Entscheidungshoheit der Bundesarbeitsagentur bei Ausbildungen im Gesundheits- und Pflegewesen:
1. Der Bundesagentur für Arbeit obliegt grundsätzlich, im Gegensatz zur Ausländerbehörde, die Beurteilung der Möglichkeit oder Notwendigkeit einer angestrebten Beschäftigung in Deutschland.
2. Ausländerbehörde und Auslandsvertretung sind bei Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke der Beschäftigung an die Beurteilung der materiellen Zustimmungsvoraussetzungen durch die Bundesarbeitsagentur gebunden, auch wenn diese zu Unrecht erfolgt ist.
3. Die Bundesarbeitsagentur hat auch im Hinblick auf betriebliche Ausbildungen im Gesundheits- und Pflegewesen das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
15 a. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist für Aufenthalte, die über 90 Tage hinausgehen, ein vor der Einreise erteiltes Visum erforderlich. Die Erteilung richtet sich gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nach den für die Beantragung eines nationalen Aufenthaltstitels aus demselben Rechtsgrund geltenden Voraussetzungen, für den von der Klägerin beabsichtigten Ausbildungsaufenthalt mithin nach den Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung gemäß § 17 Abs. 1 AufenthG. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bedarf ein Aufenthaltstitel zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung grundsätzlich der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Eine einschlägige zwischenstaatliche Vereinbarung, nach der die angestrebte Aus- und Weiterbildung auch ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist, besteht nicht. Auf Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 42 Abs. 1 AufenthG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrats in der Beschäftigungsverordnung zustimmungsfreie Beschäftigungen geregelt. Für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 17 Abs. 1 AufenthG zum Zwecke der betrieblichen Aus- und Weiterbildung sieht § 8 Abs. 1 BeschV die Möglichkeit der Zustimmungserteilung vor. Die von der Klägerin beabsichtigte Ausbildung zur Altenpflegerin ist auch von keiner der in §§ 2, 3, 5, 7, 9, 14, 15, 16 bis 24 und 31 der BeschV genannten Fallgruppen erfasst, für die eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nicht zulässig bzw. nicht erforderlich ist.
16 Bei der Zustimmung nach § 39 AufenthG handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um ein Verwaltungsinternum (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2009 - 1 C 14.08 - BVerwGE 135, 325 Rn. 15; Bodenbender, in: Fritz/Vormeier, GK-AufenthG, Stand Oktober 2019, § 39 Rn. 59; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2019, § 39 AufenthG Rn. 76; Hänsle, in: Decker/Bader /Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 1. Edition, Stand 01. März 2019, § 39 AufenthG Rn. 2; Stiegeler, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 39 AufenthG Rn. 8; Sußmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 39 AufenthG Rn. 44). Der Zustimmung fehlt es an einer Regelungswirkung im Außenverhältnis (§ 35 Satz 1 VwVfG). Seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) werden die Aufenthaltserlaubnis und die Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einem einzigen Verwaltungsakt als einheitlicher Aufenthaltstitel von den Ausländerbehörden erteilt und erfolgt die Beteiligung der Beigeladenen in Form eines behördeninternen Zustimmungsverfahrens.
17 Dies gilt auch für eine nach § 36 Abs. 3 BeschV auf Initiative eines Arbeitgebers schon vor der Übermittlung einer Zustimmungsanfrage mögliche Vorabzustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Auch sie ist gegenüber der zuständigen Stelle zu erklären und dient bei gleichem Regelungsgehalt lediglich der Verfahrensbeschleunigung. Zwar wird die schriftliche Zustimmung - wie hier - unmittelbar dem Arbeitgeber ausgehändigt, damit dieser sie an den Ausländer zum Zwecke der Vorlage bei der Botschaft weiterleitet. Auch in diesem Fall ist Empfänger der Vorabzustimmung aber nicht der Arbeitgeber oder der Ausländer, sondern die für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels zuständige Stelle, im Visumverfahren also gemäß § 71 Abs. 2 AufenthG die zuständige Auslandsvertretung der Beklagten. Ob in diesen Fällen von der Beigeladenen mit der verwaltungsinternen (Vorab-) Zustimmung gegenüber der Auslandsvertretung zugleich konkludent gegenüber dem Arbeitgeber die Zusage erteilt wird, eine inhaltlich deckungsgleiche Zustimmung auch gegenüber der für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Inland zuständigen Ausländerbehörde abzugeben, wenn dort rechtzeitig innerhalb der Gültigkeit der gegenüber der Auslandsvertretung erteilten Zustimmung ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt wird, bedarf im vorliegenden, auf die Erteilung eines Visums gerichteten Verfahren keiner Entscheidung.
