LG Landshut

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Zitieren als:
LG Landshut, Beschluss vom 02.10.2020 - 62 T 2958/20 - asyl.net: M28937
https://www.asyl.net/rsdb/M28937
Leitsatz:

Keine vorläufige Ingewahrsamnahme zur Sicherung einer Dublin-Überstellung:

1. Die vorläufige Ingewahrsamnahme nach § 62 Abs. 5 AufenthG umfasst nur Freiheitsentziehungen zum Zwecke der Abschiebungshaft, nicht jedoch zum Zweck der Beantragung einer Haft nach der Dublin III-Verordnung.

2. Die hierdurch bedingte gesetzliche Regelungslücke bestand bis zum Inkrafttreten des sogenannten Geordnete-Rückkehr-Gesetz zum 21.08.2019, wonach § 2 Abs. 14 S. 3 AufenthG neu eingeführt wurde.

3. Die vorläufige behördliche Ingewahrsamnahme zur Sicherung der Dublin-Überstellung im vorliegenden Verfahren erfolgte am 15.05.2019 und ist deshalb mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Überstellungshaft, Festnahme, Ingewahrsamnahme, Haftbeschluss, Dublin III-Verordnung, Rechtsgrundlage,
Normen: AufenthG § 62 Abs. 5, AufenthG § 2 Abs. 14 S. 3, VO 604/2013/EU Art. 28 Abs. 2, FamFG § 62 Abs. 1, GG Art. 104 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die vorläufige Ingewahrsamnahme der Betroffenen durch die Behörde am 15.05.2019 erfolgte ohne entsprechende Rechtsgrundlage.

Zu diesem Zeitpunkt bestand insofern eine gesetzliche Regelungslücke im Hinblick auf das Verfahren auf Anordnung von Haft gemäß Art. 28 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatenangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III-Verordnung).

Ausweislich der Gesetzesbegründung zu dem ab 21.08.2019 wirksam neu eingeführten § 2 Abs. 14 S. 3 AufenthG ergibt sich, dass die vorläufige Ingewahrsamnahme bzw. das Festhalten ohne vorherige richterliche Anordnung in der Dublin III-Verordnung nicht abschließend geregelt sei, weswegen durch die Gesetzesänderung eine Regelung eingeführt werde, welche sich an § 62 Abs. 5 AufenthG orientiere (BT-Drucksache 19/10047, Seite 30).

Da die Vorschrift des § 62 Abs. 5 AufenthG behördliche Freiheitsentziehungen zum Zwecke der Abschiebungshaft regelt und gerade Festnahmen zum Zweck der Beantragung der Haft nach der Dublin III-Verordnung nicht erfasst (Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Auflage 2016, Rdnr. 30), war folglich eine entsprechende Anwendung dieser Norm ausgeschlossen.

Im Hinblick auf Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG hätte die Betroffene somit zum damaligen Zeitpunkt nicht ohne vorherige richterliche Entscheidung in Gewahrsam genommen werden dürfen.

Es war daher gemäß § 62 Abs. 1 FamFG festzustellen, dass die Betroffene durch die angefochtene rechtswidrige Maßnahme in ihren Rechten verletzt wurde. [...]