VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 13.03.2014 - AN 3 K 13.30755 - asyl.net: M27791
https://www.asyl.net/rsdb/M27791
Leitsatz:

Keine drohende Verfolgung in Äthiopien bei Homosexualität:

Zwar wird Homosexualität in Äthiopien tabuisiert und nach dem äthiopischen Strafgesetzbuch mit Strafe bedroht, allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass über Einzelfälle hinaus von staatlicher Stelle aus gezielte Verfolgungshandlungen und Bestrafungen ergehen.

(Leitsätze der Redaktion; diese und weitere Entscheidungen zu LSBTI-Personen sind auch zu finden in der Rechtsprechungssammlung des LSVD)

Schlagwörter: Äthiopien, homosexuell, Strafbarkeit, LSBTI,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3a, AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4, AsylG § 3c, AsylG § 3d, AsylG § 3e, RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Der Kläger muss wegen seiner homosexuellen Neigungen auch bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylrechtsrelevanten staatlichen Maßnahmen rechnen. Unbestritten ist, dass Homosexualität nach den Artikeln 629 bis 631 des äthiopischen Strafgesetzbuchs mit Haft bedroht wird. Aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 13. Juli 2010 ergibt sich eine Tabuisierung homosexuellen Verhaltens in Äthiopien. Danach gehen die meisten Äthiopier davon aus, dass Homosexualität in Äthiopien nicht existiert und dass diese "Krankheit" zuerst aus dem Westen importiert worden sei, später durch Äthiopier, die im Ausland gelebt hätten oder oft ins Ausland gereist seien. Von den meisten Äthiopiern wird danach Homosexualität als Sünde angesehen. Eine Tabuisierung der Homosexualität bewirkt danach, dass viele Homosexuelle ihre sexuelle Orientierung nur im Geheimen ausleben und sich tarnen würden, indem sie in einer heterosexuellen Beziehung leben würden. Viele seien der Angst ausgesetzt, entdeckt zu werden, Treffen könnten nur an geheimen Orten stattfinden und Homosexuelle würden sich durch geheime Zeichen untereinander zu erkennen geben. Viele homosexuelle Männer würden über Angstzustände berichten, Identitätskrisen, Verwirrung, Depressionen, Selbstzweifel, religiöse Konflikte und Selbstmordversuche. Konkrete Berichte zur Gewalt gegen Homosexuelle in Äthiopien seien danach kaum zu finden, dies liege vor allem an der Tabuisierung von Homosexualität und die Berichterstattung sei aus Angst vor Vergeltung, Diskriminierung und Stigmatisierung massiv eingeschränkt. Gewalt und Übergriffe gegen Homosexuelle würden nicht geahndet, die Gewalt gehe häufig von staatlichen Akteuren aus. Auch das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht Äthiopien vom 18. Dezember 2012 aus, dass es belastbare Einzelberichte gebe, wonach die Polizei Gewalttätigkeiten gegen Homosexuelle nicht verfolge.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nochmals ausgeführt, dass er homosexuell sei, das Gericht hat diese Tatsache als wahr unterstellt und insoweit von der Einholung eines Gutachtens abgesehen, welches die homosexuellen Neigungen des Klägers bestätigen würde. Allerdings geht das Gericht nicht davon aus, und dies könnte wohl auch ein Gutachten nicht klären, dass der Kläger in Bezug auf seine sexuelle Ausrichtung dermaßen geprägt wäre, dass er etwa in Äthiopien bei einer Rückkehr seine Homosexualität in einem solchen Maße auch öffentlich ausleben würde, die ein Leben in Äthiopien für ihn unmöglich machen würde, wie ja schon sein Verhalten vor seiner Ausreise in Äthiopien gezeigt hat. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck gemacht, als habe er wegen seiner homosexuellen Neigungen Angstzustände, Depressionen oder Selbstzweifel oder würde gar suizidgefährdet sein. Zudem ergibt sich aus dem vorgelegten Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe auch nicht, dass etwa homosexuelle Handlungen, obwohl mit Strafe bedroht, tatsächlich von äthiopischen Gerichten bestraft werden würde. Dies entspricht im Wesentlichen auch dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes, wonach eine gezielte Verfolgung von Homosexuellen oder Transsexuellen von der Polizei nicht praktiziert werde, Verhaftungen, Gerichtsverfahren und Urteile gegen Homosexuelle oder Transsexuelle seien danach in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Offensichtlich ist es für homosexuelle Personen in Äthiopien auf Grund der dort vorherrschenden Anschauungen nicht einfach zu leben, aber es kann wohl nicht davon ausgegangen werden, dass von staatlichen Stellen gezielte Verfolgungshandlungen und Bestrafungen gegen homosexuelle Personen in einer Vielzahl von Fällen stattfinden würde, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass Homosexuelle in Äthiopien in einer Art und Weise verfolgt werden würden, dass ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen wäre.

Die Entscheidung des Gerichts steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH. [...]