18 b. Nach § 38 BeschV darf die Anwerbung in Staaten und die Arbeitsvermittlung aus Staaten, die in der Anlage zur BeschV aufgeführt sind, für eine Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen nur von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt werden. Kamerun ist unter Nr. 25 der Anlage zur BeschV aufgeführt.
19 aa. Eine "Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen" schließt begrifflich eine Beschäftigung im Rahmen eines betrieblichen Ausbildungsverhältnisses nicht aus. Zwar erfordert die Ausübung des Berufs des Altenpflegers eine entsprechende Ausbildung, so dass den Begriffen "Beruf" und "Ausbildung" grundsätzlich eine unterschiedliche Bedeutung zukommt. Eine "Beschäftigung" in einem Gesundheits- und Pflegeberuf setzt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch aber gerade nicht voraus, dass sie nur von einer Person mit abgeschlossener Berufsausbildung wahrgenommen werden kann. Näher liegt vielmehr, die Begrenzung auf "Gesundheits- und Pflegeberufe" auch als allgemeine Umschreibung des Betätigungsfeldes zu sehen, in dem auch Auszubildende tätig sein können.
20 bb. Mit dem Sinn und Zweck der Regelung des§ 38 BeschV ist die Einbeziehung von betrieblichen Ausbildungen in das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit vereinbar. Insbesondere steht der von den Vorinstanzen insoweit wegen seiner Zielrichtung (gerechte Stärkung und Schutz labiler Gesundheitssysteme in Entwicklungsländern, Abschwächung negativer Wirkungen der Migration von Gesundheitspersonal, vgl. Art. 3 Leitsätze Ziff. 3.2) herangezogene Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften - WHA63.16 - einer Einbeziehung weder entgegen noch erfordert er ein Verbot der Anwerbung und Vermittlung von Ausbildungsverhältnissen durch private Anbieter. Auch wenn Auszubildende dem in der englischsprachigen Originalversion des Kodex verwendeten weiten Begriff des "health personnel" (Gesundheitspersonal) unterfallen dürften, kann der nationale Gesetzgeber mangels Rechtsverbindlichkeit des Kodex und des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums bei der Umsetzung hiervon - gegebenenfalls auch überschießend - abweichen. Mit dem Kodex soll (auch) eine zirkuläre Migration ermöglicht werden (Art. 3 Leitsatz - Ziff. 3.8), die Ausbildungsmöglichkeiten im Ausland umfasst (Art. 5 - Ziff. 5.3). Zudem wird durch die Anwerbung und Vermittlung einer betrieblichen Ausbildung in Deutschland einem labilen Gesundheitssystem im Herkunftsland nur dann Gesundheitspersonal entzogen und das dortige Gesundheitssystem potentiell geschwächt, wenn die Ausbildungsperson ohne die Anwerbung und Vermittlung dem Gesundheitssystem im Herkunftsland tatsächlich zur Verfügung stünde. Andererseits ist eine betriebliche Ausbildung in Deutschland inzwischen rechtlich mit einer Bleibeperspektive verbunden, die einer Rückkehr nach einem erfolgreichen Abschluss entgegenwirkt.
