VG Dresden

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Zitieren als:
VG Dresden, Urteil vom 19.12.2019 - 13 K 2390/18.A - asyl.net: M28108
https://www.asyl.net/rsdb/M28108
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung nach Verhör und Bedrohung durch venezolanischen Geheimdienst wegen oppositioneller Tätigkeit der Mutter:

Schutzsuchende, die in Venezuela von Mitarbeitenden des Geheimdienstes SEBIN unter körperlichen und psychischen Misshandlungen zum Verbleib ihrer oppositionell tätigen Mutter verhört wurden und die nach ihrer Ausreise selbst in Deutschland oppositionell tätig geworden sind, was dem SEBIN durch die Verbreitung dieser Tätigkeit über die sozialen Medien mit aller Wahrscheinlichkeit bekannt geworden ist, ist die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Venezuela, politische Verfolgung, Servicio Bolivariano de Inteligencia Nacional, SEBIN, oppositionelle Tätigkeit, Opposition, Exilpolitik, exilpolitische Tätigkeit, Geheimdienst,
Normen: AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4,
Auszüge:

[...]

Das Gericht ist auf Grund der aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse zu der Überzeugung gelangt, dass den Klägern im Falle ihrer Rückkehr nach Venezuela aus individuellen, an ihren Personen anknüpfenden Gründen Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht. [...]

Diesen rechtlichen Maßstab vorangeschickt, liegen im Falle der Kläger die Voraussetzungen für ihre politische Verfolgung vor (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 AsylG). Das Gericht ist auf Grund der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse sowie unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden Erkenntnismittel zu der Überzeugung gelangt. dass die Kläger im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen von staatlicher Seite ausgesetzt sehen würden, nachdem sie bereits vor ihrer Flucht Verfolgungsmaßnahmen durch Mitarbeiter des SEBIN haben hinnehmen müssen. Zwar wurden sie vom SEBIN unter körperlichen und psychischen Misshandlungen zum Verbleib der Mutter der Klägerin zu 2. verhört, so dass man davon ausgehen könnte, dass solche Maßnahmen nicht mehr zu befürchten seien, wenn die Kläger mitteilen würden, dass sich ihre Mutter bzw. Schwiegermutter im Ausland aufhalte. Eine solche Schlussfolgerung verbietet sich jedoch schon deswegen, weil den Klägern bereits mit weiteren Misshandlungen gedroht wurde, wenn sie nicht umgehend den Aufenthaltsort der Mutter der Klägerin zu 2. in Erfahrung bringen. Es steht schon deswegen zu erwarten, dass ihnen wegen ihrer Ausreise aus Venezuela und der damit verbundenen Entziehung von der geforderten Mitteilung weiterer asylrelevanter Ungemach droht. Hinzu kommt, dass sich nicht nur die Mutter der Klägerin zu 2., die ausweislich der von den Klägern vorgelegten Unterlagen und des Verwaltungsvorgangs des Bundesamtes zu an der Beklagten ebenso als Flüchtling anerkannt wurde wie zwei Schwestern der Klägerin zu 2. und ihr Stiefvater, sondern auch die Kläger, insbesondere die Klägerin zu 2. zwischenzeitlich oppositionell in einer Weise engagiert hat, die auf Grund der Verbreitung über die sozialen Medien auch dem SEBIN aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verborgen geblieben sein dürfte. [...]