Asylberechtigung für eine transsexuelle Person aus dem Libanon mit libanesischer und syrischer Staatsangehörigkeit:
Transsexuellen Personen droht im Libanon mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung, insbesondere wenn sie auch als solche zu erkennen sind.
(Leitsätze der Redaktion; diese und weitere Entscheidungen zu LSBTI-Personen sind auch zu finden in der Rechtsprechungssammlung des LSVD)
[...]
II. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. August 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat zum nach § 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. [...]
Dem Kläger droht unter den derzeitigen Bedingungen im Heimatstaat wegen seiner Transsexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Im Libanon wurden ausweislich des aktuellen Berichts von Amnesty International nach wie vor Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche vom Inneren Sicherheitsdienst festgenommen und nach § 534 des libanesischen Strafgesetzbuchs angeklagt, der sexuelle Handlungen unter Strafe stellt, "die den Gesetzen der Natur widersprechen" (AI, Amnesty Report Libanon v. 23.05.2018, S. 4). Laut Human Rights Watch seien von den Behörden Razzien durchgeführt worden, um angeblich in gleichgeschlechtliche Handlungen involvierte Personen festzunehmen. Manche von ihnen seien der Folter unterworfen worden, darunter erzwungenen rektalen Untersuchungen. [...] Zwar ist es insbesondere in der Hauptstadt Beirut in letzter Zeit zu einer Liberalisierung gekommen und eine Gerichtsentscheidung aus dem Jahr 2018 hat die bisherige Auffassung, dass gleichgeschlechtlicher Geschlechtsverkehr die Strafnorm des § 534 des libanesischen Strafgesetzbuches erfülle, in Frage gestellt (Human Rights Watch, World Report 2018 - Lebanon, Januar 2018, www.hrw.org/sites/default/files/lebanon_3.pdfhttps://www.hrw.org/sites/default/files/lebanon_, zuletzt abgerufen am 19.09.2018). Allerdings wurde die Veranstaltung "Gay Pride" in Beirut im Mai 2018 abgebrochen und verboten; der Veranstalter wurde festgenommen und 14 Stunden lang verhört (der Standard.at, Akzeptanz Homosexueller im Libanon findet jähes Ende, 19.05.2018, derstandard.at/2000080016489/Akzeptanz-Homosexueller-findet-jaehes-Ende-im-Libanon, zuletzt abgerufen am 19.09.2018). [...] Besteht bereits für Homosexuelle möglicherweise eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Libanon (so VG Dresden, Urt. v. 27.04.2018 - 11 K 3142/17.A - , juris), so gilt dies erst recht jedenfalls für Transsexuelle, sofern sie, wie der Kläger, als solche zu erkennen sind. Die berichteten Vorkommnisse verdeutlichen, dass in der libanesischen Gesellschaft nicht zwischen Homo- und Transsexualität unterschieden wird und Geschlechtsverkehr unter Beteiligung einer transsexuellen Person häufig als gleichgeschlechtlicher Geschlechtsverkehr angesehen wird. Anders als Homosexualität ist jedoch die Transsexualität im alltäglichen Leben sichtbar, denn sie ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass der betroffene Mensch wegen eines ausgeprägten inneren Leidensdrucks eine körperliche und auch soziale Angleichung an das und damit Akzeptanz des empfundenen Geschlechts erstrebt und damit auch hohe gesundheitliche Kosten und Risiken wie medikamentöse Behandlungen und geschlechtsangleichende Operationen in Kauf nimmt.
Ob die Rechtslage im Libanon und die Verfolgungspraxis der Strafverfolgungsorgane im Libanon für sich genommen ausreicht, um eine hinreichend schwerwiegende staatliche Verfolgung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu begründen, kann dahinstehen, weil der libanesische Staat nicht willens ist, dem Kläger Schutz vor Verfolgung durch Dritte, die im Libanon nach der Überzeugung des Gerichts droht, zu unterbinden. [...]