VG Meiningen

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Zitieren als:
VG Meiningen, Beschluss vom 24.01.2020 - 5 E 1504/19 Me - asyl.net: M28142
https://www.asyl.net/rsdb/M28142
Leitsatz:

Familienasyl kann auch vom nur biologischen Vater abgeleitet werden:

Die Regelungen für den Anspruch auf Familienasyl eines minderjährigen ledigen Kindes nach § 26 Abs. 2 iVm § 26 Abs. 5 AsylG sind im Lichte der QualifikationsRL 2011/95/EU so auszulegen, dass ein Anspruch auf Familienschutz auch dann besteht, wenn der stammberechtigte Elternteil der biologische, aber nicht zugleich der rechtliche Vater ist

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Familienasyl, Familienflüchtlingsschutz, rechtlicher Vater, biologischer Vater, leiblicher Vater, sozialer Vater, Eltern-Kind-Verhältnis, Familieneinheit, Schutz von Ehe und Familie, Familienschutz,
Normen: AsylG § 26 Abs. 2, AsylG § 26 Abs. 5, RL 2011/95/EU Art. 23 Abs. 2, RL 2011/95/EU Art. 2
Auszüge:

[...]

Vorliegend hat die Antragsgegnerin zwar geprüft, ob die Voraussetzungen des Familienasyls bzw. des Familienflüchtlingsschutzes nach § 26 AsylG vorliegen, sich letztlich jedoch darauf beschränkt, festzustellen, dass Herr ... - dem mit rechtskräftiger Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - nicht im rechtlichen Sinne nach § 1592 BGB Vater der Antragstellerin ist. Dass dieser unter keinen Umständen als Vater der Antragstellerin in Betracht kommt, hat die Antragsgegnerin jedoch nicht unter Ausschöpfung aller ihr möglichen Mittel ermittelt. Die von ihr getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen aus diesem Grund nicht so weit, dass vernünftigerweise kein Zweifel mehr bestehen kann und sich geradezu aufdrängt, dass ein Anspruch der Antragstellerin nach § 26 Abs. 2, Abs. 5 AsylG ausscheidet. Mit ihrer alleinigen Betrachtung des nationalen Rechts hat die Antragsgegnerin bereits außer Betracht gelassen, dass sich das für die Abstammung der Antragstellerin maßgebende Recht nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB zwar einerseits nach dem Recht des Staates richtet, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Satz 1), aber sich ebenso im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmen kann, dem dieser Elternteil angehört (Satz 2) - hier also dem iranischen Recht. Zudem ist § 26 Abs. 2, Abs. 5 AsylG hinsichtlich des Anspruchs auf Familienflüchtlingsschutz eines minderjährigen ledigen Kindes im Lichte der Qualifikationsrichtlinie auszulegen, auch wenn diese nationale Regelung durchaus über die Vorgaben der Richtlinie hinausreicht. Die Regelung dient nämlich nach dem Willen des Gesetzgebers der Umsetzung von Art. 23 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie (BT-Drs. 17/13063, S. 21). Nach Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 2 der Qualifikationsrichtlinie sind Familienangehörige die minderjährigen Kinder der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, gleichgültig ob es sich nach dem nationalen Recht um eheliche, außerehelich geborene oder adoptierte Kinder handelt. Nach der Gesetzesbegründung trägt die Regelung des § 26 AsylG der Tatsache Rechnung, dass bei Familienangehörigen häufig eine vergleichbare Bedrohungslage wie bei den Stammberechtigten vorliegen wird (BT-Drs. 17/13063, S. 21). Eine vergleichbare Bedrohungslage strahlt jedoch nicht nur vom rechtlichen Vater, sondern gerade auch vom biologischen Vater auf sein leibliches Kind aus, soweit er mit diesem auch in Deutschland in familiärer Gemeinschaft lebt und somit grundsätzlich von einer gemeinsamen Rückkehr auszugehen ist. [...]