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OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.12.2020 - 2 S 47/20 - asyl.net: M29325
https://www.asyl.net/rsdb/M29325
Leitsatz:

Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Nebenbestimmung einer Duldung:

Rechtsbehelfe gegen Nebenbestimmungen zur Duldung haben in Brandenburg aufschiebende Wirkung, da sie nicht dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden nach § 16 VwVGBbg unterliegen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Duldung, Widerspruch, Nebenbestimmung, Suspensiveffekt, Brandenburg, auflösende Bedingung, Rechtsbehelf, Rechtsmittel,
Normen: VwVGBbg § 16, VwVGBbg § 1, VwGO § 80 Abs. 2
Auszüge:

[...]

2 a) Zu Recht beanstanden die Antragsteller die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Widerspruch gegen die Nebenbestimmung zu den ihnen erteilten Duldungen ("Die Duldung erlischt mit Bekanntgabe des Abschiebungstermins") entfalte nach § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 16 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (im Folgenden nur: Verwaltungsvollstreckungsgesetz bzw. VwVGBbg) keine aufschiebende Wirkung. [...]

4 Die Antragsteller wenden jedoch zu Recht ein, dass die Vorschrift des § 16 VwVGBbg im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

5 Nach dieser Bestimmung, mit der das Land von der verwaltungsprozessualen Ermächtigung des § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO Gebrauch gemacht hat, haben Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden richten, keine aufschiebende Wirkung. Die Regelung kommt hier jedoch nicht zur Anwendung, da der Geltungsbereich des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes nach § 1 VwVGBbg nicht eröffnet ist.

6 Zutreffend weisen die Antragsteller darauf hin, dass ein Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVGBbg nicht vorliegt. Danach gilt das Verwaltungsvollstreckungsgesetz nur für die Vollstreckung von Verwaltungsakten der Behörden des Landes Brandenburg, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (Nr. 1) sowie von Verwaltungsakten sonstiger Behörden, die die in Nummer 1 genannten Behörden um Vollstreckungshilfe ersuchen (Nr. 2).

7 Das vorliegende Verfahren betrifft indes nicht die Vollstreckung eines Verwaltungsakts einer Landesbehörde (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwVGBbg), sondern die Vollstreckung der gesetzlichen Ausreisepflicht nach § 50 AufenthG, der die Antragsteller seit der Zustellung der ihre Asylanträge (als offensichtlich unbegründet) ablehnenden Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge unterliegen und die mit dem Ablauf der in den dazu ergangenen Abschiebungsandrohungen gesetzten Ausreisefrist vollziehbar geworden ist (vgl. Bergmann in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 34 AsylG Rn. 6 f.; zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der gegen die Ablehnung des Asylantrags gerichteten Klage vgl. § 75 Abs. 1 AsylG).

8 Ebenso wenig liegt der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwVGBbg geregelte Fall vor, dass eine Behörde des Landes Brandenburg von einer sonstigen Behörde um Vollstreckungshilfe ersucht wurde, denn die Ausländerbehörden des Landes werden, wovon auch der Antragsgegner ausdrücklich ausgeht, bei der Vollziehung der Abschiebung nicht aufgrund eines Ersuchens einer anderen Behörde, sondern aufgrund ihrer originären, gesetzlich durch § 71 Abs. 1 AufenthG begründeten Zuständigkeit tätig.

9 Der Geltungsbereich des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ist schließlich nicht durch § 1 Abs. 2 oder 3 VwVGBbg eröffnet. Insbesondere greift die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 2 VwVG nicht ein, nach der das Verwaltungsvollstreckungsgesetz – in Abgrenzung von den Fällen, in denen auf die Verwaltungsvollstreckung Bundesrecht anzuwenden ist (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 VwVG) – gilt, soweit Bundesrecht die Länder ermächtigt zu bestimmen, dass die landesrechtlichen Vorschriften über die Verwaltungsvollstreckung anzuwenden sind. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO enthält keine solche Ermächtigung, denn es handelt sich um eine verwaltungsprozessuale, die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen betreffende Regelung, nicht aber um eine an die Länder adressierte Ermächtigung, anstelle einer bundesrechtlichen Vorschrift über die Verwaltungsvollstreckung die Anwendung landesrechtlicher Regelungen zu bestimmen (zu dem Problem der Aufnahme landesrechtlicher Regelungen zum Fortfall der aufschiebenden Wirkung in Verwaltungsvollstreckungsgesetze, die nur die Vollstreckung von Verwaltungsakten regeln, s.a. Funke-Kaiser, a.a.O., § 59 Rn. 262 f.; Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 68; Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2020, § 80 Rn. 186, 195).

10 b) Da keine andere Vorschrift ersichtlich ist, die gemäß § 80 Abs. 2 VwGO zum Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die streitgegenständlichen Nebenbestimmungen führt, ist entsprechend ihrem Hauptantrag in analoger Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO (vgl. dazu etwa Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 80 Rn. 181) festzustellen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat. [...]