21 cc. Ein gegen die Einbeziehung von Ausbildungen in das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol des § 38 BeschV gerichteter Wille des Verordnungsgebers bei Erlass der Verordnung lässt sich nicht feststellen. Die nachträglich - in Abstimmung mit dem Verordnungsgeber - geänderte Praxis der Beigeladenen, nach der das Anwerbungs- und Vermittlungsverbot zunächst nicht für berufliche Ausbildungen nach § 17 AufenthG gegolten hat (vgl. Ziff. 38.05 der Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 38 BeschV vom 13. Juni 2016) und die nach Angaben der Beigeladenenvertreterin im Mai 2017 durch die Einbeziehung von Ausbildungen geändert wurde, gibt über den ursprünglichen Willen des Verordnungsgebers keinen Aufschluss.
22 dd. Für eine weite Auslegung des Beschäftigungsbegriffs des Anwerbungs- und Vermittlungsmonopols nach § 38 BeschV unter Einbeziehung von betrieblichen Ausbildungsverhältnissen spricht indes ein systematischer Vergleich.
23 (1) Die Beschäftigungsverordnung selbst geht in § 34 Abs. 3 von einer "Beschäftigung zur beruflichen Aus- und Weiterbildung" aus und enthält eine Regelung zur Ausgestaltung der dafür erforderlichen Zustimmung.
24 (2) Ein die betriebliche Aus- und Weiterbildung mitumfassender Beschäftigungsbegriff liegt auch dem Aufenthaltsgesetz zugrunde. Die Aufenthaltserlaubnis zur Ausbildung (§§ 16 ff. AufenthG) und die zur Erwerbstätigkeit (§§ 18 ff. AufenthG) sind zwar in unterschiedlichen Abschnitten des Gesetzes geregelt und insbesondere durch unterschiedliche Aufenthaltszwecke geprägt, die unterschiedliche Ziele verfolgen und anderen Kriterien unterliegen. Wenn aber im Rahmen der Aufenthaltserlaubnis zu Ausbildungszwecken nach § 17 Abs. 2 AufenthG bei einer qualifizierten Berufsausbildung eine von der Ausbildung unabhängige Beschäftigung von bis zu zehn Stunden je Woche zulässig ist, setzt dies eine Beschäftigung auch in der Ausbildung voraus. Die Legaldefinition der Erwerbstätigkeit in § 2 Abs. 2 AufenthG verweist jedenfalls u.a. auf den Beschäftigungsbegriff des § 7 SGB IV, nach dessen Abs. 1 Satz 1 eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis ist. Als Anhaltspunkte für eine Beschäftigung werden in § 7 Abs. 1 Satz2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers angeführt, wobei nach § 7 Abs. 2 SGB IV auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung als Beschäftigung gilt.
25 (3) Für eine weite Auslegung des Beschäftigungsbegriffs in § 38 BeschV spricht schließlich auch die Verordnungsermächtigung in § 292 SGB III, die dem Verordnungsgeber die Beschränkung der Vermittlung für eine Beschäftigung im Ausland außerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie die Vermittlung und Anwerbung aus diesem Ausland für eine Beschäftigung im Inland (Auslandsvermittlung) für bestimmte Berufe und Tätigkeiten auf die Bundesagentur für Arbeit ermöglicht. Sie überlässt dem Verordnungsgeber die Steuerung der Migration ausländischer Arbeitnehmer unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten, worunter auch das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit für Gesundheits- und Pflegeberufe in § 38 BeschV fällt. Dass - wie im Bereich der allgemeinen Sozialversicherung nach § 7 SGB IV - auch im Bereich der Arbeitsförderung nach dem SGB III eine betriebliche Ausbildung eine Beschäftigung darstellt, bestätigt § 25 Abs. 1 SGB III, wonach dem Begriff der versicherungspflichtigen Beschäftigung alle Personen unterfallen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Auch der Begriff der Vermittlung umfasst nach der Legaldefinition in§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III nicht nur Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Arbeitssuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses (Arbeitsvermittlung) zusammenzuführen, sondern auch Tätigkeiten zum Zwecke der Zusammenführung von Auszubildenden mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungsverhältnisses (Ausbildungsvermittlung). [...]