheint der Kammer auch deshalb folgerichtig, für den Nachweis einer türkischen Staatsangehörigkeit die Vorlage türkischer Personalpapiere zu verlangen, weil der Kläger anderenfalls gar nicht befürchten muss, jemals in die Türkei abgeschoben zu werden. [...]

Der Kläger ist nach Einschätzung des Gerichts staatenlos. Dies schließt das Gericht aus folgenden Überlegungen:

In Syrien leben zahlreiche Kurden, die nicht die syrische Staatsangehörigkeit besitzen. Es gibt die Gruppe der Kurden und deren Nachfahren, die auf Grund der 1962 durch den syrischen Staat vollzogenen Ausbürgerung staatenlos wurden. Der syrische Staat gestattete etwa 120.000 bis 150.000 Personen den Aufenthalt in Syrien. Sie besitzen eigene Personaldokumente (rote bzw. von rosa über orange bis hin zu lila gefärbte Plastikkarten) und werden in einem besonderen Personenstandsregister geführt. Dem betroffenen Personenkreis bleiben staatsbürgerliche Rechte, die Möglichkeit zum Eigentumserwerb von Land sowie die Ausübung selbstständiger Gewerbe untersagt. Sie haben jedoch für die Dauer ihres Aufenthalts in Syrien einen gesicherten Rechtsstatus (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Oktober 2002).

Die zweite Gruppe der Kurden verfügt nicht über diesen Aufenthaltsstatus, sondern hält sich unregistriert in Syrien auf. In einigen Fällen wurde ihnen in der Vergangenheit eine Bescheinigung des örtlichen Bürgermeisters (Dorfvorstehers) ausgestellt, die jedoch nicht als Personal- oder Aufenthaltsdokumente anzusehen ist. Schließlich gibt es als dritte Gruppe die in Syrien lebenden Kurden, die als Flüchtlinge aus der Türkei oder dem Irak anerkannt worden sind (Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes a.a.O.).

Der Kläger gehört der zweiten Gruppe der Kurden an, die ihre Staatenlosigkeit allenfalls durch die Vorlage einer so genannten Bürgermeisterbescheinigung nachweisen können. Die Kammer hat in ständiger Rechtsprechung die Vorlage einer solchen Bürgermeisterbescheinigung zum Nachweis der Staatenlosigkeit ausreichen lassen, wenn es sich um Kurden handelt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor ihrer Ausreise im syrischen Grenzgebiet zur Türkei hatten (vgl. Urteil der Kammer vom 17. Februar 2003 - 21 K 622/02.A -). [...]

Aus der Staatenlosigkeit des Klägers sind folgende Schlüsse zu ziehen:

Streitgegenstand der Anerkennung als politischer Flüchtling ist grundsätzlich die Frage, ob dem Betreffenden in seinem Heimatstaat - das ist der Staat, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt - oder, bei Staatenlosigkeit, im Land des gewöhnlichen Aufenthaltes für den Fall seiner Wiedereinreise politische Verfolgung droht. Dies setzt einen Staat voraus, in den der Asylbewerber in rechtlich zulässiger Weise zurückkehren kann. Ist dies nicht der Fall und ist dem Betreffenden die Wiedereinreise durch den Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er sich mit dessen Billigung bisher ständig aufhielt, aus Gründen versagt, die mit den nach Artikel 16 a GG asylerheblichen Merkmalen in keinem Zusammenhang stehen, kann er auch dann nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, wenn ihm in seinem bisherigen Aufenthaltsstaat die Gefahr politischer Verfolgung droht. Dasselbe gilt für die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27.3.2001 - 2 L 2505/98 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.9.2001 - A 2 S 26/98 -; OVG Saarlouis, Beschluss vom 13. September 2002 - 3 R 3/02 -).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger zur Gruppe der staatenlosen Kurden aus Syrien gehört, die über keinen gesicherten Aufenthaltsstatus verfügen. Die Wiedereinreise nach Syrien ist ihm derzeit und in absehbarer Zeit nicht möglich. Denn für Kurden ohne gesichertes Aufenthaltsrecht ist davon auszugehen, dass ihnen, falls sie Syrien ohne Erlaubnis verlassen haben, eine Rückkehr in dieses Land im Regelfall nicht gestattet wird (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes a.a.O.).

Ein Staat aber, der einem Staatenlosen die Wiedereinreise verweigert, nachdem er das Land verlassen hat, löst damit die Beziehungen zu dem Staatenlosen und hört damit auf, für ihn das Land des gewöhnlichen Aufenthalts zu sein (Vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.).

Dieser Staat steht dem Staatenlosen dann in gleicher Weise gegenüber wie jeder andere auswärtige Staat. Unter asylerheblichen Gesichtspunkten ebenso wie im Hinblick auf § 51 Abs. 1 AuslG ist es dann unerheblich, ob dem Staatenlosen im früheren Aufenthaltsland politische Verfolgung droht.

Da Syrien aus statusrechtlichen und wirtschaftlichen Gründen die Wiedereinreise staatenloser Kurden nach der für sie illegalen Ausreise generell verweigert, mangels asylrechtlicher Relevanz dieser Verweigerung als Verfolgerstaat aber ausscheidet, haben davon betroffene staatenlose Kurden generell keinen Asylanspruch, ebenso wenig einen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 13. September 2002 - 3 R 3/02 -; OVG Magdeburg, Urteil v. 27.06.2001 - A 3 S 461/98 -). [...]