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VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.03.2021 - 11 S 120/21 - asyl.net: M29430
https://www.asyl.net/rsdb/M29430
Leitsatz:

Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis vom Inland aus nach Ablauf des vorherigen Aufenthaltstitels:

"1. Eine Aufenthaltserlaubnis kann grundsätzlich auch dann nicht vom Inland aus beantragt werden, wenn der Ausländer zwar mit dem dafür erforderlichen Visum eingereist ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), das Visum zum Zeitpunkt des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aber bereits erloschen war. Aus § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV folgt, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Aufenthaltstitel voraussetzt, wenn nicht eine Ausnahmeregelung die Antragstellung im Inland zulässt.

2. Versäumt ein sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender und hier einer Beschäftigung nachgehender Ausländer fahrlässig, vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels rechtzeitig zu beantragen, liegt in einem daraus folgenden Verstoß gegen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes nicht ohne Weiteres eine nicht nur geringfügige Rechtsverletzung im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Visum, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Ausländerstrafrecht, Ablauf der Gültigkeitsdauer, Antrag vom Inland aus, Ausweisung, Ausweisungsinteresse, nicht nur geringfügige Rechtsverletzung, Abschiebung, Einreise- und Aufenthaltsverbot
Normen: AufenthG § 4, AufenthG § 4a, AufenthG § 5, AufenthG § 11, AufenthG § 19c, AufenthG § 50, AufenthG § 53, AufenthG § 54, AufenthG § 60a, AufenthG § 81, AufenthG § 95, AufenthG § 99, AufenthV § 39, BeschV § 26, StPO § 153
Auszüge:

[...]

(1) Der Erteilung einer vorliegend allein in Betracht kommenden Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 26 Abs. 2 Satz 1 BeschV ohne vorherige Ausreise des Antragstellers steht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung das zuvor erteilte Visum bereits erloschen war (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und der Antragsteller die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht vom Inland aus beantragen kann. Eine Aufenthaltserlaubnis kann grundsätzlich auch dann nicht vom Inland aus beantragt werden, wenn der Ausländer zwar mit dem dafür erforderlichen Visum eingereist ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), das Visum zum Zeitpunkt des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aber bereits erloschen war. Aus § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV folgt, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Aufenthaltstitel voraussetzt (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 18.09.2020 - 10 CE 20.1914 -, juris Rn. 31), wenn nicht eine Ausnahmeregelung die Antragstellung im Inland zulässt. [...]

Indem der Antragsteller vor Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Visums keinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellte, hielt er sich unerlaubt im Bundesgebiet auf und war jedenfalls zunächst unerlaubt erwerbstätig. Damit hat er gegen § 4 Abs. 1 und 3 AufenthG in der bis zum 29. Februar 2020 geltenden Fassung dieser Bestimmungen (vgl. heute § 4 Abs. 1 und § 4a Abs. 1 und 3 AufenthG) sowie gegen § 50 Abs. 1 AufenthG verstoßen. Dieser Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften ist angesichts der dem Senat bekannten Umstände des vorliegenden Falls jedoch geringfügig.

Versäumt ein sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender und hier einer Beschäftigung nachgehender Ausländer fahrlässig, vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels rechtzeitig zu beantragen, liegt in einem daraus folgenden Verstoß gegen die genannten Bestimmungen nicht ohne Weiteres eine nicht nur geringfügige Rechtsverletzung im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich, dass das Versäumnis des Antragstellers ein den anderen in § 54 Abs. 2 AufenthG genannten Tatbeständen vergleichbares Gewicht aufweisen könnte. Ins-besondere vermag der Senat nicht zu erkennen, wie das Landratsamt in der im angegriffenen Bescheid formulierten Auffassung gelangt ist, der Antragsteller habe "wissentlich oder zumindest grob fahrlässig" gehandelt. Der vom Landratsamt festgestellte Sachverhalt trägt eine solche Einschätzung nicht. [...]