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OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 20.05.2020 - 2 B 34/20 - asyl.net: M28505
https://www.asyl.net/rsdb/M28505
Leitsatz:

Klage auf Abschiebungsverbot bei bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens steht der Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels nicht entgegen:

"Die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG nicht entgegen, wenn der Antragsteller seinen Asylantrag zwar zurückgenommen, er aber gegen die Feststellung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen, Klage erhoben hat."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: elektronischer Rechtsverkehr, Aufenthaltstitel, Einreise- und Aufenthaltsverbot, Ausweisung, Straftat, Wiederholungsgefahr, Kindeswohl, Eltern-Kind-Verhältnis, Asylverfahren, Schutz von Ehe und Familie, Sperrwirkung, Abschiebungsverbot, Klageverfahren, Klage,
Normen: AufenthG § 10 Abs. 1, AufenthG § 10 Abs. 3, AufenthG § 25 Abs. 5, AufenthG § 28, AufenthG 60 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

bb. Dem Antragsteller steht nach rechtskräftigem Abschluss der gegen ihn gerichteten Strafverfahren möglicherweise ein Anspruch auf ein humanitäres Aufenthaltsrecht aus § 25 Abs. 5 AufenthG zu.

(1.) Dem steht nicht schon § 10 Abs. 1 AufenthG entgegen. Das Asylverfahren des Antragstellers ist bestandskräftig abgeschlossen, nachdem er seinen Asylantrag zurückgenommen und das Bundesamt das Asylverfahren durch Bescheid vom 21.01.2020 eingestellt hat.

Dass der Antragsteller gegen die Feststellung des Bundesamts, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen, Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben hat, ist unschädlich (so auch VG Greifswald, Urt. v. 21.03.2013 – 2 A 587/11, juris Rn. 16; a.A. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.11.1996 – 11 S 3001/94, juris Rn. 29; Discher, in: Fritz/ Vormeier, GK-AufenthG, § 10 Rn. 52; Maor, in: Kluth/ Heusch, BeckOK AuslR, § 10 AufenthG Rn. 4; Huber, in: ders./ Eichenhofer/ Endres de Oliveira, Aufenthaltsrecht (1. Aufl. 2017), Rn. 134 sowie Ziff. 10.1.1 AllgVwV-AufenthG). Denn diese Feststellungen betreffen nicht mehr "das Asylverfahren" im Sinne des § 10 Abs. 1 AufenthG. Zwar hat das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG bzw. § 32 AsylG die Entscheidung über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote stets mit zu treffen, wenn es über Asylanträge im Sinne des § 13 AsylG entscheidet und den Antragsteller nicht als Asylberechtigten anerkennt bzw. ihm keinen internationalen Schutz zuerkennt. Aus § 32 Satz 1 AsylG, wonach das Bundesamt im Falle der Antragsrücknahme einerseits feststellt, "dass das Asylverfahren eingestellt ist" und andererseits über das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots entscheidet, folgt jedoch, dass die letztgenannte Entscheidung nicht dem eigentlichen Asylverfahren zuzurechnen ist.

Dafür streitet auch der systematische Zusammenhang mit § 10 Abs. 3 AufenthG, der die Erteilung eines humanitären Aufenthaltsrechts bereits dann zulässt, wenn der Ausländer seinen "Asylantrag" zurückgenommen hat. Letzteres hat der Antragsteller getan. Dass er sein Begehren auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG noch gerichtlich weiterverfolgt, kann nicht als (teilweise) Aufrechterhaltung des "Asylantrags" gewertet werden. Denn ein Begehren auf Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG durch das Bundesamt ist kein "Asylantrag" im Sinne des § 10 AufenthG und des § 13 AsylG, wenn nicht zugleich auch die Zuerkennung internationalen Schutzes oder die Anerkennung als Asylberechtigter begehrt wird (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 3.5.2018 – 13 LB 223/17, juris Rn. 30). Daher greift die Sperre des § 10 Abs. 1 AufenthG – anders als beim Asylfolge- oder Zweitantrag (§§ 71, 71a AsylG) – zum Beispiel nicht, wenn der Ausländer nach bestandskräftigem Abschluss eines Asylverfahrens einen nur auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG beschränkten Wiederaufgreifensantrag stellt (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 11.6.2013 – 5 K 476/12, juris Rn. 31; VG Oldenburg, Urt. v. 29.2.2012 – 11 A 1512/11, juris Rn. 38; Müller, in: Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 10 AufenthG Rn. 10). Nichts Anderes kann gelten, wenn er während des Asylverfahrens den Asylantrag zurücknimmt und nur noch das Schutzersuchen nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG weiterverfolgt. Eine Entscheidung, die von dem Bundesamt kraft Gesetzes (§ 24 Abs. 2 AsylG) nach Stellung eines Asylantrages zu treffen ist, ist eben keine Entscheidung über diesen Asylantrag (BVerwG, Urt. v. 17.12.2015 – 1 C 31/14, juris Rn. 16). [...]