VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.11.2019 - 11 S 2996/19 - asyl.net: M27911
https://www.asyl.net/rsdb/M27911
Leitsatz:

Kein Suspensiveffekt des Rechtsmittels gegen Einreise- und Aufenthaltsverbot:

"Widerspruch und Klage gegen ein an eine Abschiebung anknüpfendes, befristetes Einreise- und Aufenthalts­verbot nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG (in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 <BGBl. I S. 1294>) (juris: AufenthG 2004, Fassung: 2019-08-15) entfalten nach § 80 Abs. 2 S 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 AufenthG (juris: AufenthG 2004) keine aufschiebende Wirkung (Rn.41)."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Einreise- und Aufenthaltsverbot, Suspensiveffekt, Einreisesperre, Rechtsmittel,
Normen: AufenthG § 11, AufenthG Abs. 1 S. 1 Nr. 7, VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3,
Auszüge:

[...]

41 Der Statthaftigkeit eines solchen Antrags stehen § 80 Abs. 1 VwGO und die vom Antragsteller gegen den Bescheid vom 29. August 2019 rechtzeitig erhobene Anfechtungsklage nicht entgegen. Der Senat ist der Auffassung, dass die aufschiebende Wirkung dieser Klage in Bezug auf das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr.. 7 AufenthG entfallen ist.

42 Dies ergibt sich allerdings nicht bereits eindeutig aus dem Wortlaut von § 84 Abs. 1 AufenthG. Denn im Katalog derjenigen aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, bei denen nach § 84 Abs. 1 AufenthG die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfaltet, finden zwar die - im vorliegenden Zusammenhang nicht relevanten - Anordnungen von Einreise- und Aufenthaltsverboten nach § 11 Abs. 6 AufenthG (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr.. 8 AufenthG) und § 11 Abs. 7 AufenthG (§ 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) Erwähnung, nicht aber Anordnungen eines solchen Verbots nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr.. 7 AufenthG bezieht sich zwar umfassend auf alle Einreise- und Aufenthaltsverbote des § 11 AufenthG, befasst sich seinem Wortlaut nach aber nur mit deren Befristung. Der Gesetzgeber hat also auch nach dem im August 2019 erfolgten Systemwechsel in § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG vom gesetzlichen zum behördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot am Wortlaut des § 84 Abs. 1 AufenthG festgehalten, soweit diese Vorschrift Anordnungen von Einreise- und Aufenthaltsverboten sowie deren Befristung betrifft.

43 Aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisefrist lässt sich aber hinreichend deutlich ableiten, dass der Gesetzgeber mit dem oben angesprochenen Systemwechsel nicht zugleich das Ziel verfolgt hat, den Rechtsschutz gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote künftig dergestalt zu erweitern, dass Widerspruch und Klage gegen ein solches Verbot unmittelbar kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 1 VwGO) aufschiebende Wirkung haben. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz (BT-Drs. 19/10047, S. 26 und 31 ff.) wurde mit der Neufassung von § 11 AufenthG ausschließlich das Anliegen verfolgt, das deutsche Aufenthaltsrecht in Bezug auf Einreise- und Aufenthaltsverbote, die an behördliche Rückkehrentscheidungen anknüpfen, mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG und der dazu ergangenen Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Der hiermit verbundene Systemwechsel von einem kraft Gesetzes entstehenden Einreise- und Aufenthaltsverbot zum Erfordernis eines im jeweiligen Einzelfall behördlich verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots ist bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. August 2019 durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung des bisher geltenden Rechts bewältigt worden. Dabei ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass in einer behördlichen Befristungsentscheidung regelmäßig zugleich der konstitutive Erlass eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots gesehen werden kann (BVerwG, Urteile vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 -, juris Rn. 25, und vom 27.07.2017 - 1 C 28.16 -, juris Rn. 42; Beschlüsse vom 13.07.2017 - 1 BR 3.17 und 1 A 10.17 -; zu den prozessualen Konsequenzen dieses Ansatzes vgl. VGH Bad.- Württ., Beschluss vom 07.11.2018 - 11 S 2018/18 -, juris Rn. 30; VG Sigmaringen, Beschluss vom 28.03.2018 - A 1 K 7863/17 -, juris Rn. 31; Dörig/Hoppe, in: Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, § 5 Rn. 810; bereits zum neuen Recht vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 22.08.2019 - A 19 K 1718/17 -, juris Rn. 36 f.; VG Berlin, Beschluss vom 09.09.2019 - 19 K 447.17 -, juris Rn. 53; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020 <im Erscheinen>, § 11 AufenthG Rn. 133). Der Bundesgesetzgeber hat sich die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Vorgaben des Unionsrechts nun zu eigen gemacht und im Wege der Neufassung von § 11 AufenthG nachvollzogen. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz vom 15. August 2019 wird dieses Anliegen wie folgt erläutert (BT-Drs. 19/10047, S. 31): [...]