Einstweiliger Rechtsschutz bei verspätet gestelltem Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis:
"Wird der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, so führt nur die Anordnung der Fortgeltungswirkung durch die Behörde dazu, dass die Ablehnung des Antrags eine Fiktionswirkung beendet und ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist."
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
10 Ein Fall des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor, weil der Verlängerungsantrag nicht vor, sondern nach dem Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis am 31. März 2020 konkludent durch Einreichung von Unterlagen am 3. April 2020 gestellt wurde. Die Antragsgegnerin hat die Fiktionswirkung nicht gemäß § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG angeordnet. In dem angefochtenen Bescheid hat sie die Anordnung ausdrücklich abgelehnt. Sie hat eine solche Anordnung auch zu keinem anderen Zeitpunkt getroffen.
11 Dass die Antragstellerin vor Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis keine Gelegenheit zu persönlicher Vorsprache bei der Ausländerbehörde hatte, steht einem der Fälle des § 81 Abs. 4 AufenthG nicht gleich. Wird der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, so führt nur die Anordnung der Fortgeltungswirkung durch die Behörde dazu, dass die Ablehnung des Antrags eine Fiktionswirkung beendet und ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist. Gemäß § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen, wenn der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt wurde. Daraus folgt, dass die Fiktionswirkung bei verspäteter Antragstellung nicht von Gesetzes wegen eintreten kann, sondern durch die Regelung eines Verwaltungsakts herbeigeführt wird (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 81 Rn. 109 (Jan. 2019)). Hätte der Gesetzgeber den Eintritt der Fiktionswirkung nicht von einer behördlichen Anordnung abhängig machen wollen, hätte er eine dem § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vergleichbare Regelung treffen oder die in der Rechtsprechung zur früheren Fassung des § 81 Abs. 4 AufenthG vertretene Auffassung zum Gesetzesinhalt machen können, wonach die Fiktionswirkung auch dann greifen sollte, wenn noch ein innerer Zusammenhang zwischen dem Ablauf der Geltungsdauer des Titels und dem Antrag besteht bzw. eine leichte Verspätung vorliegt (vgl. die Nachweise bei BVerwG, Urt. v. 22.6.2011 - 1 C 5.10 -, BVerwGE 140, 64, juris Rn. 15; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 81 Rn. 87 (Jan. 2019)). Die Statthaftigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund der Fiktionswirkung einen bestimmten rechtlichen Status innehat, welcher durch die Ablehnung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis beendet wird. Ohne einen die Fiktionswirkung anordnenden Verwaltungsakt ist dieser Status nicht begründet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.9.2014 - OVG 11 S 49.14 -, juris Rn. 5; a.A. ("wohl") VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.5.2013 - 11 S 785/13 -, VBlBW 2013, 466, juris Rn. 17). Auch wenn die Ablehnung der Anordnung der Fiktionswirkung rechtswidrig ist, kann die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nur dadurch beseitigt werden, dass der Betroffene die Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Anordnung der Fiktionswirkung im Wege der einstweiligen Anordnung durchsetzt (vgl. Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 81 AufenthG Rn. 49). Wollte man die Fiktionswirkung trotz verspäteter Antragstellung auf anderem Wege als durch den Erlass eines Verwaltungsakts eintreten lassen, liefe das auf einen im allgemeinen öffentlichen Recht nicht anerkannten (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.10.1997 - 3 C 35.96 -, BVerwGE 105, 288, juris Rn. 49 m.w.N.) Herstellungsanspruch hinaus. [...]