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VG Kassel

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Zitieren als:
VG Kassel, Urteil vom 19.02.2020 - 4 K 2483/16.KS - asyl.net: M28436
https://www.asyl.net/rsdb/M28436
Leitsatz:

Zeitliche Begrenzung der Verpflichtungserklärung:

Bei einer Verpflichtungserklärung zum Zweck der Familienzusammenführung - auch nach dem Landesaufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus Syrien - entfällt die Verpflichtung zur Zahlung des Lebensunterhalts, wenn die zugezogene Person als Flüchtling anerkannt wird.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Verpflichtungserklärung, Flüchtlingsanerkennung, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltszweck, Sozialleistungen, Syrien, Aufnahmeanordnung, Aufnahmeprogramm,
Normen: AufenthG § 68, AufenthG § 68 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 68a S. 1, BGB § 133, BGB § 154, BGB § 142 Abs. 1, BGB § 121 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 55 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 23 Abs. 1, AufenthG § 25 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Entgegen der Auffassung des Beklagten erstreckt sich diese Erstattungspflicht der Klägerin jedoch nicht auch auf den sich an die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG anschließenden Zeitraum. Denn es handelt sich hierbei um eine Änderung des Aufenthaltszweckes i.S. der Verpflichtungserklärung.

Hierzu hat das BVerwG in seinem Urteil vom 26.01.2017 (BVerwG 1 C 10/16, a.a.O.) ausgeführt, dass für die Zuordnung eines Sachverhalts zu einem "Aufenthaltszweck" im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes auszugehen ist. Dieses zugrunde gelegt, erfolgte im vorliegenden Fall ein Wechsel des Aufenthaltszwecks, als die dem Begünstigten nach § 32 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert, sondern diesem eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt worden ist. Denn die Aufenthaltserlaubnis nach § 32 AufenthG ist in Abschnitt 6 des 2. Kapitels des AufenthG geregelt, § 25 Abs. 2 AufenthG in dessen 5. Abschnitt.

Dem hält der Beklagte ohne Erfolg entgegen, dass sich das BVerwG in dieser Entscheidung nur dazu verhalten habe, dass in den Verpflichtungserklärungen kein von den in Abschnitten übergreifend zusammengefassten Aufenthaltszwecken des Aufenthaltsgesetzes abweichender, engerer Zweckbegriff verwendet worden sei, hingegen nicht auch die Feststellung getroffen worden sei, dass derselbe Aufenthaltszweck nicht in verschiedenen Abschnitten geregelt sein könne. Denn der Beklagte übersieht mit diesem Einwand, dass das BVerwG auch ausgeführt hat:

"… Das wird schon daran deutlich, dass in den Verpflichtungserklärungen auf § 23 Abs. 1 AufenthG Bezug genommen wird und die Verpflichtung bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck fortdauert. Die Verpflichtungserklärungen beziehen sich damit jedenfalls nicht auf Aufenthalte, die etwa zum Zwecke des Studiums oder aus familiären Gründen genehmigt werden, auch wenn der Bürgerkrieg zu dieser Zeit noch andauert. Vielmehr umfassen sie nur die in Abschnitt 5 des 2. Kapitels des Aufenthaltsgesetzes geregelten Aufenthalte aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, zu denen der in den Verpflichtungserklärungen genannte § 23 Abs. 1 AufenthG gehört (zur Maßgeblichkeit des gesamten Abschnitts 5 siehe unter bb)" (BVerwG 1 C 10/16, a.a.O. RdNr. 26).

Dies zeigt, dass auch das BVerwG zwischen familiären Gründen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, politischen oder humanitären Gründen unterscheidet und sich letzterer Aufenthaltszweck nicht – über die systematische Zuordnung im Gesetz hinweg – auch auf die Familienzusammenführung erstreckt.

Aber auch wenn ein Zweckwechsel grundsätzlich nur dann angenommen wird, wenn dem von einer Verpflichtungserklärung begünstigten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck neu erteilt wird, der in keinerlei sachlichem Zusammenhang zu dem vorherigen Aufenthaltszweck steht, führt dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. [...]