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VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 27.07.2020 - 7 B 1459/20 - asyl.net: M28755
https://www.asyl.net/rsdb/M28755
Leitsatz:

Erlöschen der Ausbildungsduldung bei Ausreise:

"Durch § 60c Abs. 8 AufenthG [, der auf § 60a AufenthG verweist,] wird klargestellt, dass § 60c AufenthG keine abschließenden Regelungen für die Ausbildungsduldung enthält.

Eine Ausbildungsduldung erlischt neben den in § 60c Abs. 4, Abs. 2 Nr. 4 AufenthG genannten Fällen gemäß §§ 60c Abs. 8, 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG auch im Falle einer Ausreise."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Erlöschen, Wiedereinreise, Ausreise,
Normen: AufenthG § 60c Abs. 8, AufenthG § 60a Abs. 5 S. 1,
Auszüge:

[...]

1. Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Fortbestands der ihm am 6. September 2019 erteilten Duldung besteht nicht. Denn die ihm vom Antragsgegner zu 1) erteilte Duldung zur Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der Fassung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I 2017, S. 2780; im Folgenden: AufenthG 2017) ist durch die Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet am 3. Januar 2020 erloschen. Die ergibt sich aus §§ 60c Abs. 8, 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 8. Juli 2019 (Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung, BGBl. I 2019, S. 1021). [...]

Entgegen der Auffassung des Antragstellers stellen die in § 60c Abs. 4, Abs. 2 Nr. 4 AufenthG für das Erlöschen einer Ausbildungsduldung normierten Gründe keine abschließende Regelung dar.

Aus dem Wortlaut des § 60c Abs. 8 AufenthG geht hervor, dass neben den in § 60c Abs. 1 bis Abs.7 AufenthG für eine Ausbildungsduldung geschaffenen speziellen Regelungen die in § 60a AufenthG enthaltenen allgemeinen Vorgaben für die vorübergehende Aussetzung einer Abschiebung (Duldung) unberührt bleiben. Dies gilt auch für die Regelung des § 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Danach erlischt die Aussetzung der Abschiebung mit der Ausreise des Ausländers. Hieraus folgt, dass § 60c Abs. 1 Satz 1 AufenthG keine abschließenden Regelungen für die Ausbildungsduldung enthält. Sie trifft lediglich zusätzliche spezielle Vorgaben, ohne die Anwendung des § 60a AufenthG auszuschließen.

Nach § 60c Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Duldung zur Ermöglichung einer Ausbildung des Ausländers „eine Duldung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG“. Es handelt sich also um eine Duldung aus dringenden persönlichen Gründen im Sinne von § 60a AufenthG. Erfüllt die beabsichtigte Ausbildung die in § 60c AufenthG genannten Anforderungen, sind die dringenden persönlichen Gründe zu bejahen. In diesen Fällen wird das für die Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG bestehende Ermessen der Behörde durch einen Rechtsanspruch des Ausländers auf Erteilung der Duldung zum Zwecke der Ausbildung ersetzt (Welte, Aufenthaltsgesetz, Stand: Juni 2020, § 60c Rdnr. 8).

Die Anwendbarkeit des Erlöschenstatbestands in § 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG bei einer nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG 2017 erteilten Ausbildungsduldung wird entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts durch eine historische Auslegung bestätigt. Die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzesentwurf vom 13. März 2019 (BT-Drs. 19/8286; verabschiedete Fassung in BT-Drs. 19/10707) ausgeführt, die Gesetzesänderung habe zum Ziel, besondere Fallgruppen der Duldung aus dem allgemeinen Duldungstatbestand des § 60a AufenthG in eigene Vorschriften zu überführen und neu zu strukturieren. Dadurch soll deren Anwendung vereinfacht werden. Zu der beabsichtigten Einfügung von §§ 60b, 60c in das Aufenthaltsgesetz wird auf Seite 15 der Drucksache darauf hingewiesen, dass die Ausbildungsduldung mit einer Ausreise erlischt.

Mithin greift der in § 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG normierte Erlöschensgrund der Ausreise auch in den Fällen einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG ein (so auch: Welte, a.a.O. § 60c Rdnr. 98; Röder/Wittmann, Spurenwechsel leicht gemacht?, Beilage zum Asylmagazin 8-9, S. 23, S.30 Fn 56). [...]

b) Der Antragsteller vertritt weiter die Auffassung, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG für das Erlöschen einer Duldung lägen nicht vor. Denn sein nur zehn Tage dauernder Besuch bei seiner Familie im Kosovo werde von dieser Regelung nicht erfasst. Dieser Sachverhalt sei rechtlich nicht als Ausreise zu bewerten. Eine Ausreise sei nur bei einer langfristigen oder endgültigen Rückkehr ins Heimatland anzunehmen. Eine kurzfristige Reise in den Herkunftsstaat führe nur in dem in § 33 Abs. 3 AsylG geregelten Sonderfall zum Verlust des Aufenthaltsstatus. Danach gilt der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer während des Asylverfahrens in seinen Herkunftsstaat gereist ist. Dieser Auffassung des Antragstellers ist nicht zu folgen.

Eine Ausreise, die zum Erlöschen der Duldung führt, liegt bei jedem Verlassen des Bundesgebiets vor. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob die Ausreise nur vorübergehender Natur ist (Kloesel/Christ /Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Stand März 2020, § 60a Rdnr. 83). Die Erteilung einer Duldung hat keinen Einfluss auf den Fortbestand der vollziehbaren Ausreisepflicht. Mit der Duldung wird lediglich für einen kürzeren Zeitraum auf den Vollzug der Abschiebung verzichtet. Hiervon unterscheidet sich die Sachlage bei der Erteilung einer Ausbildungsbildung nach § 60c AufenthG von der Sachlage bei der Erteilung von Duldungen aus anderen Gründen lediglich insoweit, als die Ausbildungsduldung für die gesamte voraussichtliche Dauer der Berufsausbildung erteilt wird. Die erfolgreiche Beendigung der Ausbildung soll nicht durch den Wegfall einer ursprünglich gegebenen und möglicherweise weiterhin fortbestehenden rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit der Ausreise infrage gestellt werden. Den geduldeten Personen sowie den Ausbildungsbetrieben soll für die Zeit des Ausbildungsverhältnisses Planungssicherheit eingeräumt werden. Eine weitergehende Privilegierung wird für die Dauer des Ausbildungsverhältnisses in § 60c AufenthG nicht geschaffen. [...]