Umverteilung im Asylverfahren zur Pflege der volljährigen Schwester:
Anspruch auf Umverteilung gemäß § 51 Abs. 1 AsylG bei Betreuungsbedarf einer Schwester. Der Anspruch ist nicht erst bei Pflegebedürftigkeit gegeben. Die Umverteilung nach § 51 AsylG setzt keine außergewöhnliche Härte, sondern nur humanitäre Gründe voraus.
(Leitsätze der Reaktion)
[...]
Die volljährige Klägerin und ihre ebenfalls volljährige Schwester zählen nicht zu den Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG, deren Haushaltsgemeinschaft durch Umverteilung gemäß § 51 Abs. 1 Alt. 1 AsylG - ggf. wiederhergestellt werden kann.
Sonstige humanitäre Gründe im Sinne des § 51 Abs. 1 Alt. 2 AsylG müssen ein der Zusammenführung von Mitgliedern der Kernfamilie vergleichbares Gewicht haben. Geht es dem Ausländer um die Aufnahme von familiären Beziehungen - außerhalb der Kernfamilie -, ist zu berücksichtigen, dass der grundrechtliche Schutz der Familie sich in - wenngleich abgeschwächter Form - über die Kernfamilie hinaus auch auf erwachsene Geschwister erstrecken kann (vgl. zur Vorgängernorm § 22 AsylVfG VGH Mannheim, Beschluss vom 20. Dezember 1988 - A 14 S 1559/88 -, juris, Rn. 6; für Cousins VGH Kassel, Beschluss vom 23. Oktober 1986 - 10 TH 2554/86 -, juris, Rn. 3). Ein relevanter Belang ist neben der durch Art. 6 GG geschützten Ehe und Familie die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Gesundheit. Das Ermessen ist daher nach den in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben in der Regel reduziert, wenn die betreffende Person auf die Lebenshilfe eines nicht der Kernfamilie angehörenden Verwandten aufgrund von Krankheit, Schwangerschaft, Alter, Gebrechlichkeit oder sonstiger besonderer Betreuungsbedürftigkeit angewiesen ist (VGH Mannheim, Urteil vom 2. Februar 2006 - A 12 S 929/05 -, juris, Rn. 17; VG Schwerin, Urteil vom 7. Juni 2018 - 15 A 4520/17 As SN -, juris, Rn. 21; VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 31. Juli 2017 - B 3 K 17.32322 -, juris, Rn. 18; VG München, Gerichtsbescheid vom 13. November 2015 - M 24 K 15.2129 -, juris, Rn. 30; Heusch, in: BeckOK AuslR AsylG, § 51 Rn. 9). Es genügt, dass durch die Unterstützung und Lebenshilfe krankheitsbedingte und seelische Belastungen vermindert werden und sich dies positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken kann (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 13. Oktober 2004 - 1 A 271/04 -, juris, Rn. 20; VG Leipzig, Urteil vom 22. November 1999 - 6 K 30559/99 -, juris, Rn. 16).
Nur in atypischen Fällen können gegenläufige Belange eine abweichende Entscheidung rechtfertigen (OVG Bautzen, Beschluss vom 7. April 1999 - A 4 S 78/98 -, juris, Rn. 4; Heusch, a.a.O., Rn. 13; Jobs, in: GK-AsylVfG, Stand August 2012, § 51 Rn. 5; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, 12. Aufl. 2018, AsylG § 51 Rn. 4).
Die Frage, ob sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht gegeben sind, lässt sich dabei nur einzelfallbezogen beantworten (VGH München, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 21 ZB 15.30099 -, juris, Rn. 8; Beschluss vom 12. September 2002 - 25 ZB 02.31330 -, juris, Rn. 1).
Der Beklagte überdehnt die Anforderungen des § 51 Abs. 1 AsylG, wenn er im Bescheid vom 8. Juni 2018 eine nicht zu vertretende Härte und im Schriftsatz vom 29. Januar 2019 eine Pflegebedürftigkeit der Schwester zur Voraussetzung macht, die ausschließlich durch die Klägerin befriedigt werden kann. Anders als etwa § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG verlangt § 51 Abs. 1 AsylG keine außergewöhnliche Härte, sondern lediglich humanitäre Gründe, deren Gewicht demjenigen der Zusammenführung von Angehörigen der Kernfamilie vergleichbar sein muss. Der Auffassung des Beklagten, die Pflegebedürftigkeit müsse in dem Verfahren nach § 18 SGB XI festgestellt werden, ist daher nicht zu folgen. Auf die Pflegebedürftigkeit im Sinne der gesetzlichen Pflegeversicherung kommt es hier nicht an. [...]