LG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 24.10.2019 - 2-21 T 91/19 - asyl.net: M27764
https://www.asyl.net/rsdb/M27764
Leitsatz:

Rechtswidrigkeit einer Haftverlängerung wegen Anhörung ohne anwaltliche Vertretung:

1. Wird der verfahrensbevollmächtigten Person bei kurzfristiger Ankündigung eines noch für denselben Tag geplanten Anhörungstermins eine Frist von 30 Minuten zur Rückmeldung gegeben, mit dem Hinweis, dass ansonsten die Anhörung ohne sie stattfinden wird, so verstößt dies gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

2. Ist es der verfahrensbevollmächtigten Person bei kurzfristiger Terminierung nicht möglich, zur Anhörung zu erscheinen, so muss das Haftgericht die Anhörung entweder verlegen oder darf sie andernfalls nicht durchführen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Verlängerung, Anhörung, Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwalt, Rechtswidrigkeit, Ladungsfrist,
Normen: FamFG § 420 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 62,
Auszüge:

[...]

Der Feststellungsantrag gemäß § 62 FamFG ist zulässig und unbegründet.

Die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil ihm bei dessen Anhörung ein schwerer Verfahrensfehler unterlaufen ist. Einem Verfahrensbevollmächtigten muss die Möglichkeit eingeräumt werden, an dem Termin zur Anhörung des Betroffenen teilzunehmen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne weiteres zu der Rechtswidrigkeit der Haft, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Anordnung der Haft auf dem Fehler beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - V ZB 167/16 - mit zahlreichen Nachweisen, zitiert nach juris). Das Amtsgericht hat durch seine Terminierung gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen hat noch vor dem Anhörungstermin dargelegt, dass es ihm aufgrund der äußerst kurzfristigen Terminierung nicht möglich sein wird, den Termin für seinen Mandanten wahrzunehmen. Dies hätte das Amtsgericht im Sinne eine fairen Verfahrens berücksichtigen und den anberaumten Termin so verlegen müssen, dass es dem Verfahrensbevollmächtigten aufgrund der erforderlichen Anfahrtsdauer zumindest möglich gewesen wäre, innerhalb der Ladungsfrist nach Frankfurt zu kommen und den Termin wahrzunehmen. Stattdessen durfte es die Anhörung des Betroffenen ohne dessen Verfahrensbevollmächtigten nicht durchführen.

Es war insbesondere nicht zulässig, den Termin durchzuführen, weil der Verfahrensbevollmächtigte nicht innerhalb der ihm dafür eingeräumten 28 Minuten auf die Vorschläge der Alternativtermine reagiert hat. Zwar ist von einem Rechtsanwalt, der mit besonders eiligen Abschiebehaftsachen betraut ist, zu verlangen, dass er sein Büro so organisiert, dass er auch kurzfristig auf gerichtliche Ladungen reagieren kann (vgl. Landgericht Frankfurt, 29. Zivilkammer, Beschluss vom 10.08.2018 - 2-29 T 191/18). Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass er - obwohl er bereits einen Terminsverlegungsantrag gestellt hatte - damit rechnen musste, dass der Termin, wenn er nicht innerhalb eines Zeitraums von nicht einmal einer halben Stunde reagiert, dennoch durchgeführt wird. Vielmehr hätte das Amtsgericht bei solcher Sachlage eine Verlegung vornehmen müssen, um dem Verfahrensbevollmächtigten überhaupt die Möglichkeit zu geben, am Termin teilzunehmen. [...]