VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 12.11.2019 - 19 K 304.18 - asyl.net: M27901
https://www.asyl.net/rsdb/M27901
Leitsatz:

Eine die Ausweisung begründende Wiederholungsgefahr entfällt erst bei erfolgreichem Abschluss der Drogentherapie:

Von dem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr kann erst ausgegangen werden, wenn eine Person, die Straftaten begangen hat, die auf seiner Suchterkrankung beruhen, die Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig
drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende belastbar dargelegt hat.  

(Leitsätze der Redaktion, vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 - VGH 10 ZB 17.1386)

Schlagwörter: Ausweisung, Drogendelikt, Drogenabhängigkeit, Strafe, Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Wiederholungsgefahr, Drogentherapie, Straftat,
Normen: AufenthG § 53,
Auszüge:

[...]

22 b) [...] Der Beklagte ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass den für eine Ausweisung des Klägers sprechenden Gründen überwiegendes Gewicht zukommt. Zwar schlagen der lange Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet und dessen Aufwachsen hier für ihn zu Buche. Auch muss Beachtung finden, dass eine Reintegration in Russland den Kläger vor erhebliche Schwierigkeiten stellen dürfte. Allerdings treten diese Belange angesichts Art sowie Anzahl der begangenen Straftaten und der nach wie vor bestehenden Wiederholungsgefahr erheblichen Straftaten letztlich zurück.

23 a) Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. [...]

27 Das Gericht wertet diese von dem Zeugen glaubhaft geschilderte Entwicklung als erste positive Schritte des Klägers hin zu einer drogen- und kriminalitätsfreien Zukunft. Allerdings bleibt festzustellen, dass der Kläger bis dahin derzeit noch einen langen Weg vor sich hat und gegenwärtig noch ungewiss ist, ob er das Ziel erreichen wird. Immerhin hat der 24-jährige Kläger über einen Zeitraum von rund zehn Jahren - von kürzeren Unterbrechungen abgesehen - regelmäßig Drogen konsumiert, über einen beträchtlichen Zeitraum davon auch harte Drogen. Damit zieht sich seine Rauschmittelabhängigkeit nahezu durch sein vollständiges Erwachsenenleben. Nunmehr stellt er sich im KMV zwar einer professionellen Therapie, lässt trotz einer insgesamt guten Bewertung seiner Entwicklung aber teilweise den nötigen Ernst vermissen. Als wenig förderlich ist jedenfalls zu bewerten, dass der Kläger in der letzten Zeit die Rückfallprophylaxe offenbar "nicht mehr ganz ernst genommen" hat, wie der Zeuge ... erklärt hat. Ausgehend von der Bekundungen des Zeugen ... besteht zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls aktuell noch keinerlei Grund zur Annahme, dass die der Deliquenz des Klägers zugrunde liegende Suchterkrankung abschließend kuriert ist. Wie auch der Zeuge ... bestätigt hat, steht der Kläger vielmehr noch am Anfang der Therapie. Ob es dem Kläger letztlich gelingen kann, selbstständig drogenfrei zu leben, wird sich erst zeigen, wenn er weitere Lockerungen erhält und unter Beweis stellt, auch außerhalb des geschützten Bereichs im Maßregelvollzug extramuralen rückfallbegünstigenden Einflüssen widerstehen zu können. Solange dieses Stadium noch nicht erreicht ist, kann von einer endgültigen Suchtbewältigung nicht ausgegangen werden.

28 Ist die Sucht aber noch nicht endgültig bewältigt, bleiben Drogenrückfälle, die auch nach Bekundung des Zeugen zum Entzug "dazugehören", weiterhin zu besorgen. Dann besteht allerdings gegenwärtig noch die konkrete Gefahr fort, dass der Kläger Taten, wie sie dem Urteil des Landgerichts zugrunde lagen (und die nach übereinstimmender Bewertung des Klägers, seines behandelnden Arztes und des landgerichtlichen Urteils vom 21. Februar 2018, vgl. UA S. 12, im Zusammenhang mit seiner Drogensucht stehen), wieder begehen wird. Denn solange jemand, der - wie der Kläger Straftaten begangen hat, die auf seiner Suchterkrankung beruhen, - nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hat und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende belastbar dargelegt hat, kann nicht von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr ausgegangen werden (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 - VGH 10 ZB 17.1386 -, juris Rn. 10 m.w.N.). [...]