VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 03.08.2020 - A 4 K 466/17 - asyl.net: M28780
https://www.asyl.net/rsdb/M28780
Leitsatz:

Zum Beurteilungszeitpunkt für die Minderjährigkeit der stammberechtigten Person beim Familienasyl:

"Für die Minderjährigkeit der Person, von der die Asylberechtigung bzw. die Flüchtlingseigenschaft von Eltern bzw. Geschwistern abgeleitet werden soll, sowie für das Innehaben der Personensorge der Eltern kommt es nicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, sondern auf einen früheren Zeitpunkt an, entweder den der Anbringung des Asylgesuchs oder den der förmlichen Asylantragstellung durch die Eltern bzw. Geschwister (vgl. u.a. VG Karlsruhe, Urt. v. 08.02.2018 - A 2 K 7425/16 -, juris, Rn. 20 ff.; a.A. OVG NW, Urt. v. 13.03.2020 - 14 A 2778/17.A -, juris, Rn. 53 ff.)."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Familienschutz, minderjährig, Beurteilungszeitpunkt, Familienangehörige,
Normen: AsylG § 26 Abs. 3 S.1, AsylG § 26 Abs. 5, AsylG § 77 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

18 Denn jedenfalls ist ihnen die Flüchtlingseigenschaft abgeleitet vom Sohn ... der Familie gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 AsylG i.V.m. § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG (hinsichtlich des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2) und § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG (hinsichtlich der Klägerinnen zu 3 und 4) zuzuerkennen. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften (vgl. dazu schon das rechtskräftige Urteil der Kammer vom 15.01.2020 - A 4 K 10667/17 -) liegen vor.

19 Gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 AsylG sind die Vorschriften des § 26 Abs. 1 bis 4 AsylG über die Zuerkennung von Familienasyl auf Familienangehörige von internationalen Schutzberechtigten entsprechend anzuwenden, wobei an die Stelle der Asylberechtigung die Flüchtlingseigenschaft (oder der subsidiäre Schutz) tritt. Anzuwenden ist deshalb hinsichtlich der Eltern § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Die dort in den Nummern 1 bis 5 geregelten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status (hier als Flüchtlinge) liegen vor. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den im Zeitpunkt des Asylantrags der Eltern noch minderjährigen Sohn ... ist unanfechtbar. Die Familie hat schon in Syrien, dem Verfolgerstaat, bestanden. Die Eltern haben den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den Sohn zu widerrufen oder zurückzunehmen wäre, sind nicht ersichtlich. Im Zeitpunkt seines Asylgesuchs hatten die Eltern auch die Personensorge für ihren damals noch minderjährigen Sohn inne. Hinsichtlich der Klägerinnen zu 3 und 4 gilt gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG das Gleiche. Auch sie waren im Zeitpunkt ihrer Asylantragstellung noch minderjährig.

20 Entgegen teilweise vertretener Auffassung ist insoweit nicht hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale gemäß § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung abzustellen. Vielmehr kommt es für die Minderjährigkeit der Person, von der die Asylberechtigung bzw. die Flüchtlingseigenschaft abgeleitet werden soll, sowie für das Innehaben der Personensorge (Nr. 5) des Elternteils auf einen früheren Zeitpunkt an, nämlich entweder den der Anbringung des Asylgesuchs oder den der förmlichen Asylantragstellung an; in jedem Fall war der Sohn des Klägers damals noch minderjährig (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt u.a. VG Karlsruhe, Urt. v. 08.02.2018 - A 2 K 7425/16 -, juris, Rn. 20 ff.; Eppel, in: GK Asylrecht, § 26, Rn. 62, und Hailbronner, Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 75 ff., jeweils mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; vgl. auch die Erwägungen in BVerwG, EuGH-Vorlagebeschl. v. 15.08.2019 - 1 C 32.18 -, juris, Rn. 18 zur Ableitung der zuerkannten Flüchtlingseigenschaft im Unterschied zur Ableitung des zuerkannten subsidiären Schutzes). [...]