VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Beschluss vom 18.03.2002 - 8 K 521/02 - asyl.net: M3427
https://www.asyl.net/rsdb/M3427
Leitsatz:

1. Eine Verpflichtungserklärung nach § 84 AuslG steht einem Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nach dessen § 8 Abs. 1 nur entgegen, wenn der Leistungsberechtigte von demjenigen, der die Erklärung im Sinne von § 84 AuslG ; abgegeben hat, tatsächlich Leistungen erhält.

2. Nach türkischem Recht, das nach Art. 18 Abs. 1 EGBGB maßgeblich sein kann, kann zwischen Geschwistern ein Unterhaltsanspruch bestehen, der nach § 8 AsylbLG den Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz ausschließt. (amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Asylbewerber, Asylbewerberleistungsgesetz, Verpflichtungserklärung, Unterhaltsleistungen, Unterhaltsanspruch, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Einstweilige Anordnung
Normen: AsylbLG § 8 Abs. 1; AuslG § 84 Abs. 1 S. 1; EGBGB Art. 18 Abs. 1; VwGO § 123
Auszüge:

Der Antragsteller ist Asylbewerber und gehört damit zu den Leistungsberechtigten im Sinne von § 1 Abs.1 Nr.1 AsylbLG. Aus der der Kammer vorliegenden Akte des Enzkreises und den Erklärungen der Beteiligten im Verfahren ist zu entnehmen, dass die Beteiligten überstimmend davon ausgehen, dass der Lebensunterhalt des Antragstellers im hier maßgeblichen Zeitraum ab dem xxxxxxxxxx nicht tatsächlich durch Leistungen seines Bruders xxx sicher gestellt wird. Vielmehr lehnt das Landratsamt Enzkreis die Bewilligung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz allein deshalb ab, weil sich der Bruder des Antragstellers in der Erklärung nach §§ 82 - 84 AuslG vom xxxxxxxxxx dazu verpflichtet hat, die Hin- und Rückreisekosten seines von ihm eingeladenen Bruders sowie dessen Unterhaltskosten während des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG bestimmt, dass Leistungen nach diesem Gesetz nicht gewährt werden, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere aufgrund einer Verpflichtung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 des Ausländergesetzes gedeckt wird. Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ("gedeckt wird") ist aber zu schließen, dass eine Erklärung eines Dritten nach § 84 Abs. 1 AuslG dem Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG nicht entgegensteht, wenn dieser Dritte, wie im vorliegenden Fall, einem Berechtigten im Sinne von § 1 AsylbLG tatsächlich keinen Unterhalt zahlt.

Die Erklärung nach § 84 Abs. 1 AuslG begründet für den betreffenden Ausländer selbst keinen unmittelbaren Anspruch auf Unterhaltsleistungen gegen den Erklärenden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl.v. 19.11.1993-6S2371/93-, InfAuslR 1994, 52f.; Bay.VGH, Urt. v. 23.02.1994, NVwZ-RR 1994, 450). Dementsprechend ist für den Bereich der Sozialhilfe anerkannt, dass dem Anspruch auf Sozialhilfe des betreffenden Ausländers nicht im Sinne von § 2 Abs. 1 BSHG entgegen gehalten werden kann, er habe aufgrund der Erklärung im Sinne von § 84 Abs. 1 AuslG Ansprüche gegen den Erklärenden, die dem Anspruch auf Sozialhilfe ("bereite Mittel") vorgingen (vgl. VGH Bad.-Württ. und Bay. VGH, a.a.O.). Für die Anwendung der vergleichbaren Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG bedeutet dies, dass der Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur ausgeschlossen ist, wenn die Unterhaltsleistungen des Erklärenden dem Leistungsberechtigten tatsächlich zufließen (LPK-BSHG, AsylbLG, § 8, Rn.4). Da der Bruder des Antragstellers diesem keine tatsächlichen Leistungen erbringt, steht § 8 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nach den vorstehenden Ausführungen dem Leistungsanspruch des Antragstellers nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht entgegen.

Zwar kann es nach derzeitiger Sach- und Rechtslage nicht als ausgeschlossen angesehen werden, dass der Antragsteller gegen seinen Bruder einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch hat, der die Leistungsverpflichtung entsprechend § 8 Abs. 1 AsylbLG ausschließt. Da das deutsche Recht eine Unterhaltsverpflichtung zwischen Verwandten in der Seitenlinie nicht kennt, richtet sich das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs gemäß Art. 18 Abs.1 Satz2 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem beide Beteiligten des Unterhaltsverhältnisses angehören. Nach dem danach maßgeblichen Bürgerlichen Gesetzbuch der Türkei vom 17. Februar 1926 (Art. 315 und 316) sind Brüder unterhaltspflichtig, wenn der Bruder ohne die Unterstützung in Not geraten würde und der Verpflichtete sich "in günstigen Verhältnissen" befindet. Im Hinblick auf die persönliche und wirtschaftliche Situation des Bruders des Antragstellers findet sich in der vom Landratsamt Enzkreis vorgelegten Akte aber keinerlei Hinweis. Angesichts der besonderen Eilbedürftigkeit der Entscheidung scheiden aber auch Maßnahmen des Gerichts zur Klärung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bruders des Antragstellers aus.

Da der Lebensunterhalt des Antragstellers derzeit weder durch Leistungen seines Bruders noch aufgrund von Leistungen des Antragsgegners gesichert ist, ist auch der für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.