OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 29.10.2019 - 4 LA 217/19 - asyl.net: M27987
https://www.asyl.net/rsdb/M27987
Leitsatz:

Keine "Ableitungsketten" beim Familienasyl:

"§ 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG ist weit auszulegen. Er schließt die Gewährung von abgeleitetem Schutz nach § 26 AsylG von einem Familienangehörigen, der diesen Schutzstatus selbst nur über § 26 AsylG erhalten hat, über den ausdrücklich geregelten Fall der Ableitung des Schutzes zugunsten eines Kindes hinaus auch für andere Familienangehörige aus (Anschluss an Bay. VGH, Urt. v. 26.4.2018 - 20 B 18.30332 -; OVG Saarland, Urt. v. 21.3.2019 - 2 A 7/18 -; vgl. zur bereits nach § 26 AsylVfG a.F. unzulässigen Bildung von sog. "Ableitungs­ketten" BVerwG, Urt. v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 -)."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Familienschutz, Ableitungskette, Familienangehörige, Auslegung, Stammberechtigter,
Normen: AsylG § 26 Abs. 4 S. 2,
Auszüge:

[...]

5 [...] Das Verwaltungsgericht hat seine Ansicht, dass § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG über seinen Wortlaut hinaus im Fall einer sog. "Ableitungskette" nicht nur für Kinder, sondern auch für andere Familienmitglieder die Gewährung von Familienasyl oder von internationalem Schutz für Familienangehörige ausschließt, mit Verweisen unter anderem auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. April 2018 (- 20 B 18.30332 -, veröffentlicht in juris und frei zugänglich abrufbar auf www.gesetze-bayern.de/Search/Hitlist) und auf das zum früheren § 26 AsylVfG ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 1993 (- 9 C 7.93 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 163 = NVwZ 1994, 504) begründet. Damit hat sich das Verwaltungsgericht die rechtlichen Argumentationen, auf die diese beiden Entscheidungen gestützt worden sind, zu Eigen gemacht. Für eine substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit hätte es daher einer näheren inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesen beiden veröffentlichten und somit für den Kläger zugänglichen Entscheidungen bedurft, insbesondere mit der sehr eingehend begründeten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur heutigen Rechtslage. Hieran fehlt es aber gänzlich.

6 Im Übrigen schließt sich der Senat der aus seiner Sicht vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der oben genannten Entscheidung überzeugend begründeten Ansicht an, dass § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG weit auszulegen ist und die Gewährung von abgeleitetem Schutz nach § 26 AsylG von einem Familienangehörigen, der diesen Schutzstatus selbst nur über § 26 AsylG erhalten hat, über den ausdrücklich geregelten Fall der Ableitung des Schutzes zugunsten eines Kindes hinaus auch für andere Familienangehörige ausschließt (so auch OVG Saarland, Urt. v. 21.3.2019 - 2 A 7/18 -). Die vom Kläger aufgeworfene Frage ist damit eindeutig zu bejahen, so dass es keiner Durchführung eines Berufungsverfahrens zu ihrer grundsätzlichen Klärung bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 17.1.2019 - 4 LA 271/18 -; GK-AsylG, § 78 Rn. 117, 150). [...]