OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.11.2019 - 7 A 11069/18.OVG - asyl.net: M28730
https://www.asyl.net/rsdb/M28730
Leitsatz:

Ermessen der Behörde bei Erstattung aus Verpflichtungserklärung:

"Zur Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung der bei einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG (juris: AufenthG 2004) erstattungsberechtigten Stelle aufgrund atypischer Gegebenheiten (hier: Abgabe einer Verpflichtungserklärung zur Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge unter besonderen [äußeren] Umständen auf der Grundlage der Aufnahmeanordnung des Hessischen Innenministeriums und fehlerhafte Überprüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Verpflichtungsgebers) (Rn. 51)."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Verpflichtungserklärung, Landesaufnahmeprogramm, Syrien, Ermessen, Sonderfall, Leistungsfähigkeit, Billigkeit, Härtefall, besondere Härte,
Normen: AufenthG § 68,
Auszüge:

[...]

51 3. Die danach aus mehreren Gründen erforderliche Ermessensentscheidung über die Heranziehung des Klägers auf Grundlage der Verpflichtungserklärung hat der Beklagte nicht getroffen. Im angefochtenen Bescheid vom 14. Juni 2017 sowie im Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2017 finden sich keinerlei Erwägungen, die erkennen lassen, dass der Beklagte die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung erkannt und das ihm zukommende Ermessen betätigt hat. Insbesondere die standardmäßig enthaltene Wendung "Unter Abwägung aller Gesichtspunkte, bin ich zu der Entscheidung gekommen, Sie zur Erstattung der für … geleisteten Hilfen aufzufordern." belegt keine Ermessensausübung. Eine solche ist auch nicht der daran anschließenden Formulierung zu entnehmen, "weder das Vorbringen des Klägers noch die Aktenlage lasse eine unbillige Härte erkennen". Damit ist eine Ermessensentscheidung nicht getroffen, sondern deren Erforderlichkeit gerade verneint worden. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung die besondere Situation in Hessen und die unklare Rechtslage im Bundesgebiet berücksichtigt hat oder die erkennbar zweifelhafte finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers von ihm überhaupt erkannt worden ist. Die daraus folgende Ermessensfehlerhaftigkeit im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO, hier in Form des Ermessensausfalls, konnte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch eine Nachholung von Ermessenserwägungen nicht geheilt werden. § 114 Satz 2 VwGO schafft die prozessualen Voraussetzungen lediglich dafür, dass die Behörde defizitäre Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann, nicht hingegen dafür, dass sie ihr Ermessen nachträglich erstmals ausübt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 2017 – 18 A 1125/16 –, juris, Rn. 63; OVG Nds, Urteil vom 11. Februar 2019 – 13 LB 441/18 –, juris, Rn. 60 m.w.N.). [...]