Bundesministerium des Innern

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Zitieren als:
Bundesministerium des Innern, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 30.08.2019 - V II 5 - 20102/62#7 - asyl.net: M27675
https://www.asyl.net/rsdb/M27675
Leitsatz:

Einbürgerung von Abkömmlingen wiedergutmachungsberechtigter früherer deutscher Staatsangehöriger:

Abkömmlinge von aufgrund NS-Unrechts wiedergutmachungsberechtigten früheren deutschen Staatsangehörigen im Sinne des § 12 Abs. 1 (1.) StARegG mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland können unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit bis zum Generationenschnitt (§ 4 Abs. 4 StAG) nach Maßgabe von § 14 i.V.m. § 8 Abs. 2 StAG eingebürgert werden. Voraussetzung ist, dass Bindungen zu Deutschland bestehen, einfache deutsche Sprachkenntnisse und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland vorliegen.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: deutsche Staatsangehörigkeit, Einbürgerung, Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, Bundesministerium des Innern, Erlass, Ermessen, NS-Verfolgung, NS-Unrecht, Nationalsozialismus, Generationenschnitt, Mehrstaatigkeit, Abkömmlinge,
Normen: StAG § 4 Abs. 4, StAG § 8 Abs. 2, StAG § 14 StAG, StAG § 14, StAG § 38 Abs. 2 S. 5, GG Art. 116 Abs. 2, StARegG a.F. § 12 Abs. 1 (1.)
Auszüge:

[...]

Mit diesem Erlass wird Abkömmlingen früherer deutscher Staatsangehöriger im Sinne des § 12 Absatz 1 (1.) StARegG a.F. mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland bis zum Generationenschnitt nach § 4 Absatz 4 StAG die Möglichkeit einer Einbürgerung nach § 14 StAG eröffnet, wenn sie die gesetzlichen und nachfolgend bestimmten Ermessensvorgaben erfüllen.

Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ihre Situation weitestgehend derjenigen der Abkömmlinge früherer deutscher Staatsangehöriger im Sinne des Artikels 116 Absatz 2 GG entspricht und sich lediglich dadurch von dieser unterscheidet, dass ihrem verfolgten Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, sondern dieser die deutsche Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit anderen NS-Verfolgungsmaßnahmen verloren hat.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass für diese Personengruppe nach § 12 Absatz 2 (1.) StARegG a.F. zwar ein gesetzlicher Einbürgerungsanspruch bestand, der aber zum 31. Dezember 1970 befristet war, so dass die ab 1. Januar 1971 Geborenen diese staatsangehörigkeitsrechtliche Wiedergutmachungsregelung für nationalsozialistisches Unrecht nicht in Anspruch nehmen konnten.

Hinsichtlich der ehemals nach § 12 Absatz 2 (i3) StARegG a.F. einbürgerungsberechtigten Abkömmlinge, die von diesem Einbürgerungsanspruch hingegen keinen Gebrauch gemacht hatten, ist zu berücksichtigen, dass - im Gegensatz zum insoweit unbefristeten (Wieder-) Einbürgerungsanspruch nach Artikel 116 Absatz 2 GG - der Einbürgerungsanspruch nach § 12 Absatz 2 (1.) StARegG a.F. lediglich in der Zeit vom 24. August 1957 bis zum 31. Dezember 1970 geltend gemacht werden konnte. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass nachwirkende persönliche Empfindungen hinsichtlich der NS-Verfolgungsmaßnahmen, ein NS-belastetes Deutschlandbild oder ein möglicher Verlust der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaats in dieser Zeit möglicherweise von einem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit abgehalten haben. Vor diesem Hintergrund erhalten auch die ehemals einbürgerungsberechtigten Abkömmlinge jetzt nochmals eine Einbürgerungsmöglichkeit, soweit bei diesen nach wie vor Bindungen zu Deutschland bestehen.

Diese Regelung gilt für alle Abkömmlinge absteigender Linie bis zu dem zum 1. Januar 2000 eingefügten Generationenschnitt nach § 4 Absatz 4 StAG. Dies entspricht dem Geltungsbereich des Art. 116 Absatz 2 GG. Abkömmlinge, die in den Anwendungsbereich des § 4 Absatz 4 StAG fallen, können über Artikel 116 Absatz 2 GG die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr erwerben, da die Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit (nur) nach Maßgabe der allgemeinen staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsgründe erfolgt. Entsprechend wird auch für die Wiedergutmachungsregelungen nach diesem Erlass der Generationenschnitt als zeitliche Grenze zugrunde gelegt. Danach haben die in der Generationenfolge als Erste nach dem 31. Dezember 1999 geborenen Abkömmlinge dann letztmalig die Möglichkeit zur erleichterten Einbürgerung.

Die Regelungen des Bezugserlasses werden dementsprechend in der nachfolgend aufgeführten Nummer wie folgt geändert und ergänzt: [...]

Abkömmlinge eines wiedergutmachungsberechtigten früheren deutschen Staatsangehörigen im Sinne des § 12 Absatz 1 (1.) StARegG a.F., der im Zusammenhang mit Verfolgungsmaßnahmen aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 vor dem 26. Februar 1955 (Inkrafttreten des StARegG a.F.) eine fremde Staatsangehörigkeit erworben hat, können bis zum Generationenschnitt nach § 4 Absatz 4 StAG auf der Grundlage des § 14 StAG unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert werden, wenn sie (über die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen hinaus) über einfache deutsche Sprachkenntnisse und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügen.

Dabei wird von der Voraussetzung der Unterhaltsfähigkeit (§ 8 Absatz 1 Nummer 4 StAG) aus Gründen des öffentlichen Interesses abgesehen (§ 14 i.V.m. § 8 Absatz 2 StAG)

Die Deutschkenntnisse, die Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland sowie die Plausibilität der antragsbegründenden Angaben werden von der Auslandsvertretung im persönlichen Gespräch mit dem Einbürgerungsbewerber festgestellt; dabei ist eine wohlwollende Handhabung zugrunde zu legen. Die Feststellung wird dem Bundesverwaltungsamt übermittelt.

Gemäß § 38 Absatz 2 Satz 5 StAG wird für Einbürgerungen nach diesem Erlass, die der Wiedergutmachung von NS-Unrecht dienen, aus Gründen des öffentlichen Interesses Gebührenbefreiung gewährt. Dies entspricht § 26 (1.) StARegG a.F., wonach auch der befristete Einbürgerungsanspruch gem. § 12 Absatz 2 (1.) StARegG a.F. aus Gründen der Wiedergutmachung von NS-Unrecht seinerzeit gebührenfrei war. [...]

Die Möglichkeit zur Miteinbürgerung minderjähriger Kinder besteht nicht bei Abkömmlingen, die aufgrund des Generationenschnitts nach § 4 Absatz 4 StAG letztmalig die Möglichkeit zur erleichterten Einbürgerung haben, da ansonsten die Grenze, die der Generationenschnitt für den Abstammungserwerb im Ausland und damit auch für die staatsangehörigkeitsrechtliche Wiedergutmachung setzt, überschritten würde. [...]