Ruhen der elterlichen Sorge des Vaters bei Kindernachzug:
Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge des eritreischen Vaters und Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die eritreische Mutter, da der Vater seit dem Jahr 2006 keinen Kontakt mehr zur Familie hat, die Mutter in Deutschland als Flüchtling anerkannt ist und die Kinder sich schutzlos im Sudan befinden.
(Leitsätze der Redaktion)
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Die Antragstellerin ist eritreische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Hamburg. Ihr wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (Blatt 45 der Akte). Die Antragstellerin ist ausweislich eines am ... erstellten Abstammungsgutachtens (Blatt 31 der Akte) die Mutter der beiden betroffenen Kinder, die ebenfalls eritreische Staatsangehörige sind und sich in einem Flüchtlingskamp im Sudan aufhalten (Blatt 46 und 102 der Akte). Mit dem Vater der Kinder, dem hiesigen Antragsgegner, war und ist die Antragstellerin nicht verheiratet. Sie hat ausweislich ihrer an Eides statt versicherten Angaben in der persönlichen Anhörung durch das Gericht am 02.12.2020 seit dem Jahr 2006 keinen Kontakt zum Antragsgegner, sein Aufenthalt ist ihr und dem Gericht unbekannt.
Die Antragstellerin bemüht sich seit geraumer Zeit um den Familiennachzug ihrer Kinder. Wegen des von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Khartoum abgelehnten Antrages auf Erteilung eines Visums für die Kinder (Blatt 17 und 73 der Akte) ist beim Verwaltungsgericht Berlin ein Verwaltungsstreitverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland anhängig (Blatt 19 ff. und 75 ff. der Akte). Die mit dem Visumsverfahren seinerzeit befasste Behörde für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg vertritt die Auffassung, der Antragsgegner sei auch dann, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind oder waren, gemeinsam mit der Mutter sorgeberechtigt (Schreiben von ..., Blatt 36 und 92 der Akte). Diese Auffassung macht sich das Auswärtige Amt im Verwaltungsstreitverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin zu eigen (Schriftsatz vom ..., Blatt 21 und 78 der Akte). [...]
Die internationale Zuständigkeit des Gerichts beruht auf § 99 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Die deutschen Gerichte sind für die beantragte Sorgerechtsregelung zuständig, weil die Antragstellerin anerkannter Flüchtling mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ist und beide Kinder unter Berücksichtigung von Art. 6 GG der Fürsorge durch ein deutsches Gericht bedürfen. Weder von eritreischen noch von sudanesischen Gerichten kann Rechtsschutz für die betroffenen Kinder erwartet werden. Eritreische Gerichte sind international nicht zuständig, weil weder die Antragstellerin noch die betroffenen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Eritrea haben. Sudanesische Gerichte werden eine internationale Zuständigkeit aller Voraussicht nach verneinen, weil der Sudan kein Vertragsstaat des KSÜ ist, der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Kinder mit dem Vater in Eritrea lag und der aktuelle Aufenthalt des Vaters unbekannt ist. Auf die Einschätzung des Flüchtlingshilfswerks UNHCR vom 20.10.2020 (Blatt 35 und 91 der Akte) wird Bezug genommen. [...]
Die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge des Vaters beruht auf § 1674 Abs. 1 BGB.
Dabei kann dahinstehen, ob die Auffassung der Innenbehörde Hamburg und des Auswärtigen Amtes, wonach auch ohne Eheschließung der Eltern nach eritreischem Heimatrecht gemeinsame elterliche Sorge für die Kinder besteht, zutrifft. Wenn dies nicht so wäre, wäre die Alleinsorge der Mutter ohnehin gemäß § 1626 a Abs. 3 BGB festzustellen. Wenn aber gemeinsame elterliche Sorge besteht, ist antragsgemäß festzustellen, dass die elterliche Sorge des Antragsgegners für beide Kinder ruht, denn der Antragsgegner, zu dem nach dem glaubhaft gemachten Vortrag der Antragstellerin seit 14 Jahren kein Kontakt besteht, kann die elterliche Sorge auf längere Zeit tatsächlich nicht ausüben. [...]