VG Göttingen

Merkliste
Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 30.01.2020 - 1 A 34/18 - asyl.net: M28074
https://www.asyl.net/rsdb/M28074
Leitsatz:

Kein Schutz für ehemaliges Mitglied der South Lebanon Army:

1. Die frühere Mitgliedschaft in der South Lebanon Army (SLA) sowie die Verurteilung und Verbüßung einer Haftstrafe wegen der Mitgliedschaft Anfang der 2000er Jahre im Libanon begründet keinen flüchtlingsrelevanten Schutz. Es gehen keine Gefahren von der Hisbollah für ehemalige SLA-Mitglieder aus.

2. Die allgemeine Sicherheitslage im Libanon ist stabil. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den seit Mitte Oktober 2019 andauernden Demonstrationen im Libanon.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Libanon, SLA, South Lebanon Army, Kausalität, Haftstrafe, Haft, materielles Asylrecht, Flüchtlingsanerkennung, Abschiebungsverbot, Sicherheitslage,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 4, AufenthG § 60 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7,
Auszüge:

[...]

24. Unter Berücksichtigung des soeben Dargestellten hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. [...]

25. Sofern der Kläger auf seine ehemalige Mitgliedschaft in der SLA und seine Verurteilung im Jahre 2001 abstellt, die zu den beschriebenen Übergriffen in den Jahren 2004 und 2005 und den weiterhin behaupteten noch aktuellen Diskriminierungen führe, so ist festzustellen, dass es jedenfalls an einem kausalen Zusammenhang zwischen etwaiger Verfolgung und Flucht fehlt. [...]

27 Daran fehlt es hier, da der Kläger erst zehn Jahre nach den geschilderten Vorfällen im Jahre 2004 und 2005 seine Heimat verlassen hat. [...]

29 Darüber hinaus lässt sich – auch in Bezug auf etwaige Nachfluchtgründe – aktuellen Erkenntnismitteln entnehmen, dass es keine Anhaltspunkte für Repressionen gegen ehemalige SLA-Angehörige über die strafrechtliche Aufarbeitung hinaus, gibt (siehe Auswärtige Amt, Lagebericht 2019, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libanon, Stand: Dezember 2018, S. 15). Die strafrechtliche Aufarbeitung liegt beim Kläger aber schon lange zurück und ist erledigt.

30 Soweit der Kläger vorträgt, er könne nicht in seinen Heimatort zurückkehren, weil dieser von der Hisbollah kontrolliert werde, folgt der Einzelrichter dem nicht. Es ist unwahrscheinlich, dass die Hisbollah den Kläger dort nicht wieder hinziehen lassen oder ihm dort schaden wird. Denn der Kläger lebte dort von 2007 bis 2015, hat dort einen Großteil seiner Familie und ging dort auch einer Erwerbstätigkeit nach. Darüber hinaus ist die Hisbollah nach aktuellen Erkenntnismitteln derzeit nicht willens, ehemalige SLA Kämpfer in neuen Anläufen zu verfolgen. Dies gilt insbesondere für bereits Abgeurteilte wie den Kläger. Im Gegensatz zu früheren Jahren (vor 2008) wurden keine Übergriffe der Hisbollah gegenüber ehemaligen SLA-Mitgliedern gemeldet; die Hisbollah hat eine versöhnliche Haltung gegenüber ehemaligen SLA-Mitgliedern und Sanktionen den Gerichten überlassen (vgl. BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Libanon: Ehemalige Mitglieder der SLA, 21.02.2017 m.w.N.). [...]

37 Auch die allgemeine Sicherheitslage, die jedenfalls zum Zeitpunkt der Ausreise 2015 für viele Libanesen zu Recht ein Grund zu erheblicher Besorgnis war (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 30.12.2015, Stand Dezember 2015, S. 8), stellt sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht so dar, dass dem Kläger im Fall der Rückkehr in den Libanon ein ernsthafter Schaden drohte. Vielmehr ist die Sicherheitslage – abgesehen von Auseinandersetzungen in Palästinensercamps – stabil (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 13.02.2019, Stand Dezember 2018, S. 7). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den seit Mitte Oktober 2019 andauernden Demonstrationen im Libanon, die seitdem Gegenstand von Berichten in der Tagespresse sind. Es ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung nicht ersichtlich, dass hieraus ein bewaffneter Konflikt entstehen könnte, der zu einer ernsthaften Bedrohung von Leib oder Leben des Klägers führen könnte. [